Donnerstag, 6. Juli 2017

Netflix Original Serien - Kurzrezensionen

Momentan ist Sommerpause im deutschen Fernsehen und nicht nur da, auch die meisten Serien aus anderen Ländern liegen in den warmen Monaten auf Eis. Wie gut, dass es Streaming-Anbieter gibt, deren Eigenproduktionen immer bereit stehen und die uns regelmäßig mit neuem Material versorgen. Ich habe mich in der letzten Zeit an einige "Netflix"-Serien herangewagt. Nun möchte ich euch einen kleinen Überblick über drei davon geben (Klickt hier für den zweiten Teil der "Netflix"-Kurzrezensionen.). Vielleicht findet der ein oder andere ja eine Sendung, die er während des langen Flugs in den Urlaub oder an einem verregneten Sommertag "bingewatchen" kann. Klickt auf die Titel, um euch die Trailer anzuschauen.

An dieser Stelle gehe ich auf Serien ein, die "Netflix" selbst als "Netflix Original" bezeichnet, obwohl sie teilweise auch im Fernsehen ausgestrahlt oder von Drittanbietern produziert wurden. Da ich alle englischsprachigen Serien in der Originalversion angesehen habe, kann ich keine Aussagen zu der Qualität der deutschen Synchronisation treffen.


Paranoid

v.l.: Detectives Bobby, Nina und Alec
Foto: Netflix
Hierbei handelt es sich um eine britische Krimi-Serie, die von "Netflix" mitproduziert wurde. Darum geht es: Eine Frau wird am helllichten Tag auf dem Spielplatz der kleinen Stadt Woodmere erstochen. Die Ermittler Nina Suresh (Indira Varma), Alec Wayfield (Dino Fetscher) und Bobby Day (Robert Glenister) werden auf den Fall angesetzt, der bald große Wellen schlägt. Eine Spur führt nach Deutschland, woraufhin die Kommissare Linda Felber (Christiane Paul) und Walti Merian (Dominik Tiefenthaler) ebenfalls in die Ermittlungen miteinbezogen werden. 

Fokussiert man sich auf den Kriminalfall, ist die Handlung durchaus sehr spannend. Es gibt viele Verdächtige, Verfolgungsjagden und actionreiche Sequenzen. Leider spielen zusätzlich die privaten Probleme der Ermittler eine wichtige Rolle. Normalerweise finde ich es gut, wenn es in Krimis auch Nebenhandlungen gibt, das ist realistisch, doch in "Paranoid" ist das nicht der Fall. Während die Verhöre und Ermittlungen völlig normal wirken, sind die Dialoge in den privaten Szenen zum Fremdschämen. 
"I can kiss you whenever I want!" Auch am Tatort.
Foto: Netflix
Bobby Day verliebt sich beispielsweise in eine schräge Verdächtige, die von Sprechweise und Verhalten her an "Luna Lovegood" aus den "Harry Potter"-Filmen erinnert. Kommissarin Linda Felber stellt ihren Kollegen Walti Merian (Was ist das bitte für ein Name?) direkt im ersten Satz lachend als schwul vor und auch ansonsten kann man sie und ihren überdrehten Humor nicht ernst nehmen. Walti hingegen ist klasse und er spricht angenehm fließend Englisch. Am schlimmsten verhält sich Nina Suresh. Ich habe selten eine TV-Ermittlerin erlebt, die ich weniger leiden konnte. Sie schwankt ständig zwischen hochnäsiger Emanze und weinerlichem Bündel Elend. Ihr Freund hat sie verlassen, woraufhin die Polizistin ihn weinend bekniet, sie zurückzunehmen. Im nächsten Augenblick kommandiert Suresh eine ihr untergebene Kollegin herum. Ja, der Drehbuchautor ist männlich. Danach wirft Nina sich übrigens ziemlich schnell ihrem jüngeren Kollegen Alec an den Hals. In Serien kommt es eher selten vor, dass bei einem Pärchen der Mann deutlich jünger ist (15 Jahre Altersunterschied zwischen den Darstellern). Es ist schön, dass hier mal nicht der Verjüngungswahn herrscht, doch die Dialoge zwischen den beiden sind so zum Fremdschämen, dass man sich zwischendurch noch ein paar Morde herbeiwünscht.
Modebewusst sind die Ermittler auf jeden Fall!
Foto: Netflix
Mal abgesehen von ihren privaten Problemen, verhalten sich die Detectives auch beim Ermitteln nicht gerade wie Vollprofis. So verfolgt Day einen ehemaligen FBI-Agenten, indem er sich in der Straßenbahn einige Reihen hinter ihn setzt, ihn anstarrt und jedes Mal hochzuckt, wenn der Mann Anstalten macht, aufzustehen. Wichtige Arbeitsschritte werden für private Unterhaltungen, Bekenntnisse und Kussszenen unterbrochen.... Diese Detectives möchte man nicht unbedingt vor der Tür stehen haben, wenn ein geliebter Mensch verstorben ist. Die deutschen Figuren sind weniger problembelastet, dafür allesamt etwas schräg und im Verhalten stereotypisch-deutsch. Wer spannende Krimifälle mag, die sich über eine ganze Staffel ziehen, wird "Paranoid" sicher mögen. Die völlig irrational handelnden Charaktere schmälern das Sehvergnügen jedoch immens. Ich habe Hochachtung vor jedem, der alle Folgen am Stück ansieht und sich kein einziges Mal bei den Dialogen fremdschämt.


Sense8

Die acht Protagonisten halten zusammen
Foto: Netflix 
"Sense8" stand lange auf meiner Liste. Ich habe mich aber erst daran gewagt, als die zweite Staffel schon online war. Ich hatte gerade mal fünf oder sechs Folgen angesehen, da wurde die Sendung bereits abgesetzt. Den darauffolgenden weltweiten Shitstorm hat wohl jeder mitbekommen, der "Netflix" in den sozialen Medien folgt. Aber ehrlich gesagt: Ich verstehe den Hype nicht. Bei "Sense8" geht es um acht junge Menschen: Transgender-Bloggerin Nomi aus San Francisco (Jamie Clayton), Schauspieler Lito aus Mexico City (Miguel Ángel Silvestre), Polizist Will aus Chicago (Brian J. Smith), die in London lebende DJane Riley aus Reykjavík (Tuppence Middleton), den Kriminellen Wolfgang aus Berlin (Max Riemelt), Busfahrer Capheus aus Nairobi (Staffel 1: Aml Ameen; Staffel 2: Toby Onwumere), Pharmazeutin Kala aus Mumbai (Tina Desai) und Geschäftsfrau Sun aus Seoul (Bae Doona). Sie sind "Sensates". Sie teilen nicht nur ihren Geburtstag, sondern seit kurzem auch ihre Gefühle, Fähigkeiten, Erinnerungen und Sprachen. Sie können einander "besuchen" und auf alle Eigenschaften der anderen zurückgreifen. So sind sie beispielsweise dank Wills Polizeiausbildung gute Schützen. 

Sieben der "Sensates" in Amsterdam
Foto: Netflix
Es ist genauso kompliziert, wie es klingt, da die "Sensate"-Fähigkeit nie wirklich erklärt wird. Die fehlende Logik hat mich an der Serie am meisten gestört. Das fängt schon damit an, dass nur Will auf die Idee kommt zu verifizieren, ob es die Menschen in seinem Kopf tatsächlich gibt. Alle anderen akzeptieren es einfach relativ gelassen und stellen sich einander nicht einmal wirklich vor. Natürlich gibt es auch böse Gegenspieler. Deren Motivation ist ähnlich schwammig wie die Fähigkeiten der acht Protagonisten. Sie fürchten, dass "Sensates" in Zeiten von Terrorismus und Co. eine Gefahr für Staatsgeheimnisse und Hoheitsgewalt darstellen. Denn sie teilen ihre Gedanken automatisch mit anderen "Sensates", die meistens in anderen Ländern leben. Dieser Grund ist ziemlich lächerlich, wenn man die Hauptfiguren kennenlernt, da sie ihre Fähigkeiten größtenteils dazu verwenden, sich gegenseitig aus der Patsche zu helfen. Jeder von ihnen ist nämlich irgendwie in kriminelle Machenschaften oder Fehden verwickelt, sei es aus eigenem Antrieb oder durch Familienmitglieder und Freunde. 
Dreharbeiten in Berlin mit Max Riemelt
Foto: Netflix
Dennoch gibt es auch Lichtblicke. Am besten hat mir gefallen, dass die Serie tatsächlich in allen Ländern gedreht wurde, in denen sie spielt und die meisten Schauspieler auch von dort kommen. Das lässt die Szenerie lebendig und echt erscheinen. Fast jeder kennt Serien und Filme, die in Land X spielen sollen, dabei aber beim Akzent, der Landschaft und so ziemlich allem anderen voll ins Fettnäpfchen treten. Das kommt bei "Sense8" praktisch nicht vor. Man sieht sowohl eine traditionelle indische Hochzeit über den Dächern Mumbais, als auch ein Fußballspiel in den dreckigen Hinterhöfen Berlins und die von Gangs bevölkerten Straßen Chicagos. Weiterhin hat die Serie einen charmanten Humor. Mir bleibt besonders eine Folge der zweiten Staffel in Erinnerung, in der Lito Trübsal bläst und plötzlich bei den anderen "Sensates" auftaucht. Er liegt beispielsweise lustlos auf Kalas Couch, stopft sich Popcorn in den Mund und beobachtet den Streit zwischen ihr und ihrem Mann. Später steht er weinend bei Nomi in der Küche und mixt sich einen Drink. Klingt in der Nacherzählung nicht so lustig, ist es aber. Generell scheinen sich die Hauptdarsteller für nichts zu schade zu sein - ob komplett nackt, in peinlichen Kostümen oder völlig verheult, sie singen laut und schief, tanzen noch wilder und haben sichtlich Spaß an ihren Rollen. "Sense8" ist für mich dennoch nur eine mittelmäßige "Netflix"-Serie, was vor allem daran liegt, dass die Handlung erst zu den Staffelenden hin interessant wird. Vorher geht es in den meisten Folgen um die persönlichen Probleme der acht Hauptfiguren, die aber nicht interessant und verständlich (man erfährt immer nur das aus ihrer Vergangenheit, was unbedingt notwendig ist) genug sind, um die Episoden zu füllen. Auch die Fähigkeiten der "Sensates" sind wenig nachvollziehbar, sodass ich immer das Gefühl hatte, dass die Geschichte nicht "rund" ist.


3%

Es ist ein langer Weg bis ins Paradies
Foto: Netflix
Hierbei handelt es sich um eine "Netflix"-Serie, die in Brasilien produziert wird und von der Grundidee an "Die Tribute von Panem" erinnert. In einer dystopischen Welt leben 97% der Einwohner in ärmlichen Slums und müssen tagtäglich ums Überleben kämpfen. Die restlichen 3% befinden sich auf einer Insel, auf der es neben ausreichend Lebensmitteln und Arbeit, auch moderne Technologie und ein harmonisches Miteinander gibt. Jedes Jahr findet ein kompliziertes Auswahlverfahren statt, an dem alle Slumbewohner im Alter von 20 Jahren teilnehmen können. Gehören sie zu den 3%, die alle Aufgaben bewältigen, dürfen sie für den Rest ihres Lebens auf die Insel. Die Handlung der ersten Staffel begleitet verschiedene Protagonisten. Darunter mehrere Kandidaten im Prozess, wie die naive Michele (Bianca Comparato), Rollstuhlfahrer Fernando (Michel Gomes) oder den skrupellosen Rafael (Rodolfo Valente), aber auch Ezequiel (João Miguel), den Chef des Auswahlverfahrens. Er und seine Mitarbeiter vermuten Spione einer Revolutionsbewegung unter den jungen Leuten.

Merke: Auch zukünftig ist zerrissene Kleidung "in"
Foto: Netflix
Nach der ersten Folge habe ich eine Weile überlegt, ob ich weitergucken werde. Sowohl das Auswahlzentrum, das fast nur aus weißer Farbe und Glas besteht, als auch die Slums, in denen alle kunstvoll zerrissene, bunte Kleidung tragen, wirken sehr künstlich. Zu Beginn erinnert die Serie auch zu stark an bekannte dystopische Teenie-Geschichten. Weiterhin bietet "Netflix" bislang ausschließlich die portugiesische Originalversion, sowie eine englische und spanische Synchronisation an. Ich habe die Sendung in Englisch geguckt und leider wirkt die Tonspur, besonders in den ersten Folgen, als wäre sie zeitlich verzögert - der Text passt selten zur Mundbewegung. Da ich aber denke, dass man nach einer Folge schlecht urteilen kann, habe ich die Serie weitergeguckt und es nicht bereut. An die unpassende Lippen-Text-Abstimmung gewöhnt man sich irgendwann und schon in der zweiten Folge geht die Handlung in eine individuelle Richtung, sodass man sie nicht mehr mit anderen Dystopien vergleichen kann. Vor allem, da "3%" im Gegensatz zu "Die Tribute von Panem" oder "Die Bestimmung - Divergent" für ein erwachsenes Publikum gedacht ist. "Netflix" hat die Sendung mit dem entsprechenden Hinweis "Nicht für Kinder" gekennzeichnet. Die Tests, die die Kandidaten meistern müssen, sind aber in den wenigsten Fällen gruselig oder tödlich, sondern eher langweilig und das ist auch mein größter Kritikpunkt: Es wird nie offensichtlich, nach welcher Art Mensch Ezequiel und seine Kollegen eigentlich suchen. Die Aufgaben wirken alle zusammenhangslos und sind meist schnell vorbei. Hier wurde leider Potenzial verschenkt.
v.l.: Marco, Michele, Fernando, Ágata, Rafael und Joana
Foto: Netflix
Doch für mich überwiegen deutlich die positiven Aspekte der Serie. Die Charaktere sind sehr vielschichtig und fast jeder hat es geschafft mich bis zum Staffelfinale zu überraschen. Es wird wirklich mit dem Spruch "Der erste Anschein trügt" gespielt, was die Spannung deutlich anzieht. Auch dadurch, dass immer wieder Kandidaten bei Tests ausscheiden, von denen man erwartet hatte, dass sie bis zum Ende durchhalten. Die Schauspieler haben allesamt ein breites Spektrum an Facetten und bringen die Emotionen ihrer Figuren auch ohne Worte rüber. Ich freue mich sehr, dass "3%" um eine zweite Staffel verlängert wurde. Die interessanten Charaktere und die Ausgangssituation nach dem Staffelfinale versprechen weitere spannende Geschichten. Hoffentlich mit besserer Kostümabteilung und einer genaueren Synchronisation.


Das waren meine "Netflix"-Kurzrezensionen. Da der Streaming-Anbieter immer wieder neue Serien und Staffeln herausbringt, wird es sicher nicht der letzte Beitrag zu diesem Thema sein (klickt hier, um zum zweiten Teil zu gelangen).
Alle Posts zum Thema "Netflix" findet ihr hier. Momentan schaue ich "The Killing". Bislang kann ich die Sendung auf jeden Fall empfehlen!

Folgt uns auf Facebook, Twitter und Instagram, um den nächsten Teil nicht zu verpassen. Alle bisherigen Posts zum Thema "TV" findet ihr hier.


0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen