Mittwoch, 27. Juni 2018

Bloody Weekend - Neun Jugendliche. Drei Tage. Ein Opfer. (M.A. Bennett) - Rezension

"Bloody Weekend - Neun Jugendliche. Drei Tage. Ein Opfer." ist ein Jugendthriller der Autorin M.A. Bennett. Der Roman ist Anfang des Jahres im "Arena"-Verlag erschienen und umfasst 344 Seiten.

Greer ist seit Kurzem Schülerin am Internat St. Aiden, das vor allem für die sehr traditionsbewusste Einstellung bekannt ist. Egal ob Handy, Internet oder Plastik, das alles wird verachtet, was vor allem an den "Medievals" liegt. Sie sind eine sechsköpfige Gruppe von reichen Schülern, die die Schule "beherrschen" und die Regeln vorgeben, die ihre Mitschüler blindlings befolgen. Angeführt werden sie von Henry de Warlencourt. Greer weiß, dass sie eine Außenseiterin ist und nie zu dieser angesehenen Clique gehören wird. Doch dann erhält sie zusammen mit zwei weiteren Jugendlichen des St. Aiden eine Einladung für ein Jagdwochenende auf Henrys Anwesen. Als sie zusagt, ist ihr nicht klar, dass dort nicht bloß Hirsche, Fasane und Fische gejagt werden. Greer muss schon bald um ihr Leben fürchten. 


Ein vielversprechendes Setting

Das Opfer ist schon sehr früh bekannt
Foto: Arena Verlag
Einer der größten Pluspunkte, mit dem der Roman überzeugen kann, ist die schön düstere Atmosphäre. Das liegt vor allem an der Wahl des Handlungsortes, der sich perfekt für eine unbehagliche Stimmung eignet. Die Geschichte beginnt im Internat. Bereits dort wirkt alles trostlos und leicht beunruhigend, beispielsweise durch Beschreibungen von Hirschköpfen, die als Jagdtrophäen das Gebäude schmücken, oder durch die Schilderungen der sehr traditionellen Einstellung von Angestellten und Schülern. Da bekommt man als Leser wirklich das Gefühl, gut 50 Jahre in die Vergangenheit befördert worden zu sein. Richtig unheimlich wird es dann, als die Gruppe Jugendlicher zum Anwesen von Henrys Familie fährt. Dieser Ort hat wirklich alles, was es für eine schauerliche Geschichte braucht: ein altes, gigantisches Gebäude mitten im Wald, abgelegen von allem, kaum Verbindung zur Außenwelt. Außerdem gibt es seltsames Personal, das alle perfiden Spiele der Jugendlichen bloß stumm beobachtet und geschehen lässt, obwohl sie dort die einzigen Erwachsenen sind. Noch dazu spielt der Roman zur Herbstzeit, was alles noch stimmiger macht. Am beängstigsten sind allerdings die "Medievals". An einigen Stellen wirken diese arroganten Jugendlichen wirklich erschreckend böse ("'Damit die hochrangigen Spezies gedeihen', fuhr Henry in maßvollem, rationalem Ton fort, 'müssen die niederen eingedämmt werden.' [...] 'Was du damit sagen willst, sagte Shafeen langsam, 'ist, dass es manchen Spezies nicht mehr erlaubt werden darf, über sich selbst hinauszuwachsen.' 'Schön zusammengefasst.' 'Sicherlich meinst du damit ausschließlich das Reich der Tiere?', fragte Shafeen. Henry richtete den Blick seiner kühlen, blauen Augen auf ihn. 'Was denn sonst?'"). Sie sind als Gegenspieler vor allem überzeugend, weil sie so realistisch erscheinen. Es wirkt überhaupt nicht aus der Luft gegriffen, dass eine Gruppe privilegierter Schüler durch die Macht und den Einfluss ihrer Familien ihren eigenen Regeln folgen können. Sie beherrschen die Schule und kommen mit allem davon. Was sie für abartige Dinge an diesen "Jagdwochenenden" treiben, ist vielen Lehrern bekannt, doch es wird totgeschwiegen. Bei diesem Szenario musste ich sofort an Jan Guillous autobiografisches Buch "Evil - Das Böse" denken: In den 50er Jahren war der Autor auf einer Schule in Schweden, die von genau solchen Jugendlichen "regiert" wurde und alle Erwachsenen dort haben es zugelassen. "Evil" erzählt nicht nur eine wahre Begebenheit, der Roman ist auch deutlich schockierender als Bennetts Buch, was das Verhalten der Clique in "Bloody Weekend" noch glaubwürdiger erscheinen lässt. Genau dieser Aspekt des Realismus macht die Geschichte so perfide. 
"Evil - Das Böse" wurde übrigens auch verfilmt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Greer ihn gesehen hat, ist ziemlich hoch. Einer der prägnantesten Charakterzüge der Protagonistin ist nämlich, dass sie ein Filmfan ist und ziemlich viele kennt. Das lässt sie immer wieder aufblitzen, indem sie ständig Filmanspielungen macht. Wer in seiner Freizeit lieber andere Dinge tut, als ins Kino zu gehen oder stundenlange DVD-Abende zu veranstalten, wird während des Lesens vielleicht an der ein oder anderen Stelle genervt sein. Ich finde Filme auch toll, aber selbst mich hat es gestört, dass Greer auf gefühlt jeder dritten Seite ein Ereignis oder einen Eindruck mit "Kennt ihr den Film ... ?" beschreibt. Bestimmt 30 verschiedene Erwähnungen sind über den Roman verstreut, von "Narnia" über "Sherlock Holmes" bis hin zu "Twilight". Aber es tauchen auch einige auf, von denen ich noch nie etwas gehört habe. Ich bezweifle, dass Jugendliche ab zwölf, die die Zielgruppe des Buches sind, mit den meisten etwas anfangen können. Hin und wieder werden die Anspielungen an passenden Momenten eingesetzt und tragen dazu bei, eine Situation eindrücklicher einzufangen ("Wie formulierte es Hanibal Lector in 'Das Schweigen der Lämmer'? Sorgen muss man sich erst machen, wenn die Schreie verstummen."). Dann aber gibt es viel zu viele Stellen, an denen diese Einwürfe gar nichts bringen, weil sie darauf setzen, dass der Film beim Leser bekannt ist. Nur wenn man den Titel kennt, hilft es einem, ein Bild vor Augen zu haben ("Der See schimmerte in der Dämmerung und sah aus wie der aus 'Excalibur', der See, aus dem Arthur sein Schwert holt und es am Ende wieder hineinwirft."). Statt eine Szene eindrücklicher zu machen, sorgen sie dann eher dafür, dass der Lesefluss unterbrochen wird. 

Wie "bloody" ist das Wochenende?

Die Atmosphäre ist perfekt für einen packenden Thriller. Die Handlung kann da allerdings nur teilweise mithalten. Der Leser weiß von Anfang an, wer am Ende stirbt und wer dafür verantwortlich sein soll. Trotzdem oder gerade deshalb bleibt es lange spannend. Denn die wichtigste Frage, die während der Geschichte aufkommt, ist die nach dem Umstand des Todes: Wie kommt es dazu und was passiert zuvor, das dieses Ende hervorruft? Diese Antworten gibt die Autorin erst spät, weshalb man noch lange mit rätseln kann. Eine weitere Sache, die sofort klar ist, ist der verstörende Twist des Jagdwochenendes. Dass es in diesem Buch nicht bloß um eine Jagd nach Tieren geht, verrät schon der Klappentext. Es gibt außerdem dutzende Stellen, die andeuten, was passieren wird. Das regt beim Leser natürlich die Fantasie an, wie genau Menschen statt Wild zur Beute werden. Genau dieser Umstand hat bei mir leider für Enttäuschung gesorgt. Die Stellen, an denen diese "Jagd" dann tatsählich geschieht, sind insgesamt deutlich weniger blutig und beängstigend, als der Titel vermuten lässt. Die Situationen werden zum Teil so wenig aufgebaut, dass ich kaum eine Chance hatte, davon wirklich geschockt zu sein. Die erste Szene läuft so schnell ab und wird kaum im Detail beschrieben, dass ich nicht sicher war, ob das tatsächlich schon die erste "Jagd" gewesen sein soll. Es ist kaum Spannung spürbar und es wird überhaupt nicht mit der Angst des Lesers gespielt. Letztendlich ist alles, was erzählt oder angedeutet wird, schlimmer als das, was letztendlich an diesem Wochenende wirklich passiert. Ähnlich unspektakulär ist dann auch das Ende mit der Auflösung, wie und warum Henry stirbt. Hier fehlt ebenfalls die nötige spürbare Bedrohung oder Spannung. Das liegt wohl teilweise daran, dass man weiß, dass der Protagonistin nichts passieren kann, da sie die ganze Geschichte nacherzählt. Als dann eine Szene geschildert wird, in der sie in "Lebensgefahr" schwebt, ist das nicht wirklich fesselnd. Außerdem lassen Greers Andeutungen zum Tod des Schülers vermuten, dass sie eine eiskalte Mörderin sei. Der Schluss zeigt dann aber ein ganz anderes Bild, was ebenfalls enttäuschend ist.  
Ein weiterer Aspekt, der Unbehagen erzeugen soll, ist die Greers Schwärmerei für Henry. Das Problem daran: Als Leser erkennt man schnell, wie unsympathisch er ist. Da das Buch aus Greers Sicht geschrieben ist, erscheinen die romantischen Gefühle der Protagonistin daher einfach paradox. Obwohl es genug Hinweise gibt, die ihr zeigen, was für ein Mensch er ist, kann sie ihre Gefühle nicht abstellen und hofft, dass sie mit ihren Vermutungen doch falsch liegt. An einer Stelle spricht sie davon, dass man in seiner Gegenwart gewesen sein muss, um zu wissen, wovon sie redet. Als Leser hat man diese Möglichkeit nicht und die Beschreibungen im Buch bringen seine Rolle in dieser Hinsicht überhaupt nicht eindrücklich und glaubwürdig rüber. Die Idee ist grundlegend gut: Ein Charakter, der sich so gut verstellen kann, dass selbst der Leser hinters Licht geführt wird, hätte ich toll gefunden. Aber das schafft "Bloody Weekend" nicht. Ich habe nicht verstanden, was Greer so toll an ihm findet und warum sie hin- und hergerissen ist, anstatt von ihm angewidert zu sein. Henry kommt immer arrogant oder durchtrieben rüber, selbst in den Szenen, in denen er angeblich nett ist. Da bringt es auch nichts, wenn Greer ihn ab und zu als charmant betitelt. Die Autorin hat diese "zwei Gesichter", die Henry angeblich haben soll, nicht überzeugend dargestellt. Das ist wirklich schade, denn sonst hätte die gesamte Handlung vielleicht noch deutlich beunruhigender sein können. 

Fazit

"Bloody Weekend" überzeugt vor allem mit einer düsteren Atmosphäre. Leider kann die Handlung nicht mit der Stimmung mithalten. Es liegt einerseits immer eine gewisse Spannung in der Luft, weil zwar die Fragen, wer stirbt und wer dafür verantwortlich ist, schon von Beginn an bekannt sind. Doch die lange Zeit unbeantwortete Frage nach dem "Wie" erweckt das Interesse, die Geschichte weiterzuverfolgen. Andererseits verläuft die "Jagd" dann allerdings deutlich unspektakulärer als erwartet und auch der Höhepunkt der Geschichte hat keinen mitreißenden Effekt. Da dieses Jugendbuch unter die Kategorie "Thriller" fällt, habe ich mir insgesamt mehr Nervenkitzel erhofft.


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