Freitag, 29. Juni 2018

Katrins Top 5 Sonntagskrimi-Teams

Sie sind gern gesehene Gäste in Millionen von deutschsprachigen Haushalten: die Sonntagskrimi-Ermittler. Laut ARD-Homepage sind derzeit 22 "Tatort" und vier "Polizeiruf 110" Teams im Einsatz. Allerdings waren nicht alle während der 2017/2018-Saison zu sehen (klickt hier für unseren Rückblick auf die vergangen 12 Monate Sonntagskrimi). Die Meinungen, welche Kommissare mehr und welche weniger (oder gar keine) Fälle bekommen sollten, gehen sehr weit auseinander. In diesem Post stelle ich euch meine Top 5 Teams vor und erkläre, weshalb sie für mich die besten sind.


5. Janneke und Brix, Tatort Frankfurt

Vermutlich das derzeit harmonischste Team
Foto: HR/Degeto/Bettina Müller
Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) ermitteln seit 2015 in Frankfurt am Main. In mittlerweile sieben Fällen haben sich die einstige Polizeipsychologin und der ehemalige Marinesoldat nicht nur gegen "gewöhnliche" Mörder, sondern auch gegen paranormale Mächte behaupten müssen.
Der Hauptgrund, weshalb ich die beiden Frankfurter so gerne mag, ist ihre Gelassen- und Besonnenheit. Im Gegensatz zu den meisten anderen Teams (darunter die restlichen auf dieser Liste) haben Janneke und Brix keine komischen Angewohnheiten, ein aufbrausendes Wesen oder private Probleme. Sie liegen auch nicht im Dauerstreit, sind insgeheim ineinander verliebt oder gehen zum Ärger des anderen auf Solo-Missionen. Stattdessen arbeiten sie Hand in Hand zusammen und ermitteln ohne großes Wenn und Aber. Dadurch wirken ihre Auftritte stets natürlich und gelassen - selbst im Angesicht von Geistern bleiben sie ruhig. Obwohl ich komplizierte Persönlichkeiten und persönliche Verwicklungen prinzipiell nicht schlimm finde, ist das Frankfurter Team eine nette Ausnahme. Sie zeigen, dass TV-Ermittler auch ein Feierabendbier zusammen trinken können, ohne in Selbstmitleid und Weltschmerz zu verfallen, sich besoffen anzubaggern oder zu zerstreiten. Bitte bleibt weiter so chillig!


4. Sieland und Gorniak, Tatort Dresden

Leider ab sofort ohne Henni Sieland (l.)
Foto: MDR/Gordon Muehle
Von 2016 bis 2018 ermittelten Henni Sieland (Alwara Höfels, Allein gegen die Zeit) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) in Dresden. Nach sechs gemeinsamen Fällen stieg Höfels in der letzten Folge "Wer jetzt allein ist" aus dem "Tatort" aus. Ich berücksichtige das Team dennoch, da ihre Nachfolgerin den Dienst noch nicht angetreten hat. 
Was ich an Sieland und Gorniak so mag, ist ihre unverblümte Art. Sie haben beide einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und setzen alles daran, einen Fall zu lösen - selbst wenn sie ihr Privatleben oder ihre Sicherheit dafür opfern müssen. Außerdem gibt Sieland ihrem Chef Peter Michael Schnabel (Martin Brambach, Das Leben danach) ordentlich kontra, wenn der mal wieder rassistische, sexistische und konservative Töne anschlägt. Das erste rein weibliche Sonntagskrimi-Duo hat mehr als einmal Rückgrat bewiesen, während die meisten anderen Kommissare entweder sinnlos herumbrüllen oder erst hinter verschlossenen Türen ihre Meinung kundtun. Außerdem wirken Sieland und Gorniak deutlich humaner als viele ihrer Kollegen. Während die häufig kaum eine Gefühlsregung zeigen, wird in Dresden auch mal gelacht, geweint und gezittert. Dementsprechend habe ich Höfels Ausstieg sehr bedauert. Hoffentlich werden sich Konzept und Teamdynamik durch die neue Ermittlerin nicht grundlegend ändern.


3. Bukow und König, Polizeiruf 110 Rostock

Ein ewiges Hin und Her zwischen den beiden
Foto: NDR/Christine Schroeder
Der "Polizeiruf"-Kommissar Alexander Bukow (Charly Hübner) und seine LKA-Kollegin Katrin König (Anneke Kim Sarnau) ermitteln seit 2010 in und um Rostock. In 17 gemeinsamen Folgen haben die beiden ein paar Höhen und sehr viele Tiefen erlebt - sei es die Aufarbeitung von Königs dramatischer Kindheit, ihre Fast-Vergewaltigung oder das Ende von Bukows Ehe. 
Die NDR-Ermittler gehören wohl zu den Teams, die am meisten Gepäck mit sich herumschleppen. Je mehr Fälle die zwei lösen, desto kaputter und erschöpfter wirken sie. Dabei bricht auch ihre sowieso schon sehr wacklige Beziehung immer weiter auseinander. Was im ersten Moment wie ein Melodrama klingen mag, ist auf den zweiten Blick aber extrem unterhaltsam. Die große Stärke von Bukow und König ist, dass der Zuschauer die Charaktere leicht durchschaut, obwohl sie fast nie offen über ihre Gefühle sprechen. Durch ihre impulsive Art verraten sie genug über sich selbst, um spannend und dennoch unberechenbar zu bleiben. Bei den beiden Kommissaren kann man sich nie sicher sein, ob sie nicht am Ende einer Folge verhaftet werden, weil sie sich einen Fehltritt zu viel erlaubt haben. Die tolle Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern tut ihr Übriges, dass Bukow und König auch nach 17 gemeinsamen Fällen nicht langweilig werden. 


2. Falke und Grosz, Bundespolizei-Tatort 

Grosz und Falke sind seit Neustem per du
Foto: NDR/Christine Schroeder
Kommissar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) ermittelt seit 2013 im Sonntagskrimi - zuerst in Hamburg, dann als erster Bundespolizist der "Tatort"-Geschichte. Seit 2016 wird er von Julia Grosz (Franziska Weisz) unterstützt. Zusammen haben die beiden mittlerweile vier Fälle gelöst - von denen einer auf unserer Top- und einer auf der Flop-Liste der Saison gelandet ist.
Falke und seine ursprüngliche Kollegin Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) sind mein All-Time-Favorite-Team. Die beiden hatten eine unvergleichliche Chemie, an die keins der anderen Teams der letzten Jahre heranreicht. Auch die neue Bundespolizei-Besetzung nicht. Ich mag Julia Grosz. Sie ist durchsetzungsfähig, zielstrebig, klug und lässt sich nicht unterkriegen. Mittlerweile ist sie mir auch deutlich sympathischer als Falke, der häufig unkonzentriert und sehr emotional ist. Obwohl die beiden noch etwas eckig im Umgang miteinander wirken, ergänzen sie sich sehr gut und finden genau den richtigen Mittelweg zwischen Harmonie und Konfliktpotenzial. Durch dieses ständige Wechselspiel ihrer Beziehung bleibt die Figurenkonstellation abwechslungsreich und unterhaltsam. In ihrer jüngsten Folge "Alles was Sie sagen" haben sie das mehr als eindrücklich bewiesen. 


1. Faber, Bönisch und Dalay, Tatort Dortmund

Lächeln tut dieses Team im Dienst eher nicht
Foto: dpa/Marcel Kusch
Das Dortmunder "Tatort"-Team, bestehend aus Peter Faber (Jörg Hartmann), Martina Bönisch (Anna Schudt) und Nora Dalay (Aylin Tezel), geht seit 2012 gemeinsam auf Verbrecherjagd. Zehn Folgen lang ermittelten die drei gemeinsam mit Kommissar Daniel Kossik (Stefan Konarske, Tatort: Unter Kriegern). Im elften Fall "Tollwut" trafen sie dann auf Jan Pawlak (Rick Okon), ihren zukünftigen, neuen Kollegen.
Für mich sind die Dortmunder Ermittler die derzeit besten im Sonntagskrimi. Das liegt vor allem daran, dass auf den ersten Blick mehrere völlig unterschiedliche Charaktere aufeinander knallen, die im Kern aber gar nicht so verschieden sind. Obwohl sich die Kommissare gegenseitig anbrüllen, niedermachen und anstacheln, lösen sie dennoch jeden Fall effizient und unterstützen einander. Weiterhin ist das Team so wenig sozial, dass es praktisch keine persönlichen Nebenhandlungen gibt, die nichts mit den Verwicklungen innerhalb des Präsidiums zu tun haben. So bleibt der Fokus stets auf den Charakteren und ihren Beziehungen zueinander, ohne dass Familienmitglieder, andere Kollegen oder Bekanntschaften Aufmerksamkeit einfordern. Es braucht auch keine weiteren Figuren, denn die Dortmunder Kommissare sind deutlich komplexer und vielseitiger aufgebaut als die meisten anderen Sonntagskrimi-Ermittler. Dadurch bleiben sie immer überraschend und können nie in eine Schublade gesteckt werden. Außerdem verfügen die drei über einen grandiosen schwarzen Humor, der sich in sehr unterhaltsamen, sarkastischen Wortgefechten entlädt. Faber, Bönisch und Dalay sind die asozialsten, kaputtesten und verquertesten Ermittler im deutschen Fernsehen - aber auch die mit Abstand besten. 


Das waren meine Top 5 der Sonntagskrimi-Teams. Welche mögt ihr am liebsten? Bevorzugt ihr die "Tatort"- oder "Polizeiruf"-Kommissare? Schreibt es gerne in die Kommentare.
Demnächst werde ich den Spieß dann umdrehen und euch die fünf Teams vorstellen, die ich am wenigsten mag.

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Mittwoch, 27. Juni 2018

Bloody Weekend - Neun Jugendliche. Drei Tage. Ein Opfer. (M.A. Bennett) - Rezension

"Bloody Weekend - Neun Jugendliche. Drei Tage. Ein Opfer." ist ein Jugendthriller der Autorin M.A. Bennett. Der Roman ist Anfang des Jahres im "Arena"-Verlag erschienen und umfasst 344 Seiten.

Greer ist seit Kurzem Schülerin am Internat St. Aiden, das vor allem für die sehr traditionsbewusste Einstellung bekannt ist. Egal ob Handy, Internet oder Plastik, das alles wird verachtet, was vor allem an den "Medievals" liegt. Sie sind eine sechsköpfige Gruppe von reichen Schülern, die die Schule "beherrschen" und die Regeln vorgeben, die ihre Mitschüler blindlings befolgen. Angeführt werden sie von Henry de Warlencourt. Greer weiß, dass sie eine Außenseiterin ist und nie zu dieser angesehenen Clique gehören wird. Doch dann erhält sie zusammen mit zwei weiteren Jugendlichen des St. Aiden eine Einladung für ein Jagdwochenende auf Henrys Anwesen. Als sie zusagt, ist ihr nicht klar, dass dort nicht bloß Hirsche, Fasane und Fische gejagt werden. Greer muss schon bald um ihr Leben fürchten. 


Ein vielversprechendes Setting

Das Opfer ist schon sehr früh bekannt
Foto: Arena Verlag
Einer der größten Pluspunkte, mit dem der Roman überzeugen kann, ist die schön düstere Atmosphäre. Das liegt vor allem an der Wahl des Handlungsortes, der sich perfekt für eine unbehagliche Stimmung eignet. Die Geschichte beginnt im Internat. Bereits dort wirkt alles trostlos und leicht beunruhigend, beispielsweise durch Beschreibungen von Hirschköpfen, die als Jagdtrophäen das Gebäude schmücken, oder durch die Schilderungen der sehr traditionellen Einstellung von Angestellten und Schülern. Da bekommt man als Leser wirklich das Gefühl, gut 50 Jahre in die Vergangenheit befördert worden zu sein. Richtig unheimlich wird es dann, als die Gruppe Jugendlicher zum Anwesen von Henrys Familie fährt. Dieser Ort hat wirklich alles, was es für eine schauerliche Geschichte braucht: ein altes, gigantisches Gebäude mitten im Wald, abgelegen von allem, kaum Verbindung zur Außenwelt. Außerdem gibt es seltsames Personal, das alle perfiden Spiele der Jugendlichen bloß stumm beobachtet und geschehen lässt, obwohl sie dort die einzigen Erwachsenen sind. Noch dazu spielt der Roman zur Herbstzeit, was alles noch stimmiger macht. Am beängstigsten sind allerdings die "Medievals". An einigen Stellen wirken diese arroganten Jugendlichen wirklich erschreckend böse ("'Damit die hochrangigen Spezies gedeihen', fuhr Henry in maßvollem, rationalem Ton fort, 'müssen die niederen eingedämmt werden.' [...] 'Was du damit sagen willst, sagte Shafeen langsam, 'ist, dass es manchen Spezies nicht mehr erlaubt werden darf, über sich selbst hinauszuwachsen.' 'Schön zusammengefasst.' 'Sicherlich meinst du damit ausschließlich das Reich der Tiere?', fragte Shafeen. Henry richtete den Blick seiner kühlen, blauen Augen auf ihn. 'Was denn sonst?'"). Sie sind als Gegenspieler vor allem überzeugend, weil sie so realistisch erscheinen. Es wirkt überhaupt nicht aus der Luft gegriffen, dass eine Gruppe privilegierter Schüler durch die Macht und den Einfluss ihrer Familien ihren eigenen Regeln folgen können. Sie beherrschen die Schule und kommen mit allem davon. Was sie für abartige Dinge an diesen "Jagdwochenenden" treiben, ist vielen Lehrern bekannt, doch es wird totgeschwiegen. Bei diesem Szenario musste ich sofort an Jan Guillous autobiografisches Buch "Evil - Das Böse" denken: In den 50er Jahren war der Autor auf einer Schule in Schweden, die von genau solchen Jugendlichen "regiert" wurde und alle Erwachsenen dort haben es zugelassen. "Evil" erzählt nicht nur eine wahre Begebenheit, der Roman ist auch deutlich schockierender als Bennetts Buch, was das Verhalten der Clique in "Bloody Weekend" noch glaubwürdiger erscheinen lässt. Genau dieser Aspekt des Realismus macht die Geschichte so perfide. 
"Evil - Das Böse" wurde übrigens auch verfilmt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Greer ihn gesehen hat, ist ziemlich hoch. Einer der prägnantesten Charakterzüge der Protagonistin ist nämlich, dass sie ein Filmfan ist und ziemlich viele kennt. Das lässt sie immer wieder aufblitzen, indem sie ständig Filmanspielungen macht. Wer in seiner Freizeit lieber andere Dinge tut, als ins Kino zu gehen oder stundenlange DVD-Abende zu veranstalten, wird während des Lesens vielleicht an der ein oder anderen Stelle genervt sein. Ich finde Filme auch toll, aber selbst mich hat es gestört, dass Greer auf gefühlt jeder dritten Seite ein Ereignis oder einen Eindruck mit "Kennt ihr den Film ... ?" beschreibt. Bestimmt 30 verschiedene Erwähnungen sind über den Roman verstreut, von "Narnia" über "Sherlock Holmes" bis hin zu "Twilight". Aber es tauchen auch einige auf, von denen ich noch nie etwas gehört habe. Ich bezweifle, dass Jugendliche ab zwölf, die die Zielgruppe des Buches sind, mit den meisten etwas anfangen können. Hin und wieder werden die Anspielungen an passenden Momenten eingesetzt und tragen dazu bei, eine Situation eindrücklicher einzufangen ("Wie formulierte es Hanibal Lector in 'Das Schweigen der Lämmer'? Sorgen muss man sich erst machen, wenn die Schreie verstummen."). Dann aber gibt es viel zu viele Stellen, an denen diese Einwürfe gar nichts bringen, weil sie darauf setzen, dass der Film beim Leser bekannt ist. Nur wenn man den Titel kennt, hilft es einem, ein Bild vor Augen zu haben ("Der See schimmerte in der Dämmerung und sah aus wie der aus 'Excalibur', der See, aus dem Arthur sein Schwert holt und es am Ende wieder hineinwirft."). Statt eine Szene eindrücklicher zu machen, sorgen sie dann eher dafür, dass der Lesefluss unterbrochen wird. 

Wie "bloody" ist das Wochenende?

Die Atmosphäre ist perfekt für einen packenden Thriller. Die Handlung kann da allerdings nur teilweise mithalten. Der Leser weiß von Anfang an, wer am Ende stirbt und wer dafür verantwortlich sein soll. Trotzdem oder gerade deshalb bleibt es lange spannend. Denn die wichtigste Frage, die während der Geschichte aufkommt, ist die nach dem Umstand des Todes: Wie kommt es dazu und was passiert zuvor, das dieses Ende hervorruft? Diese Antworten gibt die Autorin erst spät, weshalb man noch lange mit rätseln kann. Eine weitere Sache, die sofort klar ist, ist der verstörende Twist des Jagdwochenendes. Dass es in diesem Buch nicht bloß um eine Jagd nach Tieren geht, verrät schon der Klappentext. Es gibt außerdem dutzende Stellen, die andeuten, was passieren wird. Das regt beim Leser natürlich die Fantasie an, wie genau Menschen statt Wild zur Beute werden. Genau dieser Umstand hat bei mir leider für Enttäuschung gesorgt. Die Stellen, an denen diese "Jagd" dann tatsählich geschieht, sind insgesamt deutlich weniger blutig und beängstigend, als der Titel vermuten lässt. Die Situationen werden zum Teil so wenig aufgebaut, dass ich kaum eine Chance hatte, davon wirklich geschockt zu sein. Die erste Szene läuft so schnell ab und wird kaum im Detail beschrieben, dass ich nicht sicher war, ob das tatsächlich schon die erste "Jagd" gewesen sein soll. Es ist kaum Spannung spürbar und es wird überhaupt nicht mit der Angst des Lesers gespielt. Letztendlich ist alles, was erzählt oder angedeutet wird, schlimmer als das, was letztendlich an diesem Wochenende wirklich passiert. Ähnlich unspektakulär ist dann auch das Ende mit der Auflösung, wie und warum Henry stirbt. Hier fehlt ebenfalls die nötige spürbare Bedrohung oder Spannung. Das liegt wohl teilweise daran, dass man weiß, dass der Protagonistin nichts passieren kann, da sie die ganze Geschichte nacherzählt. Als dann eine Szene geschildert wird, in der sie in "Lebensgefahr" schwebt, ist das nicht wirklich fesselnd. Außerdem lassen Greers Andeutungen zum Tod des Schülers vermuten, dass sie eine eiskalte Mörderin sei. Der Schluss zeigt dann aber ein ganz anderes Bild, was ebenfalls enttäuschend ist.  
Ein weiterer Aspekt, der Unbehagen erzeugen soll, ist die Greers Schwärmerei für Henry. Das Problem daran: Als Leser erkennt man schnell, wie unsympathisch er ist. Da das Buch aus Greers Sicht geschrieben ist, erscheinen die romantischen Gefühle der Protagonistin daher einfach paradox. Obwohl es genug Hinweise gibt, die ihr zeigen, was für ein Mensch er ist, kann sie ihre Gefühle nicht abstellen und hofft, dass sie mit ihren Vermutungen doch falsch liegt. An einer Stelle spricht sie davon, dass man in seiner Gegenwart gewesen sein muss, um zu wissen, wovon sie redet. Als Leser hat man diese Möglichkeit nicht und die Beschreibungen im Buch bringen seine Rolle in dieser Hinsicht überhaupt nicht eindrücklich und glaubwürdig rüber. Die Idee ist grundlegend gut: Ein Charakter, der sich so gut verstellen kann, dass selbst der Leser hinters Licht geführt wird, hätte ich toll gefunden. Aber das schafft "Bloody Weekend" nicht. Ich habe nicht verstanden, was Greer so toll an ihm findet und warum sie hin- und hergerissen ist, anstatt von ihm angewidert zu sein. Henry kommt immer arrogant oder durchtrieben rüber, selbst in den Szenen, in denen er angeblich nett ist. Da bringt es auch nichts, wenn Greer ihn ab und zu als charmant betitelt. Die Autorin hat diese "zwei Gesichter", die Henry angeblich haben soll, nicht überzeugend dargestellt. Das ist wirklich schade, denn sonst hätte die gesamte Handlung vielleicht noch deutlich beunruhigender sein können. 

Fazit

"Bloody Weekend" überzeugt vor allem mit einer düsteren Atmosphäre. Leider kann die Handlung nicht mit der Stimmung mithalten. Es liegt einerseits immer eine gewisse Spannung in der Luft, weil zwar die Fragen, wer stirbt und wer dafür verantwortlich ist, schon von Beginn an bekannt sind. Doch die lange Zeit unbeantwortete Frage nach dem "Wie" erweckt das Interesse, die Geschichte weiterzuverfolgen. Andererseits verläuft die "Jagd" dann allerdings deutlich unspektakulärer als erwartet und auch der Höhepunkt der Geschichte hat keinen mitreißenden Effekt. Da dieses Jugendbuch unter die Kategorie "Thriller" fällt, habe ich mir insgesamt mehr Nervenkitzel erhofft.


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Samstag, 23. Juni 2018

Marvel's Cloak & Dagger: Staffel 1, Folge 4 - Rezension

- Der folgende Text enthält Spoiler -


Tandy (Olivia Holt) und Tyrone (Aubrey Joseph) treffen in dieser Folge endlich aufeinander, um über ihre Fähigkeiten und ihre Verbindung zu reden. Beiden wird schnell klar, dass "Roxxon" etwas mit ihren Kräften und dem Unfall damals zu tun haben muss. Tandy versucht über Greg (Gary Weeks), den Anwalt und Freund ihrer Mutter (Andrea Roth), mehr über die Firma und ihre Geheimnisse herauszufinden. Tyrone hat verstanden, dass sein Plan, sich an Connors (J. D. Evermore), dem Polizisten und Mörder seines Bruders, zu rächen, nicht der richtige Weg ist. Auf Tandys Vorschlag hin sucht er unter einem Vorwand das Polizeirevier auf, um sich mit Detective Brigid O'Reilly (Emma Lahana) zu treffen und sich ihr anzuvertrauen.


Es geht weiterhin langsam voran

Tandy und Ty testen ihre Fähigkeiten aus
Foto: Screenshot
Auch in der vierten Folge "Call/Response" (dt.: "Angst und Hoffnung") nimmt die Serie sich Zeit, die Geschichte immer noch sehr ruhig aufzubauen. Im Gegensatz zur vorherigen Episode, wo dieser Weg sehr gelungen eingeschlagen wurde, sind hier doch die ein oder anderen Längen bemerkbar. Während ich bei "Stained Glass" (hier geht's zur Rezension) wirklich positiv überrascht war, wie viel Vielschichtigkeit und Tiefgang den Charakteren in den unaufgeregten 40 Minuten gegeben wurde, habe ich nun gehofft, dass mehr passiert. Zwar werden die Figuren durch den langsamen Verlauf weiter aufgebaut und der Zuschauer lernt sie noch besser kennen, doch nicht auf so eine eindrückliche Weise wie zuvor. Jetzt geht es eher darum, dass sie gemeinsam über die Dinge sprechen, die der Zuschauer schon gesehen hat und kennt. Dabei kommen einfach nicht viele neue Aspekte auf, wodurch die Handlung ins Stocken gerät. Zum Glück gibt es insgesamt drei Handlungsstränge: Tandys und Tys Treffen und jeweils eine eigene Nebenhandlung für beide. Die individuellen Szenen werden dabei immer in die gemeinsame eingebaut. Dieses Hin- und Herspringen sorgt für die meiste Abwechslung, obwohl viele Momente spannungstechnisch nicht allzu viel hergeben. Positiv anzumerken ist aber, dass beide Hauptfiguren gleich viel Screen Time bekommen. Keiner steht mehr im Vordergrund als der andere. Das gefällt mir sehr gut, da ich mich nie gefragt habe, wann denn wieder der jeweils andere auftaucht. Durch die ausgeglichen Aufteilung kommt es zu diesem Problem nicht. 
Ist Evita wirklich nur für Liebesdrama da?
Foto: Screenshot
Eine der unnötigsten Szenen ist die zwischen Evita (Noëlle Renée Bercy) und Tyrone, in der sie für ein paar Sekunden miteinander rummachen. Abgesehen davon, dass sie so gut wie keine Chemie haben, war das Evitas einziger Auftritt! Ich habe ja schon befürchtet, dass ihre Rolle genau das sein wird: der langweilige Love Interest (die vielleicht noch für Probleme sorgen wird). Ich hoffe, dass ich mich irre und ihre Figur noch vielfältiger wird. Immerhin gibt es ein paar Lichtblicke. Die Geschichte um die Firma "Roxxon" läuft langsam an. Greg, der als Anwalt und Freund von Tandys Mutter bisher eher keine besondere Rolle gespielt hat, rückt in den Vordergrund. Die kurzen Szenen, in denen Tandy und er gemeinsam am "Roxxon"-Fall ihres Vaters, der bei dem Unfall der Firma gestorben ist, arbeiten, haben mir gut gefallen. Die Dynamik zwischen ihnen ist toll und es ist eine angenehme Überraschung, dass der Anwalt wirklich in Ordnung zu sein scheint. Dass er dann vor Tandys Augen erschossen wird - mit ziemlicher Sicherheit ist Roxxon involviert - lässt einen als Zuschauer mitfühlen. Das hat vor allem einen Grund: Tandy hat langsam angefangen ihn zu mögen und seine Beziehung zu ihrer Mutter akzeptiert. Mit nur ein paar Momenten hat es die Serie geschafft, einen Charakter, der mir vorher ziemlich egal war, so sympathisch zu machen, dass sein Tod mich mitgenommen hat. Jetzt ist außerdem wirklich klar, dass die Firma etwas zu verbergen hat und dafür über Leichen geht. Zudem gibt es Andeutungen, dass der Unfall, bei dem Tandys Vater gestorben ist, geplant gewesen sein könnte. Das weckt langsam definitiv die Neugier, was es mit "Roxxon" auf sich hat und wer die Frau ist, die Greg umgebracht hat. Daneben endet die Handlung auch mit tollen Cliffhangern: Ty will mit O'Reilly über Connors sprechen und Tandy hat nicht nur den Mord am Anwalts-Freund ihrer Mutter beobachtet, sie kann zum Schluss endlich ihre Kraft kontrollieren. Das sind vielversprechende Ausgangssituationen, die hoffentlich etwas mehr Tempo in die kommenden Handlungen bringen werden.

Das Treffen eskaliert

Tandy will mit Greg mehr über "Roxxon" herausfinden
Foto: Screenshot
Das Gespräch zwischen Tandy und Tyrone ist nur deshalb interessant, weil der Zuschauer einen erfährt, was sie übereinander denken, nachdem sie sich in ihren Gedanken begegnet sind und die Gefühlwelt des anderen kennegelernt haben. Für die Charaktere und den Aufbau ihrer Beziehung ist das wichtig. Das ist der einzige Grund, warum ich den langsamen Verlauf dieser Episode nicht vollkommen unnötig fand. Außerdem schaffen es die beiden Schauspieler weiterhin, eine tolle Dynamik zwischen ihren Figuren zu erschaffen. Bis jetzt hat der Zuschauer immer nur kurze gemeinsame Szenen mit ihnen gesehen, in denen ihre Chemie gut zu erkennen war. In denen ist aber auch deutlich mehr passiert als bloß ein ruhiges Gespräch wie in dieser Folge. Dass diese Dynamik auch hier vorhanden ist, beweist erst recht, was für eine gute Arbeit Holt und Joseph leisten. Genau deshalb war ich sehr enttäuscht davon, wie sie am Ende der Episode auseinandergehen. Als Tandy andeutet, dass sie öfter darüber nachgedacht hat, sich das Leben zu nehmen, greift Tyrone sie mit einer Aussage über Privileg an (Ty: "Let me check your privilege." Tandy: "My privilege? I was just dropped off by a cop that told me that I can't press charges against a guy who almost...[Anm. d. Red.: Hier bezieht sich Tandy auf die Fast-Vergewaltigung] I've had a lot of things taken from me. And everything I have I had to steal, because-" Ty: "'Cause you can! You can walk into any room in this world and never be questioned. Try walking into a department store looking like me. [...] This whole country's trying to kill me every day."). Ich bin hier wirklich zwiegespalten. Die Serie schreckt nicht davor zurück, ernste Themen anzusprechen, was im Grunde wirklich gut und lobenswert ist. Tyrones Standpunkt ist nachvollziehbar und spiegelt die Realität sehr genau wider. Allerdings entwickelt sich das Gespräch äußerst negativ weiter. Denn indem Ty sein "schlechtes" Leben präsentiert, macht er Tandys Probleme irrelevant, so als wären sie unberechtigt. Diese typische "Stell dich nicht so an, du hast es doch gut"-Aussage ist vollkommen unnötig und unangebracht. Dem Ganzen wird aber noch die Krone aufgesetzt, als Tyrone ihr ins Gesicht sagt, dass sie sich doch einfach umbringen solle, wenn es ihr so schlecht gehe. Das ist so ungefähr das Letzte, was man einer suizidgefährdeten Person sagen sollte. Ich frage mich wirklich, was die Serienmacher damit bezwecken, außer Tyrone ziemlich scheiße darzustellen. Es passt überhaupt nicht zu seinem sonst eher ruhigen und empathischen Charakter, dass er etwas so Ignorantes von sich gibt. Wenn solche sensiblen Themen eingebunden werden, sollten doch alle Seiten beleuchtet werden. Stattdessen entsteht der Eindruck, als wäre es vollkommen okay, was Tyrone sagt, weil er in bestimmten Aspekten weniger privilegiert ist als sie und es ihn deshalb "schlechter" getroffen hat.
Tandy und Ty tauschen sich über ihre Fähigkeiten aus
Foto: Screenshot
Noch problematischer ist dann die darauffolgende Szene, in der Tandy tatsächlich versucht, sich das Leben zu nehmen: Mit schweren Eisenketten an ihren Füßen, gefesselten Händen und einem leeren Blick springt sie ins Wasser. Da das komplett kommentarlos gezeigt wird, ist dieser Moment nicht nur wirklich bedrückend. Sie könnte auf Zuschauer, die selbst damit zu kämpfen haben, negative Auswirkungen haben (Was auch bei der "Netflix"-Serie "Tote Mädchen lügen nicht" von Zuschauern heftig kritisiert wurde). Ihre Kraft in Form des leuchtenden Dolchs, der sich in ihrer Handfläche materialisiert, rettet sie letztendlich (Was niemanden überrascht, weil sie als Hauptfigur natürlich nicht sterben wird...) und nach diesem Vorfall kann sie ihn auf Befehl erscheinen lassen. Was genau sendet das für eine verdrehte Botschaft? Die Verbindung zwischen ihrem Suizidversuch und der Kontrolle ihrer Fähigkeiten ist viel zu extrem. Selbstmord sollte nie die Lösung sein, aber hier wird es so dargestellt, als wäre dieser Weg nötig gewesen, um ihre Superheldengeschichte weiterzuentwickeln. Dass so ein ernstes Thema lediglich für fünf Minuten Dramatik benutzt wird, ist wirklich fragwürdig. Ich hoffe, dass es in der nächsten Folge zu einer weiteren Aussprache zwischen den Protagonisten kommt und diese Themen dabei besser angegangen und wirklich besprochen werden. Sollten sie tatsächlich nur für ein paar dramatische Szenen eingesetzt worden sein und dann fallen gelassen werden, wäre das sehr schade. 

Fazit

Die vierte Folge ist die bisher schwächste. Anders als in der vorherigen Episode tut das ruhigere Tempo der Handlung nicht gut, da sie sich merkbar in die Länge zieht. Der Zuschauer lernt die Charaktere dabei nicht wirklich weiter kennen, weil die meisten Aspekte schon bekannt sind. Positiv hervorzuheben ist allerdings, dass die Screen Time der beiden Protagonisten sehr gerecht aufgeteilt und keiner in den Vordergrund gerückt wird. Enttäuschend ist hingegen, dass ernstere Themen ungeschickt und achtlos in den Raum geworfen werden. Grundlegend ist es zwar toll, dass die Serie so etwas einbindet, doch die Umsetzung ist fragwürdig.


Alle bisherigen Rezensionen zu "Cloak and Dagger" findet ihr hier.

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Freitag, 22. Juni 2018

Lifelines - Rezension

Seit Beginn des Jahres zeigt RTL dienstags neue, eigenproduzierte Serien. Im Januar liefen "Sankt Maik" und "Beck is back!" an. Im April folgte dann die Anwaltsserie "Jenny - echt gerecht!". Mit "Lifelines" ist vorige Woche die vierte und letzte neue Sendung zu Ende gegangen. Ihr könnt sie aber in der Mediathek momentan noch kostenlos von Anfang an gucken. Bislang steht noch nicht fest, ob "Lifelines" verlängert wird, da die Quoten noch deutlich niedriger waren, als bei den drei anderen Serien. In unseren Augen nachvollziehbar, warum, das erfahrt ihr in dieser Rezension.

Dr. Alex Rode (Jan Hartmann) ist Arzt bei der Bundeswehr und gerade auf Heimaturlaub, als ihm ein schwer verletzter Mann buchstäblich vor die Füße fällt. Mit einem Militärhubschrauber fliegt Alex den Patienten ins Kölner Hubertus Krankenhaus. Dort erwartet den Mediziner eine unerwartete Überraschung in Form von Oberärztin Dr. Laura Seifert (Susan Hoecke). 15 Jahren zuvor hatten sich die beiden gegenseitig vor dem Altar stehen lassen. Alex freut sich riesig, seine einstige Liebe wiederzusehen, auch wenn die mittlerweile glücklich mit dem Restaurantbesitzer Richard Kirchhoff (Marc Oliver Schulze) liiert ist. Nachdem Alex auch die quirlige Assistenzärztin Dr. Carolin Diehl (Jytte-Merle Böhrnsen), den großherzigen Pfleger Elias Wadowski (Oliver Bröcker) und die schlagfertige Krankenschwester Annika Baumgartner (Tina Amon Amonsen) kennengelernt hat, entschließt er sich, eine Stelle als Chirurg im Hubertus Krankenhaus anzunehmen. Mit seinen unkonventionellen Methoden eckt Alex jedoch nicht nur bei seiner Ex-Flamme und neuen Chefin Laura, sondern auch bei Klinikleiterin Sofia Reuter (Idil Üner) an.

Unkonventionell? Eher unverantwortlich!

Alex und Laura sind nicht wirklich sympathisch
Foto: RTL
...so hat es ein Kollege von einer großen, deutschen Fernsehzeitschrift zusammengefasst, als wir uns über "Lifelines" unterhalten haben. Damit hat er absolut Recht! Prinzipiell unterscheidet sich die RTL-Serie kaum von all den anderen Medical Dramas, die es zu Dutzenden im Fernsehen gibt: Ein Team aus Ärzten und Schwestern muss sich im stressigen Klinikalltag und im noch viel stressigeren Privatleben behaupten. Dabei begegnen ihnen reihenweise Patienten mit ungewöhnlichen Krankheitsbildern und traurigen Geschichten. Dr. Rodes unkonventionelle Art soll das altbackene Genre wohl etwas auflockern. Das gelingt aber so gar nicht. Die Serie versucht dem Zuschauer weiszumachen, dass Alex ein charismatischer, lockerer Typ ist, der als einziger weit genug über den Tellerrand blickt, um wirklich etwas zu bewegen. Tatsächlich sind seine Aktionen in den meisten Fällen aber schlicht und ergreifend gefährlich, unnötig und dumm. So lässt er die junge Assistenzärztin im OP stehen, um sich stattdessen einem anderen Fall außerhalb des Klinikgeländes zu widmen. Als Dr. Diehl ihm sichtlich verängstigt sagt, dass sie diese Operation noch nie alleine durchgeführt habe, erwidert er lapidar, sie würde das schon hinkriegen. Da Rode der Serienheld ist, behält er natürlich Recht. Ein anderes Mal schickt er zwei minderjährige Risikopatienten zu seinem Bruder Tobias (Ben Blaskovic), um dort Videospiele zu spielen. Ein Faustschlag ins Gesicht als Narkoseersatz und mit offener Bisswunde selbst operieren, geht für Rode auch in Ordnung. Mal abgesehen davon, dass das natürlich völlig unrealistisch ist, wirken diese Versuche, den Mediziner als "unkonventionell" darzustellen, einfach nur verkrampft.
Sehr subtile Szene - was Alex wohl gerade denkt?
Foto: MG RTL D/Frank Dicks
Das liegt vor allem daran, dass er über alles erhaben ist und keine der anderen Figuren auch nur die leiseste Chance hat, ihm das Wasser zu reichen. Rodes Methoden funktionieren immer und lassen die anderen fähigen Ärzte stets langweilig und überkorrekt wirken. Dabei sind sie ebenfalls erfolgreich, nur auf weniger spektakuläre Art und Weise. Egal, was Alex tut, es muss stets extrem dramatisch sein. Das wohl deutlichste Beispiel: In der letzten Folge versucht er, rechtzeitig zum Standesamt zu kommen, um Lauras Hochzeit mit Richard zu verhindern. Auf dem Weg dorthin kommt er an einem brennenden Haus vorbei, vor dem eine weinende Frau steht, deren kleiner Sohn noch im Gebäude ist. Sofort sprintet der Mediziner ins Haus, rettet das Kind, lehnt keuchend die Hilfe der Notärztin ab und schwingt sich rußverschmiert aufs Fahrrad, um zum Standesamt zu fahren. Die ganze Sequenz ist einfach furchtbar melodramatisch und übertrieben. Außerdem ist Alex nicht einmal ein sympathischer Held. Seine Vorgänger Maik, Beck und Jenny hatten alle eins gemeinsam: Sie sind mit einer großen Portion Herz, Charme und Bauernschläue ans Ziel gekommen. Rode hat nichts von alledem. Er ist einfach von Natur aus geil und ein Gewinner. Dadurch ist er sehr eindimensional und langweilig. Sein weibliches Pendant Laura ist auch nur unwesentlich besser. Sie ist nett, intelligent und erfolgreich, aber nicht ganz so perfekt wie Alex. Mehr kann nicht wirklich über sie gesagt werden. Damit passt sie jedoch super zu ihrem Freund Richard. Der hat auch nicht wirklich Persönlichkeit. Seine einzige Lebensaufgabe scheint zu sein, für die Belegschaft der Klinik zu kochen. Das Essen bringt er dann auch gleich noch selbst vorbei und stört sich nicht daran, dass er stets sofort wieder weggeschickt wird.

Es geht auch ohne Drama und Tamtam!

Team Rot ist klasse, bitte ein Spin-Off
Foto: MG RTL D/Frank Dicks 
Leider dreht sich die Handlung von "Lifelines" größtenteils um Alex' Heldentum und das Liebesdreieck zwischen ihm, Laura und Richard. Die anderen Charaktere bekommen zwar deutlich weniger Screen Time, dafür aber auch deutlich mehr Persönlichkeit. Pfleger Elias, Schwester Annika und Assistenzärztin Carolin haben einen Charme, der den Protagonisten komplett fehlt. Da die Figuren weder dramatische Hintergrundgeschichten mit sich herumschleppen, noch zwanghaft in eine bestimmte Rolle gedrängt werden, fühlen sie sich deutlich natürlicher und lockerer an. Im Gegensatz zu den Hauptcharakteren haben sie auch mal einen witzigen Spruch auf den Lippen. Die drei sind ein bisschen verschroben und eigenwillig, das macht sie so sympathisch - vor allem im Vergleich zu den drei "perfekten" Protagonisten ohne Ecken und Kanten. Im Zusammenspiel mit ihren Kollegen wirken die sogar ein bisschen menschlicher. Annika bringt mit ihrer freundlich-ruppigen Art ein bisschen Persönlichkeit in Laura zum Vorschein und während deren Beziehung zu Alex sehr holprig wirkt, stimmt zwischen ihm und Dr. Diehl die Chemie. Sollte "Lifelines" um eine weitere Staffel verlängert werden, was angesichts der schlechten Einschaltquoten zu bezweifeln ist, wäre es ratsam, den Fokus auf die derzeitigen Nebencharaktere zu legen. Denn "Halbgötter in Weiß" sind deutlich weniger interessant als witzige, leicht verschrobene Sympathieträger.

Fazit

"Lifelines" ist eine enttäuschende Serie, was vor allem an dem unfehlbaren, allwissenden Protagonisten liegt. Ein Großteil der Sendezeit wird darauf verwendet, dem Zuschauer zu beweisen, wie grandios und einfallsreich der Mediziner ist. Tatsächlich ist er aber unglaubwürdig, verantwortungslos und langweilig. Auch die anderen beiden zentralen Figuren können aufgrund fehlenden Charmes und kaum vorhandener Persönlichkeit nicht wirklich überzeugen. Dasselbe gilt für die Handlung, die unnötig dramatisiert und ausgeschmückt wird, anstelle glaubwürdig zu erzählen. Der einzige Lichtblick sind die amüsanten und liebenswerten Nebencharaktere, die die Serie jedoch auch nicht mehr retten können.


Habt ihr "Lifelines" schon gesehen? Wenn ja: Was haltet ihr von dem unfehlbaren Arzt und seinen Kollegen? Teilt eure Meinung gerne mit uns in den Kommentaren!

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Dienstag, 19. Juni 2018

Falk - Rezension

In TV-Formaten gibt es einige Berufsgruppen, die überproportional häufig vertreten sind. Darunter fallen vor allem Polizisten und Ärzte, aber auch Juristen. RTL brachte mit "Beck is back!" und "Jenny - echt gerecht!" innerhalb weniger Monate gleich zwei neue Anwaltsserien auf den Markt. Auch bei der ARD gab es jetzt Nachschub in diesem Genre: Seit Mai zeigt der Sender "Falk", eine eigenproduzierte Sendung über einen schrägen Juristen. Heute läuft das Staffelfinale, also höchste Zeit für eine Rezension. Falls ihr die Serie übrigens noch nicht kennt, könnt ihr sie in der ARD-Mediathek kostenlos von Anfang an gucken.

Der exzentrische Falk (Fritz Karl) ist gelernter Anwalt, konnte aber seinen Beruf und vor allem die Mandanten nie leiden. Eines Tages stand er während einer Gerichtsverhandlung einfach auf, verließ den Saal und kündigte seinen Job bei der renommierten Kanzlei "Offergeld & Partner". Stattdessen folgte er seinem eigentlichen Lebenstraum: ein eigenes Restaurant. Da Falk zwar einen ausgezeichneten Geschmack, aber keinerlei Ahnung von Geld hat, geht das Lokal zu Beginn der Serie bankrott und wird von seinem ehemaligen Chef Richard Offergeld (Peter Prager) übernommen. Der bietet ihm einen Deal an: Wenn Falk für eine Weile die ungewöhnlichen Fälle der Kanzlei übernimmt, gibt ihm Offergeld das Restaurant zurück. Widerwillig kehrt der erfolglose Gastronom mit seiner Assistentin Trulla (Alessija Lause, Jenny - echt gerecht!) an seinen alten Arbeitsplatz zurück. Noch weniger begeistert von der Situation ist Offergelds Tochter Sophie (Mira Bartuschek), die mittlerweile die Leitung der Kanzlei übernommen hat. Falks direktes Auftreten, seine emotionalen Ausbrüche und seine unorthodoxen Methoden stellen in Sophies Augen eine Gefahr für den guten Ruf des Familienunternehmens dar. Die ungleichen Anwälte können es kaum erwarten, bis sich ihre Wege wieder trennen.

Was genau bedeutet eigentlich "exzentrisch"?

Lieber Restaurant als Kanzlei?
Foto: ARD
Diese Frage habe ich mir bei jeder der sechs "Falk"-Folgen gestellt. Denn so ungewöhnlich, verrückt und genial, wie der Hauptcharakter von seinem Umfeld dargestellt wird, ist er eigentlich gar nicht. Er trägt knallbunt gemusterte Socken zum Dandy-Style, lässt seine Schildkröte im Kühlschrank der Kanzlei überwintern und prügelt sich mit einer Mandantin, um ihre Schuld zu beweisen. In den Augen der älteren Zuschauer mag das vielleicht ein schockierendes Verhalten für einen Anwalt sein. Im Vergleich zu den meisten anderen aktuellen Serienhelden erreicht Falk aber nur das Mittelfeld der "Verrücktheits-Skala". Simple Hauptfiguren ohne Macken, seltsame Angewohnheiten, private Dramen oder (vermeintlich) übermenschliche Fähigkeiten findet man im Fernsehen nämlich kaum noch. Irgendeine Art von Tick oder schräger Individualität muss ein Hauptcharakter haben, damit die Serie in dem Meer von Programmen auffällt. Bei Falk geht dieser Plan nicht wirklich auf, da er die meiste Zeit über relativ normal, sogar ein bisschen langweilig, wirkt. Einen neuen "Sherlock" hat die ARD jedenfalls nicht ins Leben gerufen, obwohl die beiden eins gemeinsam haben: einen lädierten Körper. Während sich der britische Serienheld mit Drogen kaputt macht, ist Falk passionierter Hypochonder. Sein Vater starb qualvoll an einer nicht genannten Krankheit, vermutlich Alzheimer. Der Anwalt hat daher ständig Angst, dasselbe Schicksal vor sich zu haben. Fast täglich steht er vor der Tür seiner genervten Ärztin Dr. Kranzow (Sonja Baum) und glaubt, Symptome zu zeigen (Kranzow: "Alles bestens - so wie sonst auch." (...) Sprechstundenhilfe: "Neuer Termin?" Falk: "Alles gut! Brauche ich nicht." Sprechstundenhilfe: "Kein neuer Termin?" Kranzow: "Doch, doch, der ist morgen wieder da."). Obwohl mir Falk generell ziemlich unsympathisch ist, hat mich diese Nebenhandlung am meisten gestört, da sie die komplette Staffel über auf der Stelle tritt. Dem Zuschauer ist klar, dass der Anwalt nicht erkranken wird, weil die Serie sonst nicht mehr funktionierten würde. Die ganze Geschichte wirkt wie pure Zeitverschwendung, da sich die Situation nie verändert. Trullas ständige Vorträge, dass Falk sich nicht einreden solle, er würde demnächst sterben, steuern nur unnötige Melodramatik bei.
Falk hat regelmäßig seltsame Visionen von sich selbst
Foto: ARD/Kai Schulz
Genauso wechselhaft wie der Hauptcharakter ist auch die restliche Serie, die ihre Linie noch nicht ganz gefunden zu haben scheint. Das zeigt beispielsweise die ungewöhnliche Wahl der Episodendarsteller: auf der einen Seite ein bei Teenies beliebter YouTube-Star wie Joyce Ilg, auf der anderen Seite ein eher beim älteren Publikum bekannter Schlagersänger wie Roberto Blanco - beide spielen sich selbst. Weiterhin scheinen sich die Verantwortlichen der Sendung noch nicht entschieden zu haben, ob Falk nun eher ein infantiler Spinner oder ein eloquenter, hochnäsiger Anzugträger ist und wie wichtig die anderen Charaktere sein sollen. Wie viele andere Serien, darunter die bereits erwähnte BBC-Produktion "Sherlock", aber auch "Sankt Maik" oder "Pastewka", konzentriert sich "Falk" fast ausschließlich auf die männliche Hauptfigur. Neben ihr sehen alle anderen Charaktere unscheinbar und etwas einfältig aus. Falks Assistentin Trulla ist das wandelnde Klischee einer bauernschlauen, frivolen Lebenskünstlerin. Sophies Tochter Marie (Sinje Irslinger) hat ausschließlich zwei Gemütszustände: genervter Teenager, der glaubt, alles besser zu wissen und einfühlsamer Teenager, der tatsächlich alles besser weiß. Kanzleikollege Bitz (Moritz Führmann) scheint währenddessen nur zu existieren, damit Falk und Sophie ihn konsequent ignorieren können. Die Rolle von Letzterer bleibt derweil völlig im Dunklen. Schon nach zwei Folgen scheint sie sich in Falk verliebt zu haben, was aber nie angesprochen wird. Stattdessen darf Sophie nur eingeschnappt auf alles reagieren, was ihr unfreiwilliger Kollege tut und eifersüchtig sein, wenn er sich mit der verheirateten Sabine Schmidt (Marie-Lou Sellem) trifft. Im Staffelfinale hat Falk dann die Chance, sein Restaurant sofort zurückzubekommen, zögert aber - ob wegen Sophie oder aus einem anderen Grund, kann nur gemutmaßt werden.

Etwas weniger Klischees und mehr 2018, bitte!

Sophie und Falk funktionieren gut ohne den anderen
Foto: ARD/Kai Schulz
Die Charaktere sind unterhaltsam, da sie konsequent übertrieben agieren und die Schauspieler dabei sichtlich Spaß haben. Es ist jedoch schade, dass der Zuschauer rein gar nichts über das Seelenleben der Figuren erfährt. Mit Ausnahme von Falks Angst vor einer möglichen Erkrankung, wird überhaupt nicht über Gedanken, Gefühle oder Vergangenes gesprochen. Es wird beispielsweise nie abschließend erklärt, weshalb Falk seinen Job so abrupt gekündigt hat. In Bezug auf Sophie kommt noch dazu, dass die Serie ständig so tut, als würde sie ohne ihren exzentrischen Kollegen nichts zustande bekommen. Tatsächlich arbeiten die beiden aber praktisch nie zusammen und helfen einander auch nur selten. Es passt aber ins generell nicht sehr moderne Frauenbild der Serie. Sophie erzählt, dass sie nur wegen ihres Vaters Anwältin geworden sei und muss sich ständig gegen seine ungefragte Einmischung in die Kanzlei und die Erziehung ihrer Tochter zur Wehr setzen. Das gegensätzliche Beispiel ist Falks Affäre Sabine, die ihm erst ihren Ehemann und die Kinder verschweigt und ihn dann abserviert, als sie merkt, dass sie lieber unabhängig von allen sein will ("Ich wollte dir danken - für die gemeinsame Zeit. Es war schön. Ich habe mich lebendig gefühlt. Ich hätte ohne dich nie den Mut gehabt, überhaupt über eine Trennung von Thomas [ihr Ehemann, Anm. d. Red.] nachzudenken."). Ein noch eindeutigeres Beispiel ist einer der Fälle, die Falk behandelt: Tina (Caroline Maria Frier) und Hanno (Dirk Borchardt) wollen sich scheiden lassen, doch der Anwalt denkt, es gebe eine andere Lösung. Schließlich diagnostiziert er, dass sich Hanno seiner Männlichkeit beraubt fühle, weil Tina vermögend und somit finanziell unabhängig ist. Sie finde ihn wegen seines Komplexes weniger attraktiv. Also lässt Falk den Ehemann mit einem Hammer eine Mauer einschlagen, damit ist seine Männlichkeit wiederhergestellt und seine Frau fällt über ihn her. Das ist definitiv ein sehr antiquiertes Bild beider Geschlechter und eine ziemlich dämliche "Lösung" des Problems. Falks und Sophies andere Fälle sind glücklicherweise weniger klischeehaft und deutlich amüsanter - sei es ein Rechtsstreit wegen eines anzüglich gecoverten Songs, das Schlichten eines Rechtsstreits in der Sauna oder eine Erwachsenenadoption wegen eines Adelstitels.

Fazit

"Falk" ist eine witzige, kurzweilige Serie, die aber noch hinter ihrem Potenzial zurückbleibt. Das liegt vor allem am unstetigen Konzept, den altbackenen Klischees und den unnötigen Nebenhandlungen. Auch der Hauptcharakter ist noch nicht richtig ausgereift, da er extrem wechselhaft und kein wirklicher Sympathieträger ist. Die anderen Figuren sind deutlich charmanter, bleiben aber stets in seinem Schatten. Außerdem erfährt der Zuschauer so gut wie nichts über das Seelenleben der Beteiligten, was die Geschichte platt wirken lässt. Durch die Spielfreude der Darsteller und die amüsanten Fälle ist "Falk" jedoch durchaus sehenswert. Ich hoffe jedenfalls, dass die ARD eine weitere Staffel bestellen wird.


Habt ihr "Falk" schon gesehen? Wenn ja: Wie findet ihr den exzentrischen Anwalt? Teilt eure Meinung gerne mit uns in den Kommentaren!

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Samstag, 16. Juni 2018

Marvel's Cloak & Dagger: Staffel 1, Folge 3 - Rezension

- Der folgende Text enthält Spoiler -


Die letzte Folge "Suicide Sprints" (dt.:"Tandys Flucht") endete damit, dass Tyrone (Aubrey Joseph) kurz davor war, Connors (J. D. Evermore) zu erschießen. Doch während er den Abzug gedrückt hatte, wurde er vor Tandy (Olivia Holt) teleportiert. Die wollte gerade mit einem gestohlenen Wagen die Stadt verlassen, da sie befürchtete, von der Polizei gesucht zu werden, nachdem sie ihren Fast-Vergewaltiger lebensgefährlich verletzt hatte. Die Situation endete in einem Unfall, als die Jugendliche das Steuer herumriss und beim Aufprall aus dem Wagen geschleudert wurde. An dieser Stelle setzt die dritte Episode "Stained Glass" (dt.: "Voodoo-Zauber") an. Ihr Zusammentreffen an der Unfallstelle dauert nicht lange, denn Tandy verschwindet trotz möglicher Gehirnerschütterung sofort wieder. Während sie einen Bus stadtauswärts nimmt, versucht Tyrone seine Fähigkeiten, die er als Fluch sieht, mit Hilfe seiner Mitschülerin Evita (Noëlle Renée Bercy) und der Voodoo-Priesterin Aunte Chantelle (Angela M. Davis) unter Kontrolle zu bringen. Es dauert nicht lange, bis sie sich wieder begegnen, allerdings auf eine indirekte Art: in ihren Gedanken. Dabei lernen sie einiges übereinander. 


Ruhiges Tempo, aber keine Langeweile

Tyrone sieht Tandy in seiner düsteren Vision
Foto: Freeform/Marvel
Die Serie erzählt Tandys und Tyrones Geschichte unerwartet langsam weiter. Ich hatte damit gerechnet, dass die Handlung nach dem Autounfall immer mehr an Fahrt aufnimmt, weil die beiden Hauptfiguren auf sehr extreme Art aufeinandertreffen. Doch das Gegenteil ist der Fall und diese Vorgehensweise gefällt mir wirklich gut. Der Fokus in dieser Episode liegt nicht auf Ereignissen in der echten Welt. Stattdessen bekommt der Zuschauer interessante Einblicke in die Gedanken der Charaktere und lernt sie dadurch noch besser kennen. Es ist wirklich erfrischend, eine Superheldenserie zu sehen, in der nicht von Anfang an heftige Konfrontationen und Kämpfe die Handlung bestimmen. Diese "ruhigere" Art ist eine tolle Abwechslung. Am Anfang der Folge habe ich noch gehofft, dass man beide sofort zusammen sieht, doch jetzt bin ich froh, dass dieses Treffen erst noch kommt. Denn während der Episode erfährt nicht nur der Zuschauer mer über die Charaktere, sie lernen sich auch selbst gegenseitig besser kennen und das ohne sich zu begegnen. Nur in ihrer Gedankenwelt erhalten sie einen tiefen Einblick in das, was den jeweils anderen bewegt. Ihre Verbindung durch den Unfall in ihrer Kindheit ist also noch stärker als vorher angenommen. Das macht ihre Beziehung deutlich spannender und es ist toll, dass so viel Zeit genutzt wird, um sie ordentlich aufzubauen. Hier wieder ein großes Lob für die Erzählweise. Wie schon in den ersten Folgen wird nichts direkt durch Worte erklärt. Die Bilder sprechen für sich und lassen den Zuschauer die tiefe Verbindung der Charaktere auf diese Weise erkennen. Dem Zuschauer ist beispielsweise bereits bekannt, dass Tyrone plant, den Mörder seines Bruders umzubringen. Tandy allerdings nicht - sie weiß weder, dass er einen Bruder hatte noch wer für seinen Tod verantwortlich ist. Trotzdem beobachtet sie ihn in ihrer Vision dabei, wie er seine verschiedenen Rachepläne ausführt und hilft ihm, zu erkennen, dass sein Weg der falsche ist. Da wird schnell klar, dass die beiden irgendeine übernatürliche Bindung zueinander haben. 
Tandy ist in ihren Gedanken gelandet und verwirrt
Foto: Screenshot
Außerdem lässt dieses Szenario des "gedanklichen Treffens" viele Interpretationen offen. Ich vermute, dass sie sich nicht tatsächlich gegenseitig in ihrem Kopf geholfen haben, sondern nur einer "Vision", die aber die Gedanken und Emotionen der anderen Person widerspiegelt. Sie könnten also Zugriff auf die Gefühlswelt haben, ohne dass es die andere Person beeinflusst oder sie davon weiß. Doch es zeigt dem Zuschauer schon, wie viel sie sich gegenseitig geben können und dass sie sich auch im echten Leben helfen können. Was ich allerdings etwas unnötig fand, war die Dopplung der Szene kurz nach dem Unfall: Erst sieht der Zuschauer sie aus Tandys Sicht und etwas später aus Tyrones. Im ersten Moment dachte ich, es würde mehr Einblicke geben, doch letztendlich ist es fast exakt derselbe Aufbau und Ablauf mit sehr unbedeutenden Änderungen. So wird beispielsweise eine etwas andere Kameraperspekive benutzt, die aber nicht wirklich mehr zeigt als die vorherige. Dass sich Tyrone nach dem Ertönen der Polizeisirenen panisch im Wald versteckt, habe ich mir schon vorher gedacht. Dafür hätte nicht noch einmal die komplette Szene gezeigt werden müssen. Das hätte auch in eine gepackt werden können. 

Die Protagonisten machen die Folge sehenswert

Tandy haut wieder ab und lässt Tyrone stehen
Foto: Screenshot
Es passiert nicht oft, dass mir Charaktere so schnell ans Herz wachsen. Aber Tandy und Tyrone können wirklich schon früh mit ihren Persönlichkeiten überzeugen und das ist auch gut so. Denn ohne spannende Figuren, wie sie es sind, wäre die Handlung mit Sicherheit deutlich schleppender verlaufen. Diese Folge lebt von Olivia Holts und Aubrey Josephs Schauspiel. Sie können den Zuschauer richtig fesseln. Die wenigen "echten" Interaktionen wecken die Vorfreude auf weitere. Sie begegnen einerseits mit einer gewissen Distanz - immerhin kennen sie sich überhaupt nicht. Andererseits lassen sie darunter hindurchblitzen, dass zwischen ihnen schon etwas vorhanden ist, das sie selbst noch nicht greifen und verstehen können. Das passiert weniger mit Worten als mit Blicken und Emotionen in ihren Augen. Als Tandy Tyrone wiedererkennt, ist unter der Verwirrung und der Angst auch so etwas wie Neugierde bemerkbar. Besonders bei ihrem Charakter ist die Vielschichtigkeit deutlich vorhanden. Sie kann einerseits sehr zynisch und hart sein (an Tyrone gerichtet: "Don't take this the wrong way. But I hope I never see you again."), dann sieht man aber, wie fürsorglich sie in ihrer "Gedankenwelt" mit dem jungen Tyrone umgeht, der weinend vor ihr sitzt. Doch auch Tyrone hat eindrückliche Szenen. Die emotionalste ist wohl die Kirchenszene. Im ersten Moment habe ich geglaubt, er spricht zu Gott ("Are you doing this? 'Cause I don't understand and I can't control it. And I can't control myself"). In seiner Stimme ist die Verzweiflung deutlich erkennbar. Doch dann sagt er plötzlich "I miss you so much, Billy". Erst in diesem Augenblick wird klar, dass er zu seinem verstorbenen Bruder spricht. Dadurch wird die Szene deutlich ergreifender. Mit Momenten wie diesem beweist die Serie, wie gut sie den Zuschauer auf emotionaler Ebene erreichen kann.
Es ist ziemlich offensichtlich, dass Evita auf Tyrone steht
Foto: Screenshot
Es gibt allerdings noch etwas, das mich gestört hat: die ganze Voodoo-Handlung. Ich kann mir vorstellen, dass diese Thematik noch eine Rolle spielen könnte, weil ihr sonst nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt worden wäre. Besonders als am Ende zu erkennen ist, dass Aunte Chantelle eine kleine Figur von Tyrone mit einem 3D-Drucker angefertigt hat und auf ihr Regel neben andere Puppen und Figuren setzt. Allerdings ist die Handlung selbst die langweiligste in dieser Folge. Die Szenen haben sich sehr gezogen. Das Interessanteste daran ist, zu sehen, wie Tyrone seine Fähigkeiten einordnet. Er zieht wirklich in Betracht, ein Fluch könnte Schuld daran sein. Das ist der erste Moment, der veranschaulicht, was die Protagonisten über ihre plötzlichen Kräfte denken und was es ihrer Meinung nach sein könnte. Deshalb ist die Nebenhandlung hinsichtlich seines Charakters aufschlussreich, aber ansonsten langweilig. Auf der anderen Seite hoffe ich, dass Evita nicht bloß als Figur für ein zukünftiges Teenager-Drama eingesetzt wird. Ich bin noch etwas skeptisch, was sie betrifft. Sie ist in Tyrone verliebt und das scheint im Moment auch ihr einziger prägnanter Charakterzug zu sein. Die beiden haben sich außerdem bereits geküsst. Da das so früh passiert und außerdem nicht besonders emotional aufgebaut wird, könnte es bedeuten, dass die Beziehung vor allem dazu genutzt wird, um Probleme zu produzieren. Dass es wirklich dazu kommt, ist eine meiner größten Sorgen, die ich vor Beginn der Serie hatte. Bis jetzt macht die Sendung einen erwachsenen Eindruck, daher fände ich es schade, wenn sie plötzlich in die "Teen Drama"-Schiene abrutschen würde. 

Fazit

Die dritte Folge lässt es etwas ruhiger angehen, kann aber trotzdem fesseln. Damit geht die Serie einen ausgefallenen Weg für eine Superheldensendung: Statt sich auf Action und Kämpfe zu konzentrieren, liegt der Fokus erst einmal auf den Hauptcharakteren und dem Aufbau ihrer Beziehung. Das ist spannend, was vor allem daran liegt, dass die Figuren so komplex und interessant sind. Zwar gibt es ein paar Stellen, die sich zu sehr ziehen und Nebenfiguren, die weitaus weniger vielschichtig sind. Doch insgesamt kann die Episode überzeugen und weckt die Neugier auf die kommende Folge. 


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Donnerstag, 14. Juni 2018

Rückblick: Die Sonntagskrimi-Saison 2017/2018

In der 2017/2018-Saison liefen insgesamt 40 neue Sonntagskrimis, davon 36 "Tatorte" und vier Mal "Polizeiruf 110". Wir haben alle rezensiert (hier gelangt ihr zu den Posts) und waren wieder begeistert, wie vielfältig die Krimis sind - trotz einiger Themendopplungen. Dementsprechend werfen wir auch in diesem Jahr wieder einen Blick auf die komplette Saison und sprechen über die Folgen, die uns besonders gut oder überhaupt nicht gefallen haben. Leider muss gesagt werden, dass bei unserer Vorauswahl, aus der wir dann die Top 6 und Flop 6 ausgesucht haben, die Liste der schlechten deutlich länger war, als die der guten Folgen. Wenn ihr auf den Titel der jeweiligen Episode klickt, gelangt ihr zu unserer ausführlichen Rezension und Inhaltsangabe.
Den Rückblick zur 2016/2017-Staffel findet ihr hier.


Wieder eine spannende Krimi-Saison vorbei
Foto: ARD/bearbeitet


Meine Top-Krimis

Tatort: Stau (Stuttgart - Lannert, Bootz; September 2017)

Ein Großteil wurde vor einem Bluescreen gedreht
Foto: SWR/Andreas Schäfauer
Ein 14-jähriges Mädchen wurde in einer Wohnsiedlung totgefahren. Für den Täter gab es nur einen möglichen Fluchtweg: über die Stuttgarter Weinsteige. Dort ist wegen eines Wasserrohrbruchs ein langer Stau. Den Kommissaren Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) bleibt nicht viel Zeit, um herauszufinden, welcher der Autofahrer für den tödlichen Unfall verantwortlich ist. Denn sobald die Straße wieder frei ist, sind hunderte Verdächtige über alle Berge. 

Produktionstechnisch gesehen ist "Stau" die faszinierendste Folge der Saison. In einer Freiburger Lagerhalle wurde ein 80 Meter langes Stück Straße nachgebaut, auf dem ein Großteil der Handlung gedreht wurde. Szenerie und Wetterbedingungen wirken so realistisch, es ist kaum zu glauben, dass sie am Computer oder durch Kameratricks entstanden sind. Außerdem ist die Handlung wirklich clever. Sie findet genau den richtigen Mittelweg zwischen innovativem Experiment und klassischen Krimi: Während Lannert im Stau ermittelt und die wachsende Revolte beobachtet, bleibt Bootz am Tatort und versucht dem dreijährigen Zeugen eine Aussage zu entlocken. Der Krimi ist atmosphärisch dicht erzählt, spannend, ungewöhnlich und toll gespielt. Eines der ganz großen Highlights der Saison!


Tatort: Goldbach (Schwarzwald - Tobler, Berg; Oktober 2017)

Tobler (l.) und Berg (r.) mit ihrer Chefin am Tatort
Foto: SWR/Johannes Krieg
Die elfjährige Frieda liegt erschossen im Wald. Einer ihrer gleichaltrigen Begleiter ist verschwunden. In ihrem ersten gemeinsamen Fall müssen Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) also nicht nur einen Mord, sondern auch das Verschwinden eines Kindes aufklären. Dabei stehen die Kommissare drei verzweifelten Elternpaaren gegenüber, die sich zunehmend untereinander beschuldigen und bekriegen. 

Es ist in den letzten Jahren schon fast zur Tradition geworden, dass der erste Fall eines neuen Teams eher mittelmäßig ausfällt. Tobler und Berg haben damit gebrochen. Anstelle die Kommissare und ihre persönlichen Probleme langatmig vorzustellen, liegt der Fokus stattdessen auf dem Fall. Der ist durch die karge, düstere Atmosphäre und das "Wettlauf gegen die Zeit"-Gefühl äußerst spannend. Trotz der ländlichen Umgebung und den Ü45-Ermittlern wirkt der Krimi modern, jung und authentisch. Letzteres auch durch das lebensnahe Verhalten der verzweifelten Eltern und die simpel gestrickten, aber dennoch sehr sympathischen Kommissare. 


Tatort: Déjà-vu (Dresden - Sieland, Gorniak; Januar 2018)

Der kleine Oscar (l., Finley Berger) schwebt in Gefahr
Foto: MDR
Für Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach, Das Leben danach) bricht eine Welt zusammen, als der neunjährige Rico tot in einer Sporttasche aufgefunden wird. Vor einigen Jahren hatte er einen ähnlichen Fall nicht aufklären können. Die Kommissarinnen Henni Sieland (Alwara Höfels, Allein gegen die Zeit) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) tappen lange im Dunklen. Sie ahnen noch nicht, dass der Mörder bereits ein neues Opfer im Visier hat.

Spätestens mit "Déjà-vu" hat sich der Dresdner "Tatort" endgültig in die Oberliga der Ermittlerteams katapultiert. Die Folge hat alles, was einen guten Krimi ausmacht: eine stringente Handlung, fokussierte Ermittler, gesellschaftliche Relevanz, Emotionen, Nervenkitzel und einen spannenden Showdown, bei dem man die Augen kaum vom Bildschirm nehmen kann. Dass der Zuschauer früh weiß, wer der Mörder ist, macht den Fall umso besser, da neben den Ermittlungen auch sein Leben gezeigt wird. Es geht an die Nieren, zu sehen, wie er sich auf spielerische Art und Weise an sein nächstes Opfer heranmacht. Trotz der bedrückenden Thematik rutscht der Krimi nie in Melodramatik, übertriebene Betroffenheit oder Effekthascherei ab. Stattdessen behalten die Kommissarinnen stets einen kühlen Kopf, ohne aber emotionslos zu wirken. In "Déjà-vu" stimmt einfach alles!


Tatort: Tollwut (Dortmund - Faber, Bönisch, Dalay; Februar 2018)

Zum ersten Mal ermitteln die Dortmunder nur zu dritt
Foto: WDR/Thomas Kost
Markus Graf (Florian Bartholomäi), der Mörder von Peter Fabers (Jörg Hartmann) Familie, hat dem Kommissar einen Brief geschrieben. Wenig später werden Faber und seine Kolleginnen Martina Bönisch (Anna Schudt) und Nora Dalay (Aylin Tezel) in die Dortmunder Justizvollzugsanstalt gerufen, in der Graf einsitzt. Einer der Häftlinge ist an Tollwut gestorben. Bei der Behandlung hat sich Gefängnisarzt Jonas Zander (Thomas Arnold, Tatort: Schlangengrube), ein alter Kollege der Ermittler, ebenfalls mit dem tödlichen Virus angesteckt.

Zugegeben, "Tollwut" gehört nicht zu den allerbesten Fällen des fantastischen Dortmunder Teams, dennoch ist auch diese Folge ein Highlight der 2017/2018-Saison. Das liegt wieder einmal vor allem an den Kommissaren, die nur so vor Zynismus und schwarzem Humor sprühen. Das kommt hier durch Zanders tödliche Infizierung umso besser zur Geltung. Ihre unterschiedlichen Reaktionen auf die schlimme Nachricht sorgen für spannendes Konfliktpotenzial und einige tragikomische Szenen. Durch die Enge im Gefängnis und die Angst vor der Ansteckung bekommt der Fall zudem eine fesselnde Eigendynamik, die sich im Verlauf des Krimis immer weiter zuspitzt. Faber und sein Team beweisen in "Tollwut" erneut, dass sie zu den besten Ermittlerteams im deutschen Fernsehen gehören.


Tatort: Meta (Berlin - Rubin, Karow; Februar 2018)

Ein Film im Film im Film - kompliziert, aber gut
Foto: rbb/Reiner Bajo
Kommissar Robert Karow (Mark Waschke, Dark) und seine Kollegin Nina Rubin (Meret Becker) finden in einem Lager die Leiche einer jungen Prostituierten. Der Raum wurde von einer Produktionsfirma angemietet, die erst einen Film herausgebracht hat. Als die Ermittler den Trailer ansehen, stellen sie geschockt fest, dass er ihren Fall bis ins kleinste Detail nacherzählt - die Leinwand-Kommissare sind unter den gleichen Umständen auf die Leiche einer jungen Prostituierten gestoßen und realisieren, dass es einen Film gibt, der ihre Geschichte erzählt.

Ich bin kein Fan des Berliner Teams, da mir die Charaktere zu affektiert und übertrieben sind. "Meta" ist allerdings ein so ausgesprochen interessanter und ungewöhnlicher Fall, dass das künstliche Verhalten der Kommissare kaum ins Gewicht fällt. Vor einigen Jahren gab es bereits einen Wiesbadener "Tatort" mit verschiedenen Metaebenen, der war jedoch ziemlich albern. Diesen Fehler begeht der Berliner Fall nicht. Trotz der komplexen, experimentellen Handlung behält er immer ein gewisses Maß an Bodenständigkeit und Stringenz. Durch clevere Bilder wird die Geschichte auch optisch lebendig und zeigt dem Zuschauer eindrücklich, in welcher Ebene sie sich gerade befinden. Obwohl dem Fall jeglicher Realismus fehlt, ist er wirklich unterhaltsam und unglaublich kreativ.


Tatort: Alles was Sie sagen (Bundespolizei - Falke, Grosz; April 2018)

Arbeiten Grosz (M.) und Falke (r.) gegeneinander?
Foto: NDR/Christine Schroeder
Eigentlich sollten die Bundespolizisten Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz) nur die Identität eines Flüchtlings überprüfen. Kurze Zeit später ist dessen Schwester tot und Falke steht mit gezückter Waffe über ihr. In getrennten Verhören versucht Kriminalrat Joachim Rehberg (Jörn Knebel) herauszufinden, was geschehen ist. Dabei gehen die Schilderungen der beiden Ermittler immer weiter auseinander und sie belasten sich gegenseitig.

Genau wie "Stau" und "Meta" beweist auch "Alles was Sie sagen", dass ein Krimi nicht überdreht oder vermeintlich künstlerisch wertvoll sein muss, nur weil er einen experimentellen Charakter hat. Es ist spannend zu sehen, wie unterschiedlich die beiden gegensätzlichen Bundespolizisten verschiedene Situationen wahrnehmen und wie sie mit ihren Erzählungen deutlich machen, was sie am anderen stört. Der Kriminalfall und die interne Ermittlung werden geschickt miteinander verwoben, sodass die Handlung durch wechselnde Perspektiven und Zeitsprünge nicht behindert, sondern belebt wird. Trotz der früh vorhersehbaren Auflösung, wird die Geschichte nicht langweilig und fesselt bis zur letzten Sekunde.



Meine Flop-Krimis

Tatort: Zurück ins Licht (Bremen - Lürsen, Stedefreund; Oktober 2017)

Lürsen, Selb und Stedefreund (vorne, v.l.) am Tatort
Foto: RB/Michael Ihle
In einem Auto finden die Bremer Kommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) mehrere Monate altes Blut und einen abgetrennten Finger. Der Wagen ist auf den Chef eines Pharmahandels zugelassen. Die Ermittlungen ergeben, dass er sich vor seinem Verschwinden mit Pharmareferentin Maria Voss (Nadeshda Brennicke) getroffen hat. Stedefreund verguckt sich sofort in die Verdächtige, dabei hat er gerade erst eine Affäre mit BKA-Kollegin Linda Selb (Luise Wolfram) begonnen.

In dieser Folge spielt die Krimihandlung nur eine untergeordnete Rolle. Der Fokus liegt auf der vermeintlich schillernden Femme fatale Maria Voss. Deren Charakter ist jedoch so verschroben, verklärt und künstlich angelegt, dass es für den Zuschauer nicht nachvollziehbar ist, was Stedefreund an ihr so fasziniert. Ihre verklärt-süßliche Stimme raubt ihr auch noch das letzte bisschen Ernsthaftigkeit und Sexappeal. Statt einen spannenden Fall zu präsentieren, folgt die Handlung größtenteils Voss bei ihren seltsamen Freizeitbeschäftigungen, für die es genauso wenig Erklärungen gibt, wie für Stedefreunds Begeisterung. Seine Kollegin Lürsen scheint sich hingegen bereits mit ihrer Krimi-Rente im Jahr 2019 abgefunden zu haben, so lustlos schleppt sie sich durch den langatmigen Fall mit seinen melodramatischen Dialogen. Wer kann es ihr verübeln?


Tatort: Böser Boden (Bundespolizei - Falke, Grosz; November 2017)

Grosz steht einer Horde Zomb... äh, Bauern gegenüber
Foto: NDR/Christine Schroeder
Die Bundespolizisten Julia Grosz (Franziska Weisz) und Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) sollen den Mord an einem Mitarbeiter des Gasförderunternehmens Norfrac aufklären. In dem angrenzenden Dorf registriert Grosz bei vielen Bewohnern Hautausschläge und Wesensveränderungen. Die Betroffenen glauben, dass ihre Erkrankungen mit dem Fracking zu tun haben. Auf einer Versammlung muss sich Grosz alleine gegen mehrere Dutzend aufgebrachte "Öko-Nazis" zur Wehr setzen.

Ein halbes Jahr bevor plötzlich jeder zweite Sonntagskrimi die militante, konservative Landbevölkerung thematisierte, musste sich das Team der Bundespolizei bereits mit aufgebrachten, radikalen Bauern auseinandersetzen. Allerdings werden die nicht wie Menschen dargestellt, sondern eher wie Zombies. Mit von Ausschlag verzerrten Gesichtern und schleppendem Schritt wanken sie stumm ihren "Opfern" hinterher und wirken dabei eher wie Statisten in einem Low-Budget-Horrorfilm. Wie es der kindlich klingende Titel "Böser Boden" bereits vermuten lässt, scheint die Folge das Thema Fracking und giftige Substanzen in der Natur nicht ernst zu nehmen. Der ganze Krimi erinnert mehr an eine Parodie als an ein aufrüttelndes Ökö-Drama oder zumindest einen normalen "Tatort". Zahlreiche Szenen ohne klaren Bezug zur Handlung, Falkes aufgesetzt wirkende private Handlung und ein unpassender musikalischer Gastauftritt verstärken den Eindruck der lieblos zusammengeschusterten Geschichte nur noch.


Tatort: Borowski und das Land zwischen den Meeren (Kiel - Borowski; Februar 2018)

Borowski gerät in den Bann der sonderbaren Famke
Foto: NDR/Christine Schroeder
Der Kieler Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) wird auf die Insel Suunholt geschickt, um die mysteriösen Todesumstände eines Mannes aufzuklären, der nach einem Korruptionsskandal spurlos verschwunden ist. Seine neue Lebensgefährtin Famke Oejen (Christiane Paul, Paranoid) verdächtigt die Inselbewohner des Mordes. Doch weder die Beschuldigten, noch die örtlichen Polizisten nehmen Famkes Vermutungen ernst. Borowski ist hingegen fasziniert von ihr und hört zu.

Dieser Fall macht denselben Fehler wie "Zurück ins Licht". Anstelle sich auf die Krimihandlung oder zumindest die Ermittler zu konzentrieren, wird eine den Zuschauern völlig fremde Person in den Mittelpunkt gestellt, die zu undurchsichtig und realitätsfern ist, um eine Beziehung zu ihr aufbauen zu können. Weshalb der Kommissar sie so toll findet, wird auch hier nicht klar. Zudem kommt beim Inselfall noch hinzu, dass das Verhalten völlig untypisch für Borowski ist und irgendeine Art von Erklärung somit wirklich nötig gewesen wäre. Die anderen Charaktere bleiben nur dadurch im Gedächtnis, dass sie das wandelnde Klischee der weltfremden, einfältigen Inselbevölkerung darstellen. Weiterhin besteht der Krimi größtenteils aus zwei Extremen: den schier endlosen, langweiligen Szenen, in denen ein Gedicht von Theodor Storm zitiert wird und den extrem blutigen Momenten, wo verschiedene Charaktere auf unnötig detaillierte und abartige Art getötet werden. Alles in allem einer von Borowskis schlechtesten Fällen.


Tatort: Mitgehangen (Köln - Ballauf, Schenk; März 2018)

Die Kommissare sehen sich am Fundort der Leiche um
Foto: WDR/Thomas Kost
In einem Baggersee wird ein versenktes Auto gefunden. Im Inneren liegt die Leiche eines Mannes. Er war Teilhaber eines Reifenhandels und durch sein selbstherrliches Verhalten wenig beliebt bei seinen Kollegen. Besonders der Inhaber des kleinen Familienbetriebs hatte unter dem Mobbing des Toten zu leiden. Die Kölner Kommissare Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) beginnen die Familie des Inhabers auseinanderzunehmen.

Statt sich auf den Kriminalfall zu konzentrieren, dreht sich dieser Fall vor allem um die scheinbar glückliche Familie, die durch eine polizeiliche Ermittlung entzweit wird. Prinzipiell eine spannende Sichtweise, doch die Umsetzung ist derart misslungen, dass "Mitgehangen" einer der großen Flops der Saison ist. Es fehlt der Folge an absolut allem - Spannung, interessante Themen, nachvollziehbaren Charaktere und Glaubwürdigkeit. Die ganze Handlung wirkt so konstruiert, dass es dem Zuschauer kaum möglich ist, Mitleid mit den Betroffenen zu entwickeln. Die Geschichte bekommt noch zusätzliche, unnötige Melodramatik durch Ballaufs aus der Luft gegriffene Sinnkrise. Alles in allem ein langweiliger, völlig überfrachteter Krimi, der höchstens wegen seines nervtötenden Soundtracks (negativ) in Erinnerung bleiben wird.


Tatort: Ich töte niemand (Nürnberg - Ringelhahn, Voss, Goldwasser, Fleischer, Schatz; April 2018)

Ringelhahn ist befangen, ermittelt aber trotzdem
Foto: BR /Hager Moss Film GmbH/Luis Zeno Kuhn
Ein unauffälliges, gut integriertes, libysches Geschwisterpaar wurde brutal erschlagen. Von ihrem Ziehsohn fehlt jede Spur. Der Teenager hatte vor Kurzem bei einem wichtigen Gerichtsprozess ausgesagt. Derweil trauert Kommissarin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) um einen ehemaligen Kollegen und Freund, der beim Autofahren an einer Wechselwirkung verschiedener Antidepressiva gestorben ist. Hatte er etwas mit den Morden zu tun? Ringelhahns Kollege Felix Voss (Fabian Hinrichs) ermittelt hartnäckig.

Scheinbar haben die Verantwortlichen des Nürnberger "Tatorts" realisiert, dass blasse Kommissare ohne viel Persönlichkeit ziemlich langweilig sind und schnell vergessen werden. Die Folge steht jedenfalls in krassem Gegensatz zu den bisherigen. Voss schreit in fast jeder seiner Szenen grundlos aggressiv herum und verhält sich wie ein Irrer. Seine Kollegin geht so in ihrer Trauer um eine dem Zuschauer unbekannte Figur auf, dass sie kaum zu gebrauchen ist. Während die beiden plötzlich mit schlecht gemachter Charakterzeichnung übergossen werden, bleiben die drei anderen Ermittler im Team weiterhin farblos. Dazu kommt noch ein undurchsichtiger, verworrener Fall, der weder spannend ist, noch zum Weitergucken ermuntert. Das Ganze wird garniert mit vermeintlich künstlerisch wertvollen Spielereien, wie melancholischer Musik und Standbilder, die aber peinlich auffallen, anstelle nahtlos in die Geschichte überzugehen.


Polizeiruf 110: Demokratie stirbt in Finsternis (deutsch-polnisches Team - Lenski, Raczek; April 2018)

Lenski (r.) entwickelt Gefühle für ihren Gastgeber
Foto: rbb/Christoph Assmann
Olga Lenski (Maria Simon) und ihre Tochter werden nachts heimlich von Einbrechern gefilmt. Die Kommissarin fühlt sich nicht mehr wohl in ihren eigenen vier Wänden und will Urlaub auf einem abgelegenen Bauernhof machen. Besitzer Lennard Kohlmorgen (Jürgen Vogel, Tatort: Der wüste Gobi) bereitet sich und seine Familie stets auf einen Ernstfall vor - sei es durch gebunkerte Lebensmittel oder eigene Stromversorgung. Lenski kommt ihrem Gastgeber näher, doch dann wird plötzlich dessen Frau tot aufgefunden. Lenskis Kollege Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) nimmt die Ermittlungen auf.

Die Folge beginnt vielversprechend: Es ist wirklich beklemmend zu sehen, wie Fremde durch Lenskis Wohnung schleichen und ihr ganz nah kommen. Doch dieser Fall wird später in einem Nebensatz gelöst. Stattdessen geht es um den "Prepper"-Hof und die aufflammenden Gefühle der Kommissarin. Beides ist ziemlich öde. Dazu kommt noch die Tatsache, dass auch bei Lenski - wie schon bei ihren Kollegen aus Bremen und Kiel - nicht ersichtlich ist, was genau sie an ihrem Gegenüber so anziehend findet. Er und seine Kinder wirken einfach nur sehr schräg, beunruhigend und auch nervig. Ihre pseudo-philosophischen Unterhaltungen am Abendbrottisch wirken realitätsfremd und aufgesagt. Zudem will der "Polizeiruf" dem Zuschauer weismachen, dass bereits nach wenigen Stunden ohne Strom völlige Anarchie ausbricht. Inmitten dieses irren Chaos wirken die beiden Ermittler heillos überfordert und verwirrt - wie viele Menschen vor dem Fernseher vermutlich auch.


Das waren die sechs Sonntagskrimis, die mir in der vergangenen Saison am besten und am wenigsten gefallen haben. Wie sieht es bei euch aus? Welche Folgen sind euch positiv oder negativ im Gedächtnis geblieben? Und mit welchen Serien überbrückt ihr die Sommerpause? Schreibt es gerne in die Kommentare.


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