Samstag, 22. Juli 2017

Netflix Original Serien - Kurzrezensionen (Teil 2)

Momentan ist Sommerpause im deutschen Fernsehen und nicht nur da, auch die meisten Serien aus anderen Ländern liegen in den warmen Monaten auf Eis. Wie gut, dass es Streaming-Anbieter gibt, deren Eigenproduktionen immer bereit stehen und die uns regelmäßig mit neuem Material versorgen.
In einem früheren Post habe ich bereits die "Netflix"-Originalserien "Sense8", "Paranoid" und "3%" vorgestellt (hier kommt ihr zum Beitrag). Im zweiten Teil rezensiere ich nun drei andere Formate. Vielleicht findet der ein oder andere ja eine Sendung, die er während des langen Fluges in den Urlaub oder an einem verregneten Sommertag "bingewatchen" kann. Klickt auf die Titel, um euch die Trailer anzuschauen.

An dieser Stelle gehe ich auf Serien ein, die "Netflix" selbst als "Netflix Original" bezeichnet, obwohl sie teilweise auch im Fernsehen ausgestrahlt oder von Drittanbietern produziert wurden. Da ich alle englischsprachigen Serien in der Originalversion angesehen habe, kann ich keine Aussagen zu der Qualität der deutschen Synchronisation treffen.


Between

Wer wird überleben?
Foto: Netflix
"Between" ist eine kanadische Serie, die von "Netflix" koproduziert wurde. Dabei geht es um den kleinen Ort Pretty Lake, in dem plötzlich mehrere Menschen tot zusammenbrechen. An den darauffolgenden Tagen sterben alle Einwohner, die über 21 Jahre alt sind. Die Stadt wird abgeriegelt und die Überlebenden sitzen in der Quarantänezone fest. Die Teenager versuchen verzweifelt ihren jüngeren Geschwistern und Nachbarskindern einen halbwegs strukturierten Alltag zu ermöglichen. Doch Trauer und Lebensmittelmangel lassen die Stimmung schnell umschlagen.

Mir gefällt an "Between" besonders, dass sich die Handlung nicht auf eine Handvoll Hauptcharaktere konzentriert, sondern der Fokus auf vielen Figuren liegt. Dabei ist niemand sicher, was die Sendung kurzweilig und spannend macht. Die Protagonisten selbst sind jedoch nicht sonderlich kreativ aufgebaut. Da wäre beispielsweise die schwangere Pfarrerstochter Wiley (Jennette McCurdy). In Trailern und Inhaltsangaben scheint es, als sei sie die zentrale Figur. Das ist vermutlich dem Fakt geschuldet, dass Jennette McCurdy das bekannteste Gesicht der Darstellerriege ist. Ihre Rolle ist jedoch sehr einseitig und trägt nicht viel zur Handlung bei. Dasselbe gilt für eine Vielzahl anderer Charaktere. Man nimmt vielen von ihnen auch nicht ab, dass sie 21 Jahre oder jünger sein sollen. Besonders Bauernsohn Gord (Ryan Allen) wirkt eher wie ein weiser alter Mann als ein Teenager, der gerade den Großteil seiner Familie verloren hat. Seine kleine Schwester Frances (Shailyn Pierre-Dixonist jedoch ein Beispiel für eine gelungene Figur. Sie ist hin und her gerissen zwischen ihrem Bruder, der bereitwillig die halbe Stadt mit Lebensmitteln von ihrem Hof versorgt und dem eigenen Überlebenswillen. 
Gord und Frances haben unterschiedliche Ansichten
Foto: Netflix
Hier liegt einer der großen Pluspunkte von "Between". Es gibt Dutzende bekannte Geschichten, in denen das Überleben einer Gruppe Jugendlicher im Vordergrund steht (beispielsweise die "Netflix"-Serie "3%" oder die bekannte Reihe "Die Tribute von Panem"). Auch hier ist das der Kern der Handlung, nur handelt es sich bei den zentralen Charakteren nicht ausschließlich um Teenager . In Pretty Lake gibt es auch noch Kleinkinder, die plötzlich ohne Eltern dastehen und von den jugendlichen Protagonisten versorgt werden müssen. Mit Frances, sowie ihrem Freund Harrison (Percy Hynes Whitegibt es deutlich jüngere Hauptcharaktere, die völlig anders denken und handeln als ihre älteren Geschwister. Dadurch bleibt die Gruppendynamik lebhaft und interessant. Was dringend notwendig ist, denn mit Adam (Jesse Carere) hat "Between" eine der mit Abstand einschläfernsten Figuren aller Zeiten. Die langsame, völlig emotionslose Sprech- und Spielweise von Carere könnte schon fast als Stilmittel durchgehen - wäre seine Rolle Adam nicht der Kernpunkt der Geschichte, da er dem Geheimnis von Pretty Lake letztendlich auf die Spur kommt.
Wiley und Adam wollen raus aus Pretty Lake
Foto: Netflix
Die Auflösung ist nur bedingt glaubwürdig, was mich normalerweise sehr stört. Bei "Between" war das nicht der Fall. Durch die Dynamik der Figuren hatte ich zwischenzeitlich völlig vergessen, dass die Ursache des Massensterbens noch aufgeklärt werden muss. In der zweiten Staffel, die meiner Meinung nach deutlich besser ist als die erste, liegt der Fokus stärker auf dieser Frage und der Suche nach einem Heilmittel oder Fluchtweg aus der Quarantäne. Leider ist noch nicht bekannt, ob die Serie um eine dritte Staffel verlängert wurde. Da die Zweite mit einem großen Cliffhanger endet und das Schicksal der verbleibenden Protagonisten ungewiss ist, würde ich gerne erfahren, wie es weitergeht. Außerdem werden in die Handlung immer wieder Themen wie Zwei-Klassen-Gesellschaft, Egoismus versus Altruismus oder Anarchie eingebunden. Ich fände es spannend zu sehen, wie sich diese Problematiken durch die Situation am Ende der zweiten Staffel vertiefen.


The OA

Vom Himmel sieht man in der Serie wenig
Foto: Netflix
Um es gleich vorweg zu nehmen: "The OA" ist in meinen Augen die mit Abstand schlechteste "Netflix"-Produktion, die ich bislang gesehen habe. Dabei hat mich der Trailer von der ersten Sekunde an gefesselt. Eine junge Frau (Produzentin und Co-Drehbuchautorin Brit Marling) springt von einer Brücke. Sie heißt Prairie Johnson und ist vor sieben Jahren plötzlich verschwunden. Im Krankenhaus finden die Ärzte furchtbare Narben auf ihrem Rücken. Doch die Protagonistin will der Polizei und ihren Adoptiveltern nicht sagen, wo sie in die ganze Zeit über war und woher sie die Narben hat. Das Mysteriöseste: Bei ihrem Verschwinden war sie blind, nun kann sie wieder sehen. Prairie, die sich nun "The OA" nennt, sucht durch ominöse Online-Botschaften nach Mitstreitern. Vier High School Schüler und ihre Lehrerin folgen dem Aufruf ohne zu wissen, worauf sie sich einlassen. Nacht für Nacht erzählt ihnen "OA" nun, was in den vergangenen sieben Jahren geschehen ist.

OA (Mitte) erzählt ihre Geschichte
Foto: Netflix
Die vielen Mysterien und die völlig unterschiedlichen Charaktere (Zu "OAs" fünf Anhängern zählen ein rücksichtsloser Schläger; ein zielstrebiger Einserschüler; ein Transgender-Junge, der illegal Testosteron kauft; ein Kiffer mit trauriger Vorgeschichte und eine unbeliebte Lehrerin) versprechen eine abwechslungsreiche, undurchsichtige Serie. Leider versucht die Geschichte in meinen Augen zu geheimnisvoll, zu mysteriös und zu ungewöhnlich zu sein. Daraus resultiert eine konfuse Handlung, die sich vor allem darauf verlässt, dass die Zuschauer so begeistert von der Originalität sind, dass sie nichts hinterfragen. 
Die noch schrägeren Posen würden leider spoilern
Foto: Vulture/Netflix
Das Alleinstellungsmerkmal der Serie besteht leider vor allem darin, sich selbst viel zu ernst zu nehmen. "The OA" ist zwar schräg, doch wenn die Geschichte mit einem Augenzwinkern erzählt werden würde, wie die nächste Serie in dieser Liste, wäre sie vielleicht richtig gut. Aber leider wird die Handlung derart seriös und dramatisch verpackt, dass sie unfreiwillig komisch wirkt. Am deutlichsten zeigt sich das in den geheimnisumwobenen Bewegungen, die Prairie ihren Mitstreitern beibringt. Sie ähneln eher dem interpretativen Ausdruckstanz einer Kindersportgruppe als kraftvollen, bedeutungsschweren Posen. Spätestens als sie zum ersten Mal gezeigt wurden, wollte ich ausschalten. Doch da ich es nicht leiden kann, wenn Menschen etwas nur zur Hälfte lesen oder sehen und sich hinterher darüber auslassen, bin ich bis zum Ende dabei geblieben. Leider ging es immer weiter bergab. Der Showdown in der letzten Folge ist dermaßen diffus und völlig haltlos, dass er nicht einmal mehr zum Rest der Sendung passt. Davor wird "OAs" neuen Freunden mehrfach nahegelegt alles Gehörte zu hinterfragen. Daher habe ich die Hoffnung, dass in der zweiten Staffel herauskommt, dass Prairie alles nur erfunden hat und ihre tatsächliche Geschichte deutlich spannender, mysteriöser und weniger dramatisch überzogen ist.


Knallige Farben sind Kimmys Markenzeichen
Foto: Netflix
Im Alter von 14 Jahren wurde Kimmy Schmidt (Ellie Kemper) von einem religiösen Fanatiker gekidnappt und zusammen mit drei anderen Frauen in einen Bunker gesperrt. 15 Jahre lang erzählte er ihnen, dass sie die letzten Überlebenden der Apokalypse seien. Umso größer ist der Schock, als die vier eines Tages befreit werden und feststellen, dass die Welt nicht untergegangen ist. Im Gegensatz zu ihren Leidensgenossinnen, entscheidet sich Kimmy nicht nach Hause zurückzukehren, sondern in New York ihr Glück zu finden. Sie gründet eine WG mit dem schwulen, arbeitslosen Performancekünstler Titus Andromedon (Tituss Burgess) und wird Nanny im Haushalt der exzentrischen High-Society-Lady Jacqueline Voorhees (Jane Krakowski). Obwohl sie jeden Tag mit kindlich-naiver Freude angeht, ist es für Kimmy nicht einfach, sich in der ihr fremden Erwachsenenwelt zurechtzufinden, den Großstadtdschungel zu bezwingen und ihre traumatische Vergangenheit zu bewältigen.

v.l.: Jacqueline, Titus und Kimmy
Foto: Netflix
"Unbreakable Kimmy Schmidt" ist eine unglaublich witzige, kurzweilige Serie, die alles und jeden aufs Korn nimmt - am meisten sich selbst. In jeder Folge erlebt Kimmy ein neues Abenteuer, beispielsweise "Kimmy geht zum Arzt!", "Kimmy küsst einen Jungen!" oder "Kimmy sieht einen Sonnenuntergang!" Das klingt nicht nur wie eine Kinderbuchreihe, es wirkt auch so. Für die Protagonistin, die mit 14 Jahren entführt wurde, sind viele alltägliche Aktivitäten völlig neu. Plötzlich ist sie volljährig in der realen Welt, braucht einen Job, einen Sinn im Leben, zudem sucht sie nach der großen Liebe. Kimmys kindlich-naive Freude ist ansteckend und lässt selbst die normalsten Dinge wie aufregende Missionen erscheinen. Die anderen Charaktere sind ebenfalls herrlich überzeichnet, dennoch haben alle einen wahren Kern in sich. Titus, der verzweifelt versucht am Broadway als schwuler Dunkelhäutiger Fuß zu fassen; Jacqueline, die reich geheiratet und den Bezug zur Realität verloren hat (Jacqueline [nimmt eine Flasche Wasser aus einem Kühlschrank voller Wasserflaschen]: "Möchten Sie ein Wasser?"; Kimmy: "Nein, danke." [Jacqueline schmeißt die volle Flasche kommentarlos in den Mülleimer]), sowie Vermieterin Lilian (Carol Kane), die ihr verdrecktes New Yorker Viertel liebt und verhindern möchte, dass sich dort hippe Bio-Läden und Startups niederlassen ("Könnt ihr mir etwas Mehl leihen? Da draußen sind ein paar weiße Kids, die Kokain wollen."). Die Schauspieler sind sich dabei für nichts zu schade und haben sichtbar Spaß an ihren überdrehten Rollen.
Kimmy (vorne) und ihre Mitgefangenen im Bunker
Foto: Netflix
Während Kimmy und ihre Abenteuer in der ersten Staffel im Fokus stehen, rücken ab der zweiten auch die anderen Figuren in den Vordergrund. In der Dritten sind Titus, Lilian und besonders Jacqueline fast öfter zu sehen als Kimmy. Leider gleiten ihre Nebenhandlungen dabei ins Abstruse ab. Der Charme und die Naivität der ersten Staffel blitzen nur noch vereinzelt durch. Dennoch ist die Serie witzig und innovativ. Sie regt außerdem zum Nachdenken an. Mit Humor werden die verschiedensten Themen verarbeitet, darunter auch kontroverse, wie das Ruhigstellen von Kindern durch Medikamente oder die Abschiebung von illegalen Einwanderern. Da sich die Serie selbst nicht ernst nimmt, fällt es ihr leicht, den Zuschauern einen Spiegel vorzuhalten. Dennoch hat man nie das Gefühl belehrt zu werden. "Unbreakable Kimmy Schmidt" ist letztendlich vor allem witzig, fröhlich und liebenswürdig. Das zeigt sich schon im Titelsong, der einfach zum Mitsingen einlädt.


Das waren meine "Netflix"-Kurzrezensionen. Da der Streaming-Anbieter immer wieder neue Serien und Staffeln herausbringt, wird es sicher nicht der letzte Beitrag zu diesem Thema sein. Alle Posts zum Thema "Netflix" findet ihr hier.

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