Samstag, 7. April 2018

Tatort: Unter Kriegern - Rezension

Der Mord zum Sonntag hat Tradition, deshalb sind auch wir mit Rezension und Live-Tweets (@WatchReadTalkdabei.


Im Keller des Hessischen Sportleistungszentrums wird die Leiche von Malte Rahmani (Ilyes Raoul Moutaoukkil) gefunden. Jemand hat den Elfjährigen in einem Eisenkessel eingesperrt, wo er qualvoll verdurstet ist. Die Frankfurter Kommissare Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) erfahren, dass sich Malte regelmäßig mit Vereinshausmeister Sven Brunner (Stefan Konarske, bis 2017 "Tatort"-Kommissar in Dortmund) getroffen hat. Der beteuert jedoch seine Unschuld. Joachim Voss (Golo Euler, Tatort: Hardcore), der Leiter des Zentrums, gerät ebenfalls in den Fokus der Ermittlungen. Er verlangt viel von den jungen Sportlern - ganz besonders von seinem zwölfjährigen Stiefsohn Felix (Juri Winkler). Zu Hause lässt Joachim seinen Frust an Ehefrau Meike (Lina Beckmann) aus und auch Felix drangsaliert seine Mutter, wo er nur kann. Die Ermittler blicken in einen familiären Abgrund.

Klugscheißer sind voll im Trend

Erinnert an einen Horrorfilm
Foto: HR
"Wie schwer ist so eine Programmplanung eigentlich?", mag sich der ein oder andere Zuschauer fragen, wenn wieder einmal nur wenige Wochen zwischen zwei Fällen desselben "Tatort"-Teams liegen oder sich drei Folgen in einem Monat mit der gleichen Thematik beschäftigen. "Unter Kriegern" ist so ein Beispiel. Vor sechs Tagen geriet in "Zeit der Frösche" ein altkluge Sprüche aufsagender Dreizehnjähriger unter Mordverdacht. Dieses Mal ist es ein Zwölfjähriger, der in den Fall verwickelt ist und nicht altersgemäß spricht ("Das ist pädagogisch kontraproduktiv. Das wird mein Vater bei der nächsten Elternversammlung zur Sprache bringen müssen. So geht das nämlich nicht."). Eine andere unglückliche Platzierung ist das Casting von Stefan Konarske. Sein Ausstieg aus dem Dortmunder "Tatort" liegt gerade einmal ein Jahr zurück und wird den meisten Zuschauern daher noch gut in Erinnerung sein. Wäre sein Charakter in "Unter Kriegern" so außergewöhnlich, dass Konarske besonders gut gepasst hätte, könnte ich die Entscheidung nachvollziehen. Doch Hausmeister Sven Brunner ist das klassische TV-Beispiel eines geläuterten Ex-Kriminellen, der sich darüber aufregt, dass die Ermittler ihn wegen seiner Vorgeschichte als Erstes verdächtigen. Also eine Rolle, die auch von einem anderen Darsteller hätte verkörpert werden können. Der missverstandene, ehemalige Straftäter und das frühreife, nervige Kind sind nicht die einzigen schablonenhaften Charaktere. Das beste Beispiel ist der cholerische Joachim Voss, dessen Verhalten nicht einfach daher rührt, dass er Spaß an Sadismus hat, sondern die stereotypische Folge eines Kindheitstraumas ist. Die Angst und den Hass seiner Figur stellt Golo Euler sehr anschaulich dar. Auch die anderen Schauspieler zeigen durchweg solide Leistungen. Es ist dennoch schwierig, sich in einige Charaktere hineinzuversetzen. So tauchen an einer Stelle im "Tatort" kompromittierende Bilder auf, bei denen der Zuschauer zwar erfährt, wann sie geschossen wurden, aber nicht aus welcher Motivation heraus. Das kann nur gemutmaßt werden. Dasselbe gilt für die Schlussminute, in der eine wild entschlossene, scheinbar furchtlose Figur plötzlich und ohne klar erkennbaren Grund von ihrer Mission ablässt. Beide Beispiele kann ich leider nicht präzisieren, ohne die Handlung massiv zu spoilern.

Ein Hoch auf die entspanntesten Krimi-Ermittler!

Fanny, Brix und Janneke (v.l.) sind locker befreundet
Foto: HR/Bettina Müller
Dabei wäre das nicht einmal tragisch, denn der Mordfall spielt nur eine untergeordnete Rolle. Im Zentrum der Geschichte stehen Familie Voss und ihre Beziehungen untereinander. Eine ähnliche Konstellation gab es bereits vor drei Wochen im Kölner "Tatort: Mitgehangen". Im Vergleich dazu ist "Unter Kriegern" eine deutliche Verbesserung. Die Figuren agieren zwar undurchsichtig und klischeehaft, doch die Konfrontationen sind prickelnd (Meike zu ihrem Sohn: "Du bist ein Monster, eine Missgeburt! Ich hätte dich wegmachen lassen sollen!"). Die Konflikte nehmen einen Großteil der Handlung ein und geben ihr die Spannung, die beim Mordfall nicht so recht aufkommen will. Dabei gibt es mehrmals kleine Rückblicke, die zeigen, wie das elfjährige Opfer verzweifelt versucht, sich mit bloßen Händen aus seiner dunklen Todesfalle zu befreien. Die Szenen sind herzzerreißend und berühren mehr als all die Ängste und der Hass der anderen Charaktere. Kein Wunder also, dass Kommissarin Janneke am Tatort mit den Tränen ringt. Für mich gehören die Frankfurter zu den Top 5 der aktuellen Sonntagskrimi-Teams. Das liegt vor allem daran, dass sich die Ermittler nicht in den Vordergrund drängen. An fast allen anderen Standorten sind die Marotten oder Beziehungen der Kommissare omnipräsent und müssen in jeder Folge zwanghaft thematisiert werden. Janneke und Brix sind hingegen herrlich unaufgeregt und rund, ohne dabei langweilig zu wirken. Beispielsweise ist Annas kurzer Gefühlsausbruch zu Beginn ein einmaliges Ereignis. Bei den meisten anderen Teams hätte sie sich wohl als dauer-betroffenes, emotionales Wrack durch die restlichen 80 Minuten geschleppt. Es gibt lediglich eine kleine Neuigkeit aus dem Privatleben der Protagonisten: Brix und seine Vermieterin Fanny (Zazie de Paris) sind auf der Suche nach einer neuen Bleibe, nachdem ihr Haus im letzten Fall "Fürchte dich" erst von Geistern heimgesucht wurde und dann abgebrannt ist. Ansonsten treten die Kommissare in diesem "Tatort" anstandslos in den Hintergrund und überlassen den Nebencharakteren und deren Gefühlen die Bühne.
Fosco Cariddi (2.v.l.) hat keinerlei Funktion
Foto: Foto: HR/Bettina Müller
Die nervtötende Ausnahme ist zum wiederholten Mal Kommissariatsleiter Fosco Cariddi (Bruno Cathomas). Er hat bislang noch nie etwas Produktives zu einem Fall beigetragen, die Ermittler in irgendeiner Weise unterstützt oder zurechtgewiesen. Er taucht meist nur wenige Minuten auf, um mit verklärtem Blick Bücher zu rezitieren - dieses Mal ist es die Bibel. Für den Fall interessiert er sich in "Unter Kriegern" gar nicht. Denn zu Beginn der Folge wird er von einem Unbekannten verletzt und setzt danach alles daran, den Übeltäter zu finden. Diese wenige Minuten lange Nebenhandlung wirkt nicht nur ablenkend und völlig unpassend, sondern gipfelt auch noch in einer sinnlosen Auflösung. Es scheint, als sei Drehbuchautor Volker Einrauch gezwungen worden, den nutzlosen Chef einzubauen und die inhaltslose Schläger-Geschichte war seine künstlerische Rache. Cariddi ist jedoch nicht der einzige Charakter, der ein seltsames Verhalten an den Tag legt. In einer Szene schneidet sich Meike Voss mit einem Messer absichtlich in die Hand und schmiert das Blut dann ihrem Sohn ins Gesicht. Dessen Mitschülerin Louisa Berents (Josefine Keller) trifft derweil die unglaublich kluge Entscheidung, alleine durch ein Feld zu laufen (Das nicht weit entfernt von einer Siedlung liegt!), obwohl sie seit Tagen Drohanrufe bekommt. Wie bereits oben angesprochen: Leider kann der Zuschauer den meisten Figuren in diesem Krimi nur vor den Kopf schauen.

Fazit

"Unter Kriegern" gehört nicht zu den guten Folgen des Frankfurter Teams, ist im "Tatort"-Gesamtvergleich aber dennoch ein solider Fall. Die Ermittler halten sich angenehm im Hintergrund und lenken weder durch private Probleme noch ihre eigenen Gefühle von der Handlung ab. Die hat zwar eine vielversprechende Ausgangssituation, ist aber letztendlich aufgrund von vielen Logikschwächen und einem stereotypen Ablauf nur mäßig spannend. Das interessante Familiendrama kann diese Schwächen zum Teil ausgleichen, da es deutlich aufregender und lebendiger gestaltet wird als in den letzten "Tatorten" mit ähnlichem Szenario. Leider bleiben die Charaktere dabei weitestgehend undurchsichtig, sodass ihre Motivationen nicht immer nachvollziehbar sind. Wirklich schlecht ist in diesem Krimi aber nur die Mini-Nebenhandlung um den Kommissariatsleiter.


In der nächsten Woche muss das fünfköpfige Nürnberger Team in "Ich töte niemand" einen grausamen Doppelmord aufklären. Kurz darauf stirbt ein Kollege des Betrugsdezernats, der vergeblich versucht hatte, Kommissarin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) vor der Tat zu erreichen. Ein Indiz lässt vermuten, dass es zwischen den Todesfällen eine Verbindung gibt.

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