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Emily Browning als Essie Macgowan
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Ich muss zugeben, dass ich diese Folge zu Beginn mit Skepsis geschaut habe. Denn spätestens nach den ersten 20 Minuten ist klar: Es wird vor allem eine Geschichte aus der Vergangenheit erzählt und die Haupthandlung dabei kaum weitergeführt. Da die Staffel mit nur noch einer kommenden Episode kurz vorm Finale steht, ist diese Entscheidung der Serienmacher doch überraschend. Ich frage mich jedenfalls, ob es in der letzten Folge zwischen den Göttern noch zu einem Showdown kommt, der die Neugier auf eine Fortsetzung der Serie weckt. Trotz allem hat mir "A Prayer for Mad Sweeney" wirklich gut gefallen. Hier wird eine vollkommen andere Stimmung geschaffen, denn die Handlung spielt im 18. Jahrhundert, zuerst in Irland, später in England und dann in Amerika. Besonders die Szenen in Irland haben durch die wunderschöne Landschaft und den Einsatz von irischer Volksmusik etwas Magisches an sich. Es geht außerdem nicht um Götter, sondern um die Geschichte von der jungen Frau Essie Macgowan, die an die Existenz von Kobolden und anderen magischen Wesen glaubt. Von ihrer Großmutter (Fionnula Flanagan) lernt sie, warum man den Wesen immer ein kleines Geschenk geben soll. (Essie: "Why do we leave them a gift?" Grandmother: "Because we want their blessings."). So ist sie zum Teil mit der Vergangenheit von Mad Sweeney verbunden, denn eines Tages bittet sie einen Kobold mit einer Goldmünze um einen Gefallen. Und dieser Kobold ist Sweeney. Er verhilft ihr immer wieder zu Glück und bestimmt dadurch mit, wie sich ihre Geschichte entwickelt. Mehrmals ist sie für Verbrechen angeklagt, für die sie hingerichtet werden soll. Doch jedes Mal entkommt sie diesem Schicksal, nachdem sie wieder ein Geschenk für den Kobold hinterlassen hat. Er tritt allerdings fast nie in Erscheinung, sondern führt seine Magie im Verborgenen aus. Essie begegnet ihm zweimal in ihrem Leben, erfährt allerdings nur beim letzten Besuch von ihm, dass er ein Kobold ist. Der Fokus liegt somit auf dem irischen Mädchen. Was diese Episode ebenfalls außergewöhnlich macht: Man verfolgt das gesamte Leben Essies von ihrer Kindheit bis zum Tod.
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Essie mag Katzen
Foto: starz |
Die Folge ist besonders durch das Schauspiel von Browning, die auch Laura Moon verkörpert, so fesselnd. Sie spielt sowohl den vorlauten Zombie als auch das leicht verträumte, aber genauso listige Mädchen aus Irland und das ist ihr toll gelungen. Essie ist ein viel gefühlvollerer Mensch und das bringt Emily Browning durch ihre warmherzige Sprechweise und ihre Mimik, die viel offener und freundlicher erscheint, gut zum Vorschein. Auch ihr irischer Akzent grenzt sie stark von Laura ab und zeigt die Wandlungsfähigkeit der Schauspielerin. Man hat zwar das gleiche Gesicht vor sich, aber trotzdem nicht das Gefühl, nur eine Person zu sehen. Da sie ihre zweite Rolle so toll spielt, war ich spätestens nach ihrem ersten Geschenk für den Kobold in der Geschichte investiert und gespannt, wie sie verläuft. Dass die Handlung in der Gegenwart währenddessen kaum weitergeht, ist dadurch tatsächlich irgendwann vergessen.
Begegnung mit einer Doppelgängerin?
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Sweeney und Laura setzen ihre Reise zu zweit fort
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Die Idee, Emily Browning für beide Rollen zu casten, finde ich wirklich interessant. Es lässt viel Raum zum Spekulieren: Könnte Laura eine entferne Nachkommin von Essie sein? Aus Neugier habe ich mich etwas schlau gemacht und in der Romanvorlage wird keine Verwandtschaft zwischen ihnen angedeutet, was allerdings nicht bedeutet, dass das Gleiche für die Serie gilt. Aber selbst wenn sie nicht verwandt sind, macht es die Beziehung zwischen Laura und Mad Sweeney trotzdem deutlich spannender. Plötzlich sieht man auch ihre vorherigen gemeinsamen Szenen mit anderen Augen. Der Kobold hat es quasi mit einer Doppelgängerin der Irin Essie zu tun, die fast ihr ganzes Leben an ihn geglaubt hat. Mad Sweeney begegnet ihr sogar zweimal persönlich. In der Szene, als sie im hohen Alter stirbt, erscheint er ihr. Dabei wird klar, dass er durch ihre Reise nach Amerika auch an diesen Ort gekommen ist, denn sie hat bis zum Ende die Geschichten über Kobolde weitergetragen und an ihn geglaubt. Dass Sweeney sie vergessen hat, ist deshalb wirklich unwahrscheinlich. Genau das verleiht seinem Zusammenkommen mit Laura etwas Faszinierendes. Es verleitet dazu, die Frage aufzuwerfen, was er in Laura sieht und ob sie ihn an Essie erinnert.
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Laura freut sich über die Kälte im Eiswagen, Sweeney friert
Foto: starz |
Doch nicht nur durch die Ereignisse der Vergangenheit bekommt die Beziehung der beiden mehr Tiefe. Auch die wenigen Szenen, die in "A Prayer for Mad Sweeney" in der Gegenwart spielen, bringen neue Aspekte hinzu. In dieser Episode wird ein überraschender Plottwist gezeigt: Der Autounfall, bei dem Laura getötet wurde, war kein Unfall, Mad Sweeney hat ihn verursacht und zwar im Auftrag von Mr. Wednesday. Auch das gibt den Beiden eine veränderte Dynamik, was noch in dieser Folge deutlich wird. Nachdem sie sich wieder von Salim getrennt haben, fahren sie mit dem kurz zuvor an ihrer Raststätte gestohlenen Eiswagen auf einer Landstraße. Durch ein weißes Kaninchen, das plötzlich auf die Fahrbahn hoppelt, reißt Laura das Steuer herum und der Wagen überschlägt sich mehrmals. Sie wird dabei durch die Windschutzscheibe geschleudert, ihr Oberkörper reißt an den Nähten auf und sie verliert die Goldmünze, die sich in ihrem Inneren befunden hat. Sweeney übersteht den Unfall nur leicht verletzt und sieht zuerst seine Glücksmünze auf der Straße liegen. Obwohl er sie die ganze Zeit wollte, ändert er bei dem Anblick der jetzt wirklich toten Laura seine Meinung. Hier sieht man deutlich den Zwiespalt in seinem Gesicht. Unterstützt wird das auch noch durch die kurzen Rückblenden zu Lauras erstem Autounfall, die einem als Zuschauer die Wahrheit eröffnen. Dann gibt er sich einen Ruck, setzt die Münze zurück in ihren Körper und erweckt sie wieder zum "Leben". Nach allem, was in dieser Episode geschehen ist und offenbart wurde, ist es schwer vorstellbar, dass er nur durch Schuldgefühle diese Entscheidung trifft. In einer früheren Szene sagt er Laura, dass er
nur für sie den Umweg über Kentucky fährt, um sie mithilfe eines Bekannten wieder unter die Lebenden zu bringen. Dass er es eigentlich für die Münze macht, erwähnt er erst im darauffolgenden Satz.
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Auch dieser Unfall kostet Laura ihr Leben
Foto: starz |
Mir gefällt es sehr gut, dass die gemeinsame Geschichte von ihnen so viel Aufmerksamkeit bekommt und man sieht, wie sie langsam heranwächst. Tatsächlich muss ich zugeben, dass Lauras Beziehung zu Sweeney deutlich interessanter ist als die zu Shadow. Sie passen viel besser zusammen und haben eine tolle Chemie. Ich hoffe, die Serienmacher werden das, was gerade zwischen den beiden Charakteren beginnt, noch weiter vertiefen.
Die brüchige Geschichte von Mad Sweeney
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Mad Sweeney zeigt neue Seiten von sich
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Für einen kurzen Moment in dieser Folge öffnet sich der Kobold Laura. Das ist ein ergreifender Moment, denn noch nie zuvor wirkte Sweeney so verletzlich wie in diesem Augenblick. Man lernt sein Motiv kennen, warum er für Mr. Wednesday arbeitet. Er ist einst vor einer Schlacht davongelaufen und glaubt, dass er durch eine Teilnahme am Krieg zwischen den Göttern diese Feigheit wieder gutmachen kann. Als er davon erzählt, kann man die Schuldgefühle in seinem Gesicht ablesen und lernt eine neue Seite an ihm kennen. Sogar an Lauras Ausdruck ist Verwunderung über dieses andere Verhalten zu erkennen. Sie wirkt überrascht, dass der Kobold ihr so etwas Persönliches erzählt. Mad Sweeney ist allgemein in dieser Folge nicht mehr ganz so kratzbürstig und redet auch mal in normalem Tonfall mit Laura. E ist klasse, dass er in dieser Episode vielschichtiger wird. Denn auch in der Vergangenheit im 18. Jahrhundert hatte er einen ganz anderen Charakter: Er wirkt in der Szene, in der er als "Zellennachbar" neben der inhaftieren Essie auftaucht und durch die Gefängnismauern mit ihr redet, sehr viel ruhiger und sanfter. Man merkt, dass ihm in den Jahrhunderten, die er auf der Erde existiert, einiges widerfahren sein muss, dass ihn verändert hat. Und es weckt die Neugier, wie sein Leben bis in die Gegenwart verlaufen ist und was genau ihn so gewandelt hat.
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Der Eiswagen ist auch nach dem Unfall fahrtüchtig
Foto: starz |
So gerne wie ich Essies Abenteuer verfolgt habe, war es dementsprechend doch etwas enttäuschend, wie wenig man von Mad Sweeney erfährt. Allerdings hat mich gerade diese fehlende Geschichte dazu gebracht, nach Informationen über ihn zu suchen. Anders als bei den Göttern, die ich öfters gegooglet habe, dachte ich nicht, dass auch der Kobold auf einem spezifischen Mythos beruht. Wie sich herausstellt, ist "Mad Sweeney" nicht einfach nur irgendein Name, er bezieht sich auf ein altes irisches Märchen namens "Suibnes Wahnsinn". In diesem wird der König Suibne mac Colmain durch einen Fluch wahnsinnig und erhält daher den Spitznamen "Mad Sweeney". Wie er vom König zum Kobold geworden ist, wird auch angedeutet, als er Laura erzählt: "I was a king, once. [...] Then Mother Church came and turned us all into saints and trolls, and fairies." Das hat mich nicht nur überrascht, sondern auch gefreut. Der "American Gods"-Autor Neil Gaiman hat sich wirklich viele Gedanken zu den Charakteren seines Romans gemacht und das ist ein gutes Beispiel dafür. Die Serienmacher haben sich auch dazu entschieden, diese Grundlage seines Charakters in einer Folge zu behandeln und ihr so viel Zeit zu geben, was in meinen Augen ein positiver Aspekt ist. Insgesamt hat es mir wirklich gut gefallen, dass man mehr über ihn erfahren hat und gleichzeitig der Beziehung zwischen ihm und Laura weitere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Andererseits habe ich mittlerweile das Gefühl, diese Charaktere viel besser zu kennen als Shadow, der doch eigentlich der Protagonist ist. Ich bin daher gespannt, wie sich dieses ungleichmäßige Verhältnis weiterentwickelt.
Fazit
In "A Prayer for Mad Sweeney" wird die Handlung in der Gegenwart kaum weitererzählt. Da die siebte Folge gleichzeitig die vorletzte ist, erscheint die Entscheidung, den größten Teil der Laufzeit mit einer Geschichte aus der Vergangenheit zu füllen, doch etwas überraschend. Trotzdem ist diese Episode in sich gelungen und erzählt das Leben der Essie Macgowan fesselnd und berührend. Das Setting im 18. Jahrhundert ist für „American Gods“ ungewohnt, gibt der Folge aber eine ganz besondere Atmosphäre. Vor allem Emily Browning zeigt in der Rolle als junge Irin ihre Vielseitigkeit als Schauspielerin. Aber auch Pablo Schreiber gibt seinem Charakter Mad Sweeney mehr Tiefe und neue Facetten. Besonders spannend ist die Beziehung zwischen ihm und Laura, die in dieser Folge weiter ausgebaut wird und eine neue Dynamik bekommt. So neugierig wie mich das auf den möglichen weiteren Verlauf ihrer gemeinsamen Geschichte macht, so gespannt bin ich auch auf das Staffelfinale. Wird es einen großen Showdown mit einem Cliffhanger geben, nach dem man die zweite Staffel kaum erwarten kann? Oder geht es vielleicht wieder in die Vergangenheit?
Eine Liste mit allen Rezensionen und einem Rückblick auf die gesamte Staffel "American Gods" findet ihr hier.
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