Donnerstag, 3. Mai 2018

Scythe - Der Zorn der Gerechten (Neal Shusterman) - Rezension

"Scythe - Der Zorn der Gerechten" ist der zweite Band von Neal Shustermans Jugendbuch-Trilogie. Der Roman ist beim Fischer Verlag erschienen und hat 544 Seiten.

Citra hat die Ausbildung zum Scythe abgeschlossen. Während sie noch damit beschäftigt ist, die "beste" Art des Tötens zu finden, gibt es Aufruhr unter den Scythe. Immer mehr von ihnen schließen sich der Neuen Ordnung an und töten ohne Regeln. Rowan, der nicht zum Scythe auserwählt wurde und geflohen ist, macht im Untergrund Jagd auf die Scythe der Neuen Ordnung. Citra gefällt das überhaupt nicht, weil er dadurch selbst zum Mörder wird. Als ein Anschlag auf sie verübt wird, ist Rowan der erste, der verdächtigt wird. Doch Citra ist sich sicher, dass er nichts damit zu tun hat und macht sich mit Scythe Curie auf die Suche nach dem wahren Täter.


Neue Konflikte sorgen für Spannung

Klappt Citras Kampf für Gerechtigkeit?
Foto: S. Fischer Verlag
Der zweite Teil spielt ungefähr ein Jahr nach den Ereignissen des Vorgängerbandes (hier kommt ihr zur Rezension). Die Handlung kommt erst langsam in Fahrt, weil der Leser erst mal erfährt, wie sich das Leben der Charaktere verändert hat. Ich fand es daher etwas schwierig, von Beginn an komplett in die Geschichte zurückzufinden. Ich habe erst vor Kurzem den dritten Teil von Thomas Thiemeyers "Evolution"-Trilogie gelesen. Dort knüpft das Finale direkt an den zweiten Teil an und das hat mir den Einstieg sehr erleichtert. Doch spätestens nach dem ersten Viertel konnte "Der Zorn der Gerechten" packen. Ab da baut sich langsam der Konflikt auf und es wird deutlicher, was den Protagonisten bevorsteht. Durch mehrere Perspektiven und Ereignisstränge bekommt der Leser einen guten Einblick in die Situationen aller Beteiligten. Auch wenn der Beginn etwas schleppend verläuft, verleiht Shusterman der Handlung aber immerhin durch genügend Erklärungen eine sehr gute Struktur. Der rote Faden ist immer vorhanden und es gibt keine Unstimmigkeiten. Das macht die ganze Geschichte rund. Als Leser kann man wirklich in das Geschehen eintauchen, ohne dabei auf unlogische Stellen zu stoßen, die den Lesefluss unterbrechen könnten. Außerdem wurden bereits jetzt Elemente eingeführt, von denen ich glaube, dass sie im Finale noch eine größere Rolle spielen werden. So gibt es eine Figur, die über die meiste Zeit damit beschäftigt ist, nach etwas zu suchen. Dieses "Etwas" wird wohl im dritten Teil noch von Bedeutung sein. Auch dadurch erscheint die gesamte Reihe bis jetzt sehr gut durchdacht und stimmig.
Die Geschichte tritt zudem nicht auf der Stelle, was ein weiterer Pluspunkt ist. Im ersten Band liegt der Fokus auf der Ausbildung zum Scythe. Die Protagonisten müssen sich damit auseinandersetzen, Menschen zu töten. Beide lernen auf unterschiedliche Weisen damit klarzukommen. In diesem Teil stehen andere Aspekte im Mittelpunkt. An das Töten haben sie sich mittlerweile "gewöhnt", daher spielt diese Problematik nur noch hin und wieder eine Rolle. Nun geht es darum, dass das Scythetum sich in einem Wandel befindet, der schon in "Die Hüter des Todes" angedeutet wird. Es haben sich zwei Fronten mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen vom Töten gebildet. Rowan und Citra werden in die Machtkämpfe hineingezogen und vor allem Letztere muss dabei helfen, einen schlimmen Ausgang zu verhindern. Die Geschichte entwickelt sich dadurch weiter und bekommt neue Elemente. Mir gefällt es sehr gut, dass der Autor einen anderen Fokus setzt, dabei aber nicht die Problematiken des Vorgängerbandes komplett ausradiert. Shusterman geht außerdem darauf ein, wie sehr die Ausbildung zum Scythe das Leben der Protagonisten beeinflusst hat ("'Komm uns bald wieder besuchen, Schatz", sagte Citras Mutter. 'Das ist immer noch dein Zuhause.' Aber das war es nicht mehr, und sie wussten es alle."). Obwohl deutlich zu erkennen ist, dass dieser Teil auch dazu dient, das Finale aufzubauen, wirkt er trotzdem nicht wie ein Füllband, der sich nur im Kreis dreht. Die Charaktere müssen sich neuen Herausforderungen stellen. Sowohl die Hauptfiguren als auch die Gegenspieler handeln dabei immer sehr durchdacht und mit Verstand, was die Ereignisse spannend und interessant macht. Gerade zum Ende hin wird es besonders aufregend. Es kommt zu mehreren Wendungen und einem unglaublich gemeinen Cliffhanger, der ungeheuer neugierig auf den nächsten Band macht.

