Sonntag, 4. Juni 2017

Sherlock: Die sechs Thatchers - Rezension

- Der folgende Text enthält Spoiler -

Endlich läuft die vierte Staffel der beliebten BBC-Reihe "Sherlock" auch im deutschen Fernsehen. Wir haben uns die drei neuen Folgen angesehen.

Die vierte Staffel schließt nahtlos an die dritte an. Da das Finale allerdings schon drei Jahren her ist, hier eine kleine Erinnerung:
In "Sein letzter Schwur" verfolgt Sherlock Holmes (Benedict Cumberbatch) Charles Augustus Magnussen (Lars Mikkelsen). Der einflussreiche Medienunternehmer erpresst zahlreiche Menschen, mit dem Wissen, das er über sie gesammelt hat. Einer dieser Menschen ist Mary (Amanda Abbington), die Ehefrau von Sherlocks bestem Freund John Watson (Martin Freeman). Sie war früher eine Agentin und versucht nun mit ihrem alten Leben abzuschließen. Holmes lässt sich auf ein Geschäft mit Magnussen ein, doch er muss feststellen, dass der Unternehmer seine Informationen nicht in schriftlicher Form lagert. All sein gesammeltes Wissen hat er, ähnlich wie Sherlocks Gedächtnispalast, in seinem Kopf abgespeichert. Dementsprechend gibt es nur einen Weg, um Marys Geheimnis zu schützen: Sherlock erschießt Magnussen. Daraufhin schickt ihn sein Bruder Mycroft Holmes ("Sherlock"-Produzent Mark Gatiss) auf eine Mission ohne Wiederkehr nach Osteuropa. Doch wenige Minuten, nachdem das Flugzeug abgehoben hat, erscheint auf allen Bildschirmen in Großbritannien das Gesicht des toten Bösewichts Jim Moriarty (Andrew Scott), darunter die Worte "Miss Me?" Sherlock wird zurückgeholt, um sich einem weiteren Kampf mit dem intelligenten Moriarty zu stellen.

Sherlock ist wieder da - mehr oder weniger

Mary, Sherlock, Rosie und John ermitteln gemeinsam
Foto: BBC
Die vierte Staffel beginnt in einem dunklen Raum, in dem Mycroft zwei Mitgliedern der britischen Regierung und ihrer Sekretärin ein Video vorspielt. Es zeigt die Auseinandersetzung zwischen Sherlock und Magnussen. Allerdings wurde das Material manipuliert, sodass es danach aussieht, als hätte ein SEK-Beamter den Unternehmer erschossen. Die Beteiligten einigen sich darauf, diese Version zu verbreiten, um es Sherlock zu ermöglichen, problemlos mit seiner Suche nach Moriarty zu beginnen. Doch der hat zunächst wichtigere Dinge zu erledigen: Twittern (Mycroft liest vor: "'Habe wieder festen Boden unter den Füßen. Frei wie ein Vogel.' Würdest du das bitte ernst nehmen, Sherlock!"; Sherlock: "Ich nehme es ernst. Wie kommst du darauf, dass ich das nicht tue?"; Mycroft liest weiter: "#OhWhatABeautfiulMorning"). 
Nachdem Sherlock entlassen wurde, widmet er sich wieder dem Lösen von Fällen. Im Schnelldurchlauf sieht der Zuschauer verschiedene Klienten und ihre Anliegen. An dieser Stelle wird viel Potenzial verschenkt, da sich einige Szenarien wirklich spannend anhören (Wieso haben sie versucht eine Qualle zu verhaften?) und die skurrilen Krimifälle ein Markenzeichen der Serie sind. Leider gibt es in dieser Folge nur einen kleinen "Fall der Woche", der zwar eine verblüffende "Sherlock"-typische Auflösung hat, aber schon nach knapp 20 Sendeminuten abgehakt ist. Er dient lediglich als Einstieg für den übergeordneten Fall, bei dem mehrere Gipsbüsten der ehemaligen britischen Premierministerin Margaret Thatcher zerstört werden. Letztendlich dreht sich die Handlung jedoch um Mary Watson und ihre Vergangenheit als Agentin. Das Finale der dritten Staffel beschäftigte sich bereits mit diesem Thema, daher ist es nicht sonderlich spannend, die Geschichte in der nächsten regulären Folge direkt wiederaufleben zu lassen. Weiterhin wurde Mary bislang als äußerst fähige Killerin dargestellt. Doch in dieser Folge lässt sie sich von Sherlock auf sehr plumpe Art austricksen und auch ihr ehemaliger Kollege Ajay (Sacha Dhawan) ist dem Detektiv unterlegen. Vom Intellekt her mag das noch schlüssig sein, aber dass Sherlock dem Agenten bei einem körperlichen Kampf ebenbürtig ist, wirkt sehr unglaubwürdig. Genauso wie Marys Flucht, bei der weder klar wird, wie lange sie eigentlich weg war, noch wieso sie in das Haus geht, in dem sich auch Sherlock aufhält (Sie trägt zwar einen Peilsender bei sich, aber Holmes war vor ihr in dem Haus und der Sender zeigt nur wo sie sich aktuell befindet und nicht wo sie hingeht.). 
Sherlock und der eher träge Spürhund Toby
Foto: BBC
Es gibt jedoch auch Lichtblicke in dem sonst eher konfusen Fall. Etwa als Mary, Sherlock und John mit dem Spürhund Toby gelangweilt an einer Straßenecke stehen und darauf warten, dass er endlich eine Fährte aufnimmt. Das ist besonders witzig, weil die Szene völlig anders geplant war, aber am Set spontan umgeschrieben werden musste, da sich der Filmhund einfach nicht bewegen wollte. An dieser Stelle hat "Die sechs Thatchers" einen ähnlich sympathischen Charme wie die vorherigen Folgen.

Noch ein Watson

Rosies Paten bei ihrer Taufe - Onkel Sherlock twittert
Foto: BBC
Der Humor der ersten beiden "Sherlock"-Staffeln blitzt auch bei Geburt und Taufe von Mary und Johns Tochter Rosamund Mary Watson auf. Beispielsweise als John Sherlock mit dem Versprechen "Es gibt Kuchen!" überredet Taufpate zu werden. In der Kirche ist der Detektiv jedoch unablässig mit seinem Handy beschäftigt. Als Molly Hooper (Louise Brealey) ihn ermahnt, tippt er versteckt hinter seinem Rücken weiter (Pastor: "Liebe Taufpaten, sind Sie bereit den Eltern dieses Kindes bei Ihren Pflichten als christliche Eltern zu helfen?"; Molly und Mrs. Hudson (Una Stubbs): "Das sind wir." Molly knufft Sherlock in die Seite. Hinter seinem Rücken ertönt die mechanische Stimme von Siri: "Das habe ich leider nicht verstanden. Kannst du die Frage wiederholen?"). Die beste Reaktion kommt jedoch von Mycroft, als Sherlock ihm ein Foto der kleinen Rosie zeigt; "Warum sehe ich mir das an?"; "Das ist sie - Johns und Marys Baby."; "Oh, verstehe, ja. Wirkt sehr.... voll funktionsfähig."; "Etwas besseres fällt dir nicht ein?"; "Entschuldige, die sind noch nie so mein Fall gewesen."; "Babies?"; "Nein, Menschen." Diese Szenen zählen zu den wenigen lockeren, ansonsten ist die Folge eher düster. Sie wirkt auch gehetzt - wie beispielsweise bei Marys Flucht, die die Handlung in keinster Weise vorantreibt und in meinen Augen nur eine hektische Füllsequenz ist.
Abbington und Freeman trennten sich vor dem Dreh
Foto: BBC
Viele Zuschauer hatten bereits vor der Staffel vermutet, dass Mary sterben wird, daher ist das Ende der Folge nicht sehr überraschend. Die Umstände schon eher, denn sie verliert ihr Leben, indem sie Sherlocks rettet. Ich mag das Zusammenspiel von den beiden Charakteren sehr gerne, da Mary die einzige Person ist, der Holmes nicht ständig über den Mund fährt oder sie als dumm darstellt. Die beiden haben eine tolle Chemie - in meinen Augen viel mehr als Sherlock und John. Außerdem lockert Mary die Stimmung durch ihre bissigen Kommentare und ihre Abenteuerlust immer wieder auf. Aus diesem Grund war ich sehr enttäuscht, dass sie tatsächlich stirbt. Vor allem da die Szene für meinen Geschmack sehr melodramatisch ausfällt und die Spannung nicht halten kann. Dennoch ist Amanda Abbington eine tolle Schauspielerin und schafft es selbst in diese Szene etwas Humor hineinzubringen. 

Fazit

Dem Staffelauftakt "Die sechs Thatchers" fehlen viele Aspekte, die mir an den vorherigen "Sherlock"-Folgen gefallen haben. Anstelle einer rätselhaften Krimihandlung, werden viele Fälle angerissen und genauso schnell wieder aufgegeben. Stattdessen dreht sich wieder eine Folge um Marys Vergangenheit und Sherlocks Genialität. Auch der typische britische Humor fehlt an vielen Stellen. Weiterhin sind die bekannten und lieb gewonnenen Charaktere Molly Hooper, Mrs. Hudson und Inspektor Greg Lestrade (Rupert Graves) jeweils nur kurz zu sehen - Lestrade ist nicht einmal bei Rosies Taufe dabei. Stattdessen wird die Rolle von Mycroft ausgebaut, ohne dass der Zuschauer tatsächlich mehr über ihn erfährt (Wo er beispielsweise wohnt! Es scheint als wäre sein Zuhause ein Bunker.). Die Szenen mit Rosie und Toby sind jedoch gewohnt amüsant und die Auflösung des viel zu kurzen Mordfalls ist genauso schlicht wie clever.


Falls sich übrigens jemand fragt, was in dem Zettel stand, den Molly in Johns Auftrag an Sherlock weiterreicht: Schauspielerin Louise Brealey verriet bei der deutschen MagicCon, dass sich niemand am Set wirklich Gedanken darüber gemacht hätte und sie es daher vergessen hat.

Morgen Abend, nach dem neuen Berliner "Tatort - Amour fou", läuft die zweite "Sherlock"-Folge "Das letzte Problem". Am 11. Juni zeigt die ARD dann die dritte und letzte Episode.
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