Samstag, 3. Juni 2017

American Gods: Staffel 1, Folge 5 - Rezension

- Der folgende Text enthält Spoiler -


Nachdem sich die letzte Folge "Git Gone" nur um die Geschichte von Laura Moon (Emily Browning) gedreht hat und die Handlung durch Rückblenden nicht weitergegangen ist, kommt sie in "Lemon Scented You" wieder in Fahrt. Shadow Moon (Ricky Whittle) und Laura beginnen endlich damit, sich auszusprechen, werden aber von Mr. Wednesday (Ian McShane) unterbrochen. Als dann noch die Polizei kommt, um beide wegen des Banküberfalls festzunehmen, bleibt Laura alleine im Motel zurück, bekommt aber bald neuen Besuch. Und auch die beiden Straftäter werden auf dem Polizeirevier von drei der neuen Götter überrascht. 

Kein freudiges Wiedersehen

Laura möchte Shadow zurückgewinnen
Foto: starz
Das Treffen zwischen Laura und Shadow beginnt mit ein wenig Humor. Seine erste Reaktion ist, sich ein Kissen zu nehmen und es ihr ins Gesicht zu werfen. Er muss sich erst mal vergewissern, ob sie echt ist. Schließlich hatte er schon Halluzinationen, in denen sie ihm erschienen ist. Auch die Tatsache, dass sie eigentlich tot sein sollte, macht ihm zwar etwas zu schaffen, bringt ihn aber nicht wirklich aus der Fassung. Beim Gespräch kommen keine neuen Erkenntnisse ans Licht. Laura erzählt ihm das, was man in der letzten Folge gesehen hat. Dabei zeigt sie kaum Reue und entschuldigt sich auch nicht. Sie redet sich vielmehr aus der Affäre raus und gibt sich selbst nicht einmal die Schuld. Es ist eben passiert und man kann es nicht mehr ändern. Da wirkte sie sogar bei Audrey einsichtiger als hier. Trotzdem lässt Shadow sich von ihr küssen. Dabei leuchtet Lauras Brustkorb auf und ihr Herz pulsiert einmal. Für einen Moment fühlt sie sich lebendig: "I tasted that, I felt that [...] It felt like- like alive." Kurz vorher hat sie noch eine Zigarette geraucht, die sie nicht einmal schmecken konnte. Als sie ihn fragt: "Are you still my puppy?", lächelt Shadow. Für einen kurz Augenblick glaubt man, er würde wirklich nachgeben und ihr einfach verzeihen. Doch zum Glück verneint er die Frage. Die Beziehungskrise muss allerdings vorerst warten. Es klopft an der Zimmertür: Mr. Wednesday, der kurz vorher von einer Krähe besucht wurde und eine Information von ihr erhalten hat, steht nun vor Shadow und möchte ihn überreden, mit ihm etwas trinken zu gehen. Dann kommt allerdings die Polizei und beide werden wegen des Bankraubs, den sie in der dritten Folge begangen haben, festgenommen. Ob die Krähe den Gott davor gewarnt hat? Falls ja, bleibt die Frage, wieso er zulässt, dass sie verhaftet werden. 

Die Macht des Glaubens

Media als David Bowie
Foto: starz
Eine der interessantesten Szenen der Folge findet zwischen "Technical Boy" (Bruce Langley) und "Media" (Gillian Anderson) statt. Technical Boy trifft im gleichen virtuellen Raum, in den er Shadow geholt hat, auf Media. Dieses Mal ist er derjenige, der herbestellt und aus der realen Welt geholt wird. Media handelt dabei im Auftrag von Mr. World (Crispin Glover), der nicht erfreut darüber ist, dass Technical Boy versucht hat, Shadow zu lynchen. Er soll sich bei Wednesday und Shadow entschuldigen, was ihm überhaupt nicht passt. 
Media tritt in dieser Begegnung als David Bowie in Erscheinung. Dass Götter ihre Gestalt ändern können, wurde schon aus anderen Folgen klar, z.B. bei Mr. Nancy, der sich in eine Spinne verwandeln kann. Doch Media nimmt die Form von verschiedenen medialen Persönlichkeiten an. Später sieht man sie auch noch als Marilyn Monroe. Es ist spannend und unterhaltend, Gillian Anderson als die verschiedenen Figuren zu sehen, da jede eigene Charakterzüge und ihren eigenen Charme bekommt. Als "Bowie" tritt sie lässig und unbeeindruckt auf. Somit verhält sie sich ganz anders als in der Erscheinung von Marilyn Monroe, bei der sie sehr verführerisch und verspielt wirkt.
Die Szene wird aber erst wirklich spannend, als Media über die „Invasion“ der Marsmenschen im Jahre 1938 spricht. Es hat sich dabei um ein Hörspiel zum Roman "Der Krieg der Welten" gehandelt, das im Radio vorgetragen wurde. Doch viele Menschen haben es geglaubt, bis eine regelrechte Panik ausbrach. Dieser Glaube ist der entscheidende Punkt:
Media: "Now there are starmen waiting in the sky. They believed it was true, and it was."
Technical Boy: "Not everyone believed."

M: "Not everyone had to. Just enough. That's all Mr. Wednesday needs, just enough. Maybe just one."
Als sie das gesagt hat, musste ich sofort an Shadow denken. Schon in den vorherigen Folgen wird angedeutet, dass Mr. Wednesday ihn dazu bringen will, an Götter und besonders an ihn zu glauben. Bräuchte es also wirklich nur Shadow, um Mr. Wednesday zu alter Kraft zu verhelfen und ist das womöglich ein wichtiger Bestandteil seines Plans? Ich bin gespannt, inwieweit es noch eine Rolle spielen könnte.

Streit um die Glücksmünze

Mad Sweeney sollte sich nicht mit Laura anlegen
Foto: starz
Da Shadow verhaftet wurde, ist Laura nun allein im Hotelzimmer, doch nicht lange. Sie bekommt Besuch von Mad Sweeney (Pablo Schreiber), der seine Glücksmünze zurückhaben will. Die steckt in Lauras Inneren, irgendwo in ihrem Brustkorb. Laura weiß von der Münze, sie hat sich zuvor bei Shadow für dieses Geschenk bedankt. Es wird allerdings nicht klar, woher sie das weiß. Die Münze wird sie wohl erst dann wieder zum Leben erweckt haben, nachdem sie in ihrem Körper gelandet ist. Hier hätte ich mir eine logische Erklärung gewünscht. Von mir aus auch einfach, dass sie mit dem Wissen erwacht ist. Hauptsache irgendeine Begründung, damit man sich nicht noch mehr Fragen stellt. 
Aus der letzten Folge weiß man, dass Laura unglaublich stark ist und auch Mad Sweeney bekommt das schmerzhaft zu spüren. Er will sich seine Münze zurückholen, doch das lässt Laura nicht zu, denn sie ist jetzt ihr Eigentum. Für den Zuschauer ist dieser „Kampf“ einfach nur unterhaltsam anzusehen: Sie schnippt ihn mit dem Finger an und er fliegt mit voller Wucht gegen die Wand, dann bricht sie ihm die Hand als wäre sie aus Esspapier. Der Kobold hat aber immer noch nicht genug. Er geht erneut auf sie zu, deutet dabei mit dem Zeigefinger auf sie und sagt: "Give me my coin, c*nt." Sie nimmt daraufhin seinen Finger und bricht auch ihn spielerisch leicht. Die Figuren haben hier eine tolle Dynamik: Sweeney mit seinem großen Mundwerk, der immer leicht aggressiv und drohend auftritt und daneben Laura, die vollkommen unbeeindruckt ist und ihn mit Leichtigkeit fertig macht.
Als Laura wissen will, woher der Kobold ihren Mann kennt, erfährt sie von ihm, dass er von Wednesday angeheuert wurde. Mad Sweeney sollte einen Streit mit ihm provozieren. Der Kobold nennt den Gott dabei "Grimnir", ein Beiname für den nordischen Gott Odin. Somit wird offenbart, um wen es sich bei Shadows Arbeitgeber wirklich handelt.
Mad Sweeney startet einen letzten Versuch, die Münze zurückzubekommen. Er kann Laura sogar überwältigen und wirft sie in die mit Wasser gefüllte Badewanne, während er sie würgt. Dann tauchen allerdings zwei Polizeibeamte im Zimmer auf und denken, er hätte gerade einen Mord begangen. Die Szene bekommt noch ein lustiges Ende. Mad Sweeney lässt sofort von ihr ab und versichert den Polizisten: "She ain't dead." Doch Laura kann sich sehr leicht tot stellen, was sie auch tut. "Oh, you're an a**hole.", ruft er ihr entgegen, bevor er abgeführt wird und man sieht Laura unter Wasser mit einem kleinen triumphierenden Lächeln im Gesicht. 