Ein Charakter wird greifbarer, ein anderer bleibt undurchschaubar

Schon im ersten Band mochte ich den Humor unheimlich gerne. Es geht oft um ernste Themen und ständig stirbt jemand, doch es gibt immer wieder Momente, die die düstere Stimmung auflockern. Der Humor ist sehr subtil und wird nie im Übermaß genutzt. Es sind meistens kurze Augenblicke, wie ein Dialog oder ein Kommentar ([Citra, nachdem Scythe Curie jemanden beleidigt hat] "Marie! Ich habe ihm schon den Arm gebrochen, wir müssen ihn nicht auch noch beleidigen." [...] "Er wird meinen Arm in Gips legen." "In was?" "Voodoo!", sagte Marie. "Ein antikes Heilritual. Sie gipsen den Arm ein und lassen ihn monatelang so."). Auch in diesem Band kann der Leser an der ein oder anderen Stelle kurz mal schmunzeln oder auflachen. Vor allem die Szenen von Citra und Scythe Curie haben mir super gefallen. Sie arbeiten toll als Team zusammen und es ist wirklich zu erkennen, wie nahe sie sich stehen. Letztere mochte ich schon im ersten Band gerne, weil sie dort bereits sehr vielschichtig und interessant war, während die Hauptfiguren Rowan und Citra noch etwas blass wirkten. Daher habe ich mich wirklich gefreut, dass der Leser Citra jetzt viel besser kennenlernt. Ihre Persönlichkeit wird toll ausgebaut. Ich finde, es ist wirklich erkennbar, dass sie sich seit den Ereignissen vor einem Jahr verändert hat. Scythe Curie bleibt weiterhin mein Lieblingscharakter und ich finde es toll, dass sie und Citra in diesem Band viel Aufmerksamkeit bekommen. Es ist allerdings immer noch schwierig, einen wirklichen Zugang zu Rowan zu finden. Zwar habe ich den Eindruck, dass er insgesamt weniger oft in diesem Teil vorkommt, doch dann könnten seine Szenen wenigstens eindrücklicher sein. Leider agiert er oft sehr passiv oder verhält sich klischeehaft ("'Wenn du etwas zu sagen hast, sprich.' [...] Doch Rowan nutzte die Gelegenheit lieber, um ihm ins Gesicht zu spucken, was ihm einen brutalen Rückschlag des Mannes einbrachte."). Er gerät in gefährliche Situationen und zeigt überhaupt keinen Willen, sich selbst zu retten. Außerdem bleiben seine Gedanken und Gefühle sehr undurchschaubar. Es ist schwer zu erkennen, was ihn antreibt. Das sorgt auch dafür, dass die Liebesgeschichte zwischen ihm und Citra unstimmig bleibt. Ich fand sie schon im ersten Band unnötig, weil sie nichts zur Geschichte beiträgt. In diesem Band bleibt das leider so. Es wird immer noch nicht klar, was sie am jeweils anderen so gut finden. Zum Glück spielt die Romanze aber so gut wie keine Rolle und stört daher wenigstens nicht.
Es gibt allerdings eine interessante Neuerung: Statt der Tagebucheinträge der Scythe im ersten Teil, tauchen nun zwