Samstag, 16. Juni 2018

Marvel's Cloak & Dagger: Staffel 1, Folge 3 - Rezension

- Der folgende Text enthält Spoiler -


Die letzte Folge "Suicide Sprints" (dt.:"Tandys Flucht") endete damit, dass Tyrone (Aubrey Joseph) kurz davor war, Connors (J. D. Evermore) zu erschießen. Doch während er den Abzug gedrückt hatte, wurde er vor Tandy (Olivia Holt) teleportiert. Die wollte gerade mit einem gestohlenen Wagen die Stadt verlassen, da sie befürchtete, von der Polizei gesucht zu werden, nachdem sie ihren Fast-Vergewaltiger lebensgefährlich verletzt hatte. Die Situation endete in einem Unfall, als die Jugendliche das Steuer herumriss und beim Aufprall aus dem Wagen geschleudert wurde. An dieser Stelle setzt die dritte Episode "Stained Glass" (dt.: "Voodoo-Zauber") an. Ihr Zusammentreffen an der Unfallstelle dauert nicht lange, denn Tandy verschwindet trotz möglicher Gehirnerschütterung sofort wieder. Während sie einen Bus stadtauswärts nimmt, versucht Tyrone seine Fähigkeiten, die er als Fluch sieht, mit Hilfe seiner Mitschülerin Evita (Noëlle Renée Bercy) und der Voodoo-Priesterin Aunte Chantelle (Angela M. Davis) unter Kontrolle zu bringen. Es dauert nicht lange, bis sie sich wieder begegnen, allerdings auf eine indirekte Art: in ihren Gedanken. Dabei lernen sie einiges übereinander. 


Ruhiges Tempo, aber keine Langeweile

Tyrone sieht Tandy in seiner düsteren Vision
Foto: Freeform/Marvel
Die Serie erzählt Tandys und Tyrones Geschichte unerwartet langsam weiter. Ich hatte damit gerechnet, dass die Handlung nach dem Autounfall immer mehr an Fahrt aufnimmt, weil die beiden Hauptfiguren auf sehr extreme Art aufeinandertreffen. Doch das Gegenteil ist der Fall und diese Vorgehensweise gefällt mir wirklich gut. Der Fokus in dieser Episode liegt nicht auf Ereignissen in der echten Welt. Stattdessen bekommt der Zuschauer interessante Einblicke in die Gedanken der Charaktere und lernt sie dadurch noch besser kennen. Es ist wirklich erfrischend, eine Superheldenserie zu sehen, in der nicht von Anfang an heftige Konfrontationen und Kämpfe die Handlung bestimmen. Diese "ruhigere" Art ist eine tolle Abwechslung. Am Anfang der Folge habe ich noch gehofft, dass man beide sofort zusammen sieht, doch jetzt bin ich froh, dass dieses Treffen erst noch kommt. Denn während der Episode erfährt nicht nur der Zuschauer mer über die Charaktere, sie lernen sich auch selbst gegenseitig besser kennen und das ohne sich zu begegnen. Nur in ihrer Gedankenwelt erhalten sie einen tiefen Einblick in das, was den jeweils anderen bewegt. Ihre Verbindung durch den Unfall in ihrer Kindheit ist also noch stärker als vorher angenommen. Das macht ihre Beziehung deutlich spannender und es ist toll, dass so viel Zeit genutzt wird, um sie ordentlich aufzubauen. Hier wieder ein großes Lob für die Erzählweise. Wie schon in den ersten Folgen wird nichts direkt durch Worte erklärt. Die Bilder sprechen für sich und lassen den Zuschauer die tiefe Verbindung der Charaktere auf diese Weise erkennen. Dem Zuschauer ist beispielsweise bereits bekannt, dass Tyrone plant, den Mörder seines Bruders umzubringen. Tandy allerdings nicht - sie weiß weder, dass er einen Bruder hatte noch wer für seinen Tod verantwortlich ist. Trotzdem beobachtet sie ihn in ihrer Vision dabei, wie er seine verschiedenen Rachepläne ausführt und hilft ihm, zu erkennen, dass sein Weg der falsche ist. Da wird schnell klar, dass die beiden irgendeine übernatürliche Bindung zueinander haben. 
Tandy ist in ihren Gedanken gelandet und verwirrt
Foto: Screenshot
Außerdem lässt dieses Szenario des "gedanklichen Treffens" viele Interpretationen offen. Ich vermute, dass sie sich nicht tatsächlich gegenseitig in ihrem Kopf geholfen haben, sondern nur einer "Vision", die aber die Gedanken und Emotionen der anderen Person widerspiegelt. Sie könnten also Zugriff auf die Gefühlswelt haben, ohne dass es die andere Person beeinflusst oder sie davon weiß. Doch es zeigt dem Zuschauer schon, wie viel sie sich gegenseitig geben können und dass sie sich auch im echten Leben helfen können. Was ich allerdings etwas unnötig fand, war die Dopplung der Szene kurz nach dem Unfall: Erst sieht der Zuschauer sie aus Tandys Sicht und etwas später aus Tyrones. Im ersten Moment dachte ich, es würde mehr Einblicke geben, doch letztendlich ist es fast exakt derselbe Aufbau und Ablauf mit sehr unbedeutenden Änderungen. So wird beispielsweise eine etwas andere Kameraperspekive benutzt, die aber nicht wirklich mehr zeigt als die vorherige. Dass sich Tyrone nach dem Ertönen der Polizeisirenen panisch im Wald versteckt, habe ich mir schon vorher gedacht. Dafür hätte nicht noch einmal die komplette Szene gezeigt werden müssen. Das hätte auch in eine gepackt werden können. 

Die Protagonisten machen die Folge sehenswert

Tandy haut wieder ab und lässt Tyrone stehen
Foto: Screenshot
Es passiert nicht oft, dass mir Charaktere so schnell ans Herz wachsen. Aber Tandy und Tyrone können wirklich schon früh mit ihren Persönlichkeiten überzeugen und das ist auch gut so. Denn ohne spannende Figuren, wie sie es sind, wäre die Handlung mit Sicherheit deutlich schleppender verlaufen. Diese Folge lebt von Olivia Holts und Aubrey Josephs Schauspiel. Sie können den Zuschauer richtig fesseln. Die wenigen "echten" Interaktionen wecken die Vorfreude auf weitere. Sie begegnen einerseits mit einer gewissen Distanz - immerhin kennen sie sich überhaupt nicht. Andererseits lassen sie darunter hindurchblitzen, dass zwischen ihnen schon etwas vorhanden ist, das sie selbst noch nicht greifen und verstehen können. Das passiert weniger mit Worten als mit Blicken und Emotionen in ihren Augen. Als Tandy Tyrone wiedererkennt, ist unter der Verwirrung und der Angst auch so etwas wie Neugierde bemerkbar. Besonders bei ihrem Charakter ist die Vielschichtigkeit deutlich vorhanden. Sie kann einerseits sehr zynisch und hart sein (an Tyrone gerichtet: "Don't take this the wrong way. But I hope I never see you again."), dann sieht man aber, wie fürsorglich sie in ihrer "Gedankenwelt" mit dem jungen Tyrone umgeht, der weinend vor ihr sitzt. Doch auch Tyrone hat eindrückliche Szenen. Die emotionalste ist wohl die Kirchenszene. Im ersten Moment habe ich geglaubt, er spricht zu Gott ("Are you doing this? 'Cause I don't understand and I can't control it. And I can't control myself"). In seiner Stimme ist die Verzweiflung deutlich erkennbar. Doch dann sagt er plötzlich "I miss you so much, Billy". Erst in diesem Augenblick wird klar, dass er zu seinem verstorbenen Bruder spricht. Dadurch wird die Szene deutlich ergreifender. Mit Momenten wie diesem beweist die Serie, wie gut sie den Zuschauer auf emotionaler Ebene erreichen kann.
Es ist ziemlich offensichtlich, dass Evita auf Tyrone steht
Foto: Screenshot
Es gibt allerdings noch etwas, das mich gestört hat: die ganze Voodoo-Handlung. Ich kann mir vorstellen, dass diese Thematik noch eine Rolle spielen könnte, weil ihr sonst nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt worden wäre. Besonders als am Ende zu erkennen ist, dass Aunte Chantelle eine kleine Figur von Tyrone mit einem 3D-Drucker angefertigt hat und auf ihr Regel neben andere Puppen und Figuren setzt. Allerdings ist die Handlung selbst die langweiligste in dieser Folge. Die Szenen haben sich sehr gezogen. Das Interessanteste daran ist, zu sehen, wie Tyrone seine Fähigkeiten einordnet. Er zieht wirklich in Betracht, ein Fluch könnte Schuld daran sein. Das ist der erste Moment, der veranschaulicht, was die Protagonisten über ihre plötzlichen Kräfte denken und was es ihrer Meinung nach sein könnte. Deshalb ist die Nebenhandlung hinsichtlich seines Charakters aufschlussreich, aber ansonsten langweilig. Auf der anderen Seite hoffe ich, dass Evita nicht bloß als Figur für ein zukünftiges Teenager-Drama eingesetzt wird. Ich bin noch etwas skeptisch, was sie betrifft. Sie ist in Tyrone verliebt und das scheint im Moment auch ihr einziger prägnanter Charakterzug zu sein. Die beiden haben sich außerdem bereits geküsst. Da das so früh passiert und außerdem nicht besonders emotional aufgebaut wird, könnte es bedeuten, dass die Beziehung vor allem dazu genutzt wird, um Probleme zu produzieren. Dass es wirklich dazu kommt, ist eine meiner größten Sorgen, die ich vor Beginn der Serie hatte. Bis jetzt macht die Sendung einen erwachsenen Eindruck, daher fände ich es schade, wenn sie plötzlich in die "Teen Drama"-Schiene abrutschen würde. 

Fazit

Die dritte Folge lässt es etwas ruhiger angehen, kann aber trotzdem fesseln. Damit geht die Serie einen ausgefallenen Weg für eine Superheldensendung: Statt sich auf Action und Kämpfe zu konzentrieren, liegt der Fokus erst einmal auf den Hauptcharakteren und dem Aufbau ihrer Beziehung. Das ist spannend, was vor allem daran liegt, dass die Figuren so komplex und interessant sind. Zwar gibt es ein paar Stellen, die sich zu sehr ziehen und Nebenfiguren, die weitaus weniger vielschichtig sind. Doch insgesamt kann die Episode überzeugen und weckt die Neugier auf die kommende Folge. 


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