Shadow am Rande des Wahnsinns

Media hinterlässt einen bleibenden Endruck bei Shadow
Foto: starz
Nachdem Shadow und Mr. Wednesday erst in getrennten Räumen befragt wurden, werden sie in einen gemeinsamen Raum gesetzt und alleine gelassen. Shadow weiß durch die Polizeibeamtin (Tracie Thoms), dass sie ganz konkrete Hinweise auf das Verbrechen erhalten haben und es Fotos ihrer Tat gibt. Sie hat ihm auch gesagt, dass jemand sehr Großes hinter seinem Arbeitgeber her sein muss. Man kann also vermuten, dass ein Gott hinter der Aktion steckt. Mr. Wednesday bestätigt das. Er erklärt seinem Bodyguard, dass die Fotos aus einer bestimmten göttlichen Perspektive aufgenommen wurden. Shadow möchte wissen, wer es auf Wednesday abgesehen hat: "Someone big is after you. You're afraid. I thought you weren't afraid of anything." Gerade als ihr Gespräch interessant werden könnte, wird es unterbrochen. Lärm dringt aus dem Polizeirevier bis in den Verhörraum und dann wird die Tür geöffnet. Hereingeschwebt kommt Media in der Form von Marilyn Monroe. Shadow dreht bei diesem Anblick vollkommen durch. Hat er vorher kaum Reaktionen gezeigt – kurz zuvor noch war er ziemlich ruhig, als er seine tote Ehefrau wiedergesehen hat - erschreckt er hier richtig und schnappt nach Luft: "How the f**k are you floating?!" Dann wendet er sich an Mr. Wednesday: "This isn't real. Okay? This is reality reprogrammed. Tell me this isn't real."
Dass ihn gerade dieser Moment so vollkommen aus der Fassung bringt, kommt doch sehr überraschend. Es hätte für mich mehr Sinn gemacht, wenn er sich bei Laura so verhalten hätte. Shadow hat ein Problem damit, einzuordnen, was echt ist und was nicht. In seinen Augen kann nicht alles real sein und vielleicht kommt er im Polizeirevier an den Punkt, an dem er sich ernsthaft darüber bewusst wird, dass es echt sein muss. Gerade diese Szene dafür zu wählen, finde ich dennoch etwas willkürlich. Außerdem wirkt die Reaktion unpassend für seinen Charakter, weil sie sehr übertrieben ausfällt und ein zu starker Gegensatz zu seinem gesamten anderen Verhalten ist. Wenn ein Charakter sonst eher ruhig und bedacht reagiert und dann so panisch und verzweifelt wird, ist es schwer, ihm das wirklich abzunehmen.

Mr. World macht ein Angebot

Mr. World (r.) möchte sich nur unterhalten
Foto: starz
Während Shadow immer noch die schwebende Media verdaut, taucht Mr. World im Raum auf. Er ist der Anführer der neuen Götter und hat etwas sehr Beunruhigendes an sich, weil sein Verhalten sehr sprunghaft und impulsiv ist. Zu Beginn unterhält er sich höflich und ganz ruhig mit Wednesday und Shadow. Dann aber redet er sich so in Rage, dass er von Media durch ein kurzes Räuspern wieder dazu gebracht werden muss, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Auch seine Mimik ist schwer zu deuten und lässt ihn unberechenbar wirken. Und obwohl er immer wieder lächelt, wirkt dieses Lächeln eher gefährlich als vertrauenswürdig. Nachdem Mr. World Technical Boy wie einen Hund herbeigepfiffen und er sich entschuldigt hat, unterbreiten die neuen Götter Wednesday ein Angebot. Bis jetzt hat man vor allem einen Einblick in seine Sicht der Dinge bekommen, woraus deutlich wurde, dass er sich auf einen Krieg vorbereitet. Nun wird auch die andere Seite offenbart, die eine ganz andere Geschichte erzählt: Die neuen Götter wollen keinen Kampf, sie wollen ihm angeblich sogar helfen. Wenn er mit ihnen zusammen arbeitet, werden sie sein "Publikum", also Menschen, die an ihn glauben und verehren, für ihn finden. Das Angebot wollen sie ihm wie auf einem Teleshopping Kanal schmackhaft machen - mit peppiger Musik und bunten Animationen. Hier wird der Gegensatz der alten und neuen Götter sowie ihre Herangehensweisen gut verdeutlicht. Wednesday bleibt von alldem unbeeindruckt und lehnt das Angebot ab. Doch Mr. World ist relativ ruhig und verabschiedet sich für den Moment. Technical Boy fragt ihn darauf, warum er Odin laufen lässt, wo er doch gerade vor ihm sitzt. Mr. World weist ihn zurecht wie ein ungezogenes Kind.  Dabei zeigt er noch einmal seine impulsive Seite: "This man is older than you will ever be. He has wisdom, has knowlegde, which is different, as you would know if you had either. This man deserves our respect." Mr. World ist ein interessanter Gegenpart zu Mr. Wednesday, weil beide so verschieden in ihrem Charakter und ihren Ansichten sind. Auch dass der neue Gott sich bewusst darüber ist, dass er einen bedeutenden Gott vor sich hat und ihm Respekt zollt, macht ihre Beziehung ausgefallener. Es wäre langweiliger, wenn er ihm mit Überheblichkeit begegnen würde, weil man das von Gegenspielern oft kennt. Ich stelle mir weitere Aufeinandertreffen von ihnen spannend vor und hoffe, dass man das in den nächsten Folgen noch zu sehen bekommt.
Nachdem die neuen Götter verschwunden sind, verlassen auch Wednesday und Shadow das Polizeirevier. Das erweist sich als relativ einfach, denn die Götter haben jeden im Gebäude umgebracht. Mad Sweeney ist auch beim Präsidium angekommen, er sitzt noch im Einsatzwagen. Als aus dem Inneren des Gebäudes Schüsse zu hören sind, lässt der Beamte den Kobold allein. Diese Chance nutzt er für eine Flucht. In den letzten Minuten sieht man auch noch Lauras Flucht - aus der Pathologie. Somit befinden sich am Ende der Folge alle Charaktere wieder auf freiem Fuß.

Fazit

"Lemon Scented You" hat die Handlung nach dem Stillstand der letzten Folge gut weitergeführt, ohne vollkommen überladen zu sein. Dazu tragen vor allem die Begegnungen bei, die sehr gelungen und fesselnd sind. Darunter fällt das Treffen zwischen Laura und Mad Sweeney. Beide haben mit einer unterhaltsamen Szene und einer tollen Dynamik die Folge gut aufgelockert. Auch das Zusammentreffen zwischen den neuen Göttern und Mr. Wednesday hat einen guten Einblick in den Konflikt gegeben und vor allem Mr. World hat eine gute Einführung bekommen. Er ist ein spannender Charakter für den weiteren Verlauf der Handlung. Vor allem der starke Kontrast zu Mr. Wednesday weckt die Neugier auf weitere gemeinsame Szenen zwischen ihnen. Der Protagonist Shadow sorgt in dieser Folge hingegen für etwas Verwirrung. Sein plötzliches Durchdrehen wirkte eher unglaubwürdig. Das lässt die Frage offen, wie er ab jetzt den Wahnsinn um sich herum aufnimmt oder ob es nur eine Ausnahme war und er in der nächsten Folge wieder gelassener reagiert.



Eine Liste mit allen Rezensionen zur Serie und einem Rückblick auf die gesamte Staffel "American Gods" findet ihr hier. 
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