Freitag, 6. Juli 2018

Netflix Original Filme - Kurzrezensionen (Teil 5)

"Netflix" bringt jeden Monat mehrere neue Eigenproduktionen heraus. In unserer Reihe "Kurzrezensionen" stellen wir regelmäßig drei davon vor und fassen zusammen, ob sich das Angucken lohnt. Dabei rezensieren wir sowohl Serien als auch Filme und das Querbeet durch alle Genre hindurch. Diesmal geht es wieder um Filme. In der Vergangenheit haben wir uns bereits Horrorstreifen wie "Little Evil" und Romanzen wie "When We First Met", aber auch Actionfilme wie "Spectral" und Dramen wie "Kodachrome" gewidmet. 


Tau

Die Grafik ist nicht immer so gut
Foto: Netflix
Julia (Maika Monroe) wohnt in einer dreckigen Absteige und verdient ihr Geld damit, Menschen in billigen Nachtclubs zu bestehlen. Eines Abends wird sie in ihrer Wohnung überfallen und betäubt. Als sie aufwacht, ist sie an eine Liege gefesselt, geknebelt und verkabelt. Später wird sie in einen dunklen Käfig gebracht, in dem bereits zwei andere, ebenfalls gefesselte und geknebelte, Menschen (Fiston Barek, Ivana Zivkovic) eingesperrt sind. Julia realisiert, dass sie alle drei ein Implantat in ihrem Nacken eingesetzt bekommen haben. Mit einer List gelingt es Julia, das Labor und den Käfig zu zerstören und mit ihren Mitgefangenen abzuhauen. Die beiden werden jedoch während der Flucht von einem aggressiven Roboter getötet. Bevor er auch Julia umbringen kann, wird er von ihrem Entführer (Ed Skrein) davon abgehalten. Sein Name ist Alex. Er ist Leiter eines großen Technikunternehmens und entwickelt künstliche Intelligenzen. Eine davon ist Tau, die in seinem Haus integriert ist und auch den Killer-Roboter steuert. Alex hat Julia und mehrere andere Menschen, die aufgrund ihrer niedrigen sozialen Stellung von niemandem vermisst werden, gekidnappt, um ihre Hirnaktivitäten aufzuzeichnen. Da das Labor zerstört ist, kann sich Julia nun etwas freier bewegen, wird aber weiterhin gezwungen, bestimmte Tests zu absolvieren. Bald erfährt sie, dass Alex Tau von der Außenwelt abschottet und die sehr neugierige künstliche Intelligenz so gut wie nichts weiß. Im Gegenzug für Informationen, bittet sie Tau um die Hilfe bei ihrer Flucht.

Zu Beginn ähnelt "Tau" einem Horrorfilm
Foto: Netflix
Diese Inhaltsangabe mag klingen, als hätte ich damit schon den ganzen Film verraten. Zum Teil stimmt das auch, denn es geschieht nur sehr, sehr wenig. Es gibt ein paar Sequenzen (zum Beispiel Gespräche zwischen Julia und Tau, Aufnahmen von leuchtenden, digitalen Anzeigen...) und Sätze, die immer wiederholt werden. Nur zu Beginn und gegen Ende kommt ein bisschen mehr Leben in die träge Handlung. Andererseits muss die Geschichte ausführlich erklärt werden, da sie zwar simpel klingt, aber dennoch ziemlich verstrickt ist. Denn "Taus" ganz große Schwachstelle ist das Nicht-beantworten sämtlicher aufkommender Fragen. Der Zuschauer erfährt nicht, was Alex eigentlich genau erreichen will, weshalb er seine Forschung geheim hält und was Julia so besonders für das Experiment macht. Als Tau Julia mit Fragen zur Außenwelt löchert, habe ich ihn jedenfalls sehr gut nachvollziehen können. Nichts ist nerviger, als keine Antworten zu bekommen. "Tau" hat dadurch keinerlei Substanz, da nicht klar ist, wie die Handlung oder die Charaktere einzuordnen sind. Der Science-Fiction-Streifen hat mich in dieser Hinsicht und von der Geschichte her an "The OA" erinnert - die schlechteste "Netflix"-Serie, die ich je gesehen habe
Tau (hinten) weiß nicht mehr, wem er gehorchen soll 
Foto: Netflix
So grottig ist der Ende Juni 2018 erschienene Film nicht, da die Schauspieler deutlich besser sind als bei "The OA" und er einige beachtenswerte Themen aufwirft. Es gibt unzählige Handlungen über künstliche Intelligenz. In den meisten entwickelt die Technologie ein Eigenleben und wendet sich gegen die Menschen oder wird durch einen Funktionsfehler "böse". Hier wird ein viel spannenderer Aspekt angegangen: Tau verhält sich wie ein kleines Kind. Er ist neugierig, stellt Fragen und ist sich nicht über die Folgen seines Handelns bewusst. Dadurch wächst er sowohl Julia als auch dem Zuschauer ans Herz, obwohl er noch kurz zuvor zwei Menschen getötet hat. Dieses moralische Dilemma ist spannend und ungewöhnlich, da die KI-Technologie nicht einfach verteufelt, sondern von verschiedenen Seiten beleuchtet wird. Es ist auch interessant zu sehen, wie die junge Frau versucht, völlig alltägliche Dinge, wie Bäume oder Häuser, zu erklären, sodass der völlig unwissende Tau sie verstehen kann. Dasselbe gilt für die aufgeworfenen Fragen, wie "Schuldet man den Menschen, die einen `erschaffen´ haben etwas?" oder "Was macht eine Person zu einer Person?" Besonders eindrucksvoll ist in dieser Hinsicht eine Szene, in der Tau einen Tobsuchtsanfall bekommt - wie ein kleines Kind - und immer wieder schreit, dass er eine Person sei. Es ist deutlich zu merken, wie viel Angst die künstliche Intelligenz vor der Frage nach der eigenen Existenz hat. All das ist hochspannend, verläuft sich aber vollkommen, um Platz für übertrieben blutige Actionszenen zu machen. "Tau" hat sehr großes Potenzial, das leider größtenteils verschenkt wird. Hier wäre es deutlich sinnvoller gewesen, die Geschichte in einer Serie zu verarbeiten, um genug Zeit zu haben, um Lösungsvorschläge für die gestellten Fragen zu finden und dem Zuschauer die menschlichen Charaktere näher zu bringen.


Ihr Motto ist Widersprechen 
Foto: Netflix
Lona Skinner (Sami Gayle) und Bennett Russell (Jacob Latimore) haben nur wenig gemeinsam: Sie besuchen dieselbe exklusive Schule, sind die einzigen Mitglieder des dortigen Debattierclubs und können sich nicht sonderlich leiden. Ansonsten sind die beiden grundverschieden. Bennett ist der Sohn der erfolgreichen Politikerin Julia Russell (Uzo Aduba), die ihren guten Freund Barack Obama gebeten hat, Bennett eine Empfehlung für Yale zu schreiben. Lona wächst nach dem frühen Tod ihres Vaters bei ihrer Mutter Amy (Christina Hendricks) auf und muss immer aufs Geld schauen. Durch ihren Ehrgeiz und ihre Intelligenz hat sie ein Stipendium für die Schule bekommen und hofft nun, es so auch nach Harvard zu schaffen. Um ihre Chancen für die Aufnahme an den Elite-Universitäten zu verbessern, wollen die zwei Debattierchampions eine weitere Meisterschaft gewinnen. Allerdings können sie diesmal nicht individuell antreten, sondern müssen ein Team bilden. Da beide Einzelkämpfer sind, gestaltet sich das als schwierig, zumal auch ihre Mütter mitmischen, die sich schon in der Schulzeit nicht leiden konnten. Lediglich Vertrauenslehrerin Kathy (Helen Hunt) versucht zwischen Lona und Bennett zu vermitteln.

Die Mütter wollen helfen, wissen aber nicht wie
Foto: Netflix
Ich hatte "Candy Jar" schon eine ganze Weile auf meiner Liste, habe aber lange gebraucht, um mir den Film tatsächlich anzusehen. Die Beschreibung und der Trailer ließen darauf schließen, dass es sich dabei um einen typischen, klischeehaften Teeniestreifen handelt, in dem zwei gegensätzliche Jugendliche gezwungen sind, zusammenzuarbeiten und sich dann ineinander verlieben. Die Geschichte um Lona und Bennett geht zwar grob in diese Richtung, unterscheidet sich aber dennoch stark von Streifen mit einer ähnlichen Ausgangssituation. Zum einen fehlen die ganzen typischen Charaktere, die normalerweise in einem Jugendfilm vorkommen. Es gibt keine arroganten Sportler, keine egoistische Homecoming-Königin, keine altkluge beste Freundin oder einen albernen Klassenclown. Um genau zu sein, kommen so gut wie keine Teenager vor. Zwischendurch treten zwei Zwillingsbrüder dem Debattierclub bei. Deren einzige Funktion ist es jedoch, Fragen zum wettkampfmäßigen Debattieren zu stellen, damit es der Zuschauer nicht googlen muss. Ansonsten reden Lona und Bennett nur mit dem jeweils anderen oder mit ihren erwachsenen Bezugspersonen. Eine sehr akkurate Darstellung eines "Nerds", die in Filmen normalerweise eher verzerrt wird. Aber das kommt in "Candy Jar" so gut wie gar nicht vor. Zwar überlegen die beiden Protagonisten zwischenzeitlich, ob sie eine "normale" Zeit auf der High School hatten, aber sie ändern sich deswegen nicht. Sie sind einfach arbeitswütig, ehrgeizig und auf ihre Zukunft fixiert. Das wird aber nicht als verwerflich oder falsch dargestellt und die Charaktere haben auch keinen Sinneswandel am Schluss. Stattdessen endet der Film mit einer ähnlichen Szene, wie es sie schon zu Beginn gab, die zeigt, dass Lona und Bennett mit sich selbst im Reinen sind. Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine so realistische und wertfreie Darstellung von intelligenten Jugendlichen gesehen zu haben, die sich willentlich gegen ein "normales" Teenieleben entschieden haben.
Lona und Bennett stehen zu ihren Eigenarten
Foto: Netflix
Auch die anderen Themen des Films sind deutlich fundierter und erwachsener als in den meisten anderen dieses Genres. Das Debattierthema bei den Wettbewerben ist, ob Collegebildung umsonst oder weiterhin kostenpflichtig sein sollte. Dabei werden einige interessante Aspekte aufgeworfen, vor allem, als die Protagonisten gegen zwei Mädchen antreten, die nicht mit Fakten um sich werfen, sondern ihre eigenen Erfahrungen einbringen. Die Tatsache, dass Lona aus ärmlichen Verhältnissen stammt, wird in diesem Zusammenhang leider ein wenig vernachlässigt. Zwar erzählt ihre Mutter ständig, dass es ihnen an Geld mangelt und das Haus nicht so schön sei, aber ansonsten ist dieser Aspekt nicht wirklich bemerkbar. Hier wäre das Prinzip "Show don't tell" angebracht gewesen. Mein zweiter und tatsächlich schon letzter Kritikpunkt ist ein Logikloch: Obwohl vor jedem Debattierduell festgelegt wird, wer welche Seite vertritt, sind die beiden oben erwähnten Mädchen bis ins Finale gekommen. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass sie kein einziges Mal für Studiengebühren argumentieren mussten. Aber wie hätten sie das bewerkstelligt, wenn sie keine Fakten, sondern nur eigene Erfahrungen mit den negativen Konsequenzen von teurer Bildung parat hatten? Mal abgesehen von diesen beiden Punkten ist "Candy Jar" ein unterhaltsamer Film. Das liegt unter anderem daran, dass nicht nur auf die üblichen Klischees, sondern auch fast vollständig auf die typische Liebesgeschichte verzichtet wird. Es gibt zwar Gefühle zwischen Lona und Bennett, doch die spielen nie eine zentrale Rolle und wirken immer angenehm unterschwellig. Stattdessen hat "Candy Jar" einige dramatische Elemente. Besonders eine Szene ist herzzerreißend und zeigt eindrücklich, wieso dem titelgebenden Süßigkeitenglas so viel Bedeutung beigemessen wird. Mehr kann ich leider nicht verraten, ohne eine wichtige Wendung zu spoilern. Denn die kommt wirklich überraschend - im Gegensatz zu der am Ende. Ich habe mir bereits am Anfang gedacht, dass das Universitäten-Szenario so aufgelöst werden würde. Alles in allem ist "Candy Jar" ein wirklich sehenswerter Film!


Set It Up

Lauter langweilige Charaktere
Foto: Netflix
Die 25-jährige Harper (Zoey Deutch) arbeitet als persönliche Assistentin für Kirsten (Lucy Liu), die Chefredakteurin eines Online-Sportmagazins. Von morgens bis abends muss sie die Launen ihrer Chefin ertragen und häuft Berge an Überstunden an. Eines Nachts begegnet sie ihrem männlichen Pendant Charlie (Glen Powell). Der 28-Jährige ist Assistent des Risikokapital-Anlegers Rick (Taye Diggs) und muss ein ähnliches Arbeitsklima wie Harper ertragen. Beide machen ihren Job nur, um später von der Stellung und den Kontakten ihres jeweiligen Bosses zu profitieren. Im Spaß schlägt Charlie vor, dass sie Kirsten und Rick verkuppeln könnten, da diese dann weniger Zeit im Büro verbringen würden. Nach einer Weile willigt Harper ein und die zwei schmieden allerhand Pläne, damit sich ihre Chefs ineinander verlieben. Dazu zählen ein gemeinsames Feststecken im Aufzug, ein Kisscam-Kuss bei einem Baseball-Spiel und zahlreiche Geschenke, die Harper und Charlie für ihren jeweiligen Boss aussuchen. Schließlich beginnen Rick und Kirsten tatsächlich eine Beziehung, wodurch ihre Assistenten mehr Freizeit haben. Eine Weile lang sind alle vier zufrieden, doch dann häufen sich die Probleme.

Rick und Kirsten haben absolut keine Chemie
Foto: Netflix
Romantische Komödien gehören zu den Genre, die ich am wenigsten mag. Sie sind mir zu albern, zu absehbar und zu eintönig. Der ähnlich gelagerte "Netflix"-Film "When We First Met" hat mich jedoch gut unterhalten und zu "Set It Up" hatte ich einige positive Kommentare gelesen, daher habe ich ihn mir angesehen. Im Gegensatz zu "Candy Jar", von dem ich mir wenig versprochen hatte und angenehm überrascht wurde, hat mich der neue Streifen extrem enttäuscht. Die Geschichte ist so langweilig, dass ich mehrere Anläufe gebraucht habe, um den Film überhaupt zu Ende zu gucken. Er ist klischeehaft und vorhersehbar wie fast alle romantischen Komödien, hat aber auch sonst keinerlei interessante Wendungen oder frische Ideen, die der Handlung irgendwie Schwung verleihen. Eine Stunde und 45 Minuten Laufzeit wäre mehr als genug gewesen, um irgendein Alleinstellungsmerkmal zu finden, mit dem sich die Geschichte von ähnlichen abgehoben hätte. Stattdessen passiert nicht viel mehr als das, was bereits im knapp über zwei Minuten langen Trailer zu sehen ist. Letztendlich dreht sich "Set It Up" überhaupt nicht um das titelgebende Verkuppeln, sondern um Charlies und Harpers fruchtlose Versuche, die große Liebe und einen Sinn in ihrem Leben zu finden. 
Harper und Charlie sind ganz nett, mehr auch nicht
Foto: Netflix
Das wäre noch tragbar, wenn zumindest die Charaktere charmant und sympathisch wären. Das ist aber nicht der Fall. Die beiden Assistenten sind das wandelnde Klischee eines hart arbeitenden Millenials, der Karriere machen möchte, aber durch einen ignoranten Boss daran gehindert wird. Diese Chefs haben natürlich keinen Funken Menschlichkeit in sich und werden regelmäßig körperlich wie verbal ausfallend. Dazu kommen noch der beste Freund (Pete Davidson) des Protagonisten und die beste Freundin (Meredith Hagner) der Protagonistin, die nichts weiter tun, als treudoof zu sein, außer es geht darum, die Verliebtheit ihres Gegenübers zu erkennen. Natürlich darf auch die obligatorische gefühlskalte, egoistische Freundin (Joan Smalls) des Hauptcharakters nicht fehlen, die nur auf dessen Geld und Ansehen aus ist. Harper und Charlie agieren relativ geschmeidig miteinander und wirken besonders in einer Szene, in der sie sich eine Pizza teilen, erfrischend realistisch. Alle anderen Figuren und ihre Beziehungen untereinander wirken nur steif und erzwungen. Die vermeintliche große Liebe zwischen Kirsten und Rick ist für den Zuschauer beispielsweise überhaupt nicht nachvollziehbar, da die beiden kaum gemeinsam zu sehen sind. Charaktere und Handlungen erscheinen so herzlos zusammengewürfelt, dass der Film einfach keinen Spaß macht. Es fehlt ihm schlicht und ergreifend an Seele und Substanz.


Das waren meine "Netflix"-Kurzrezensionen. Da der Streaming-Anbieter immer wieder neue Serien und Staffeln herausbringt, wird es sicher nicht der letzte Beitrag zu diesem Thema sein. Alle Posts zum Thema "Netflix" findet ihr hier.

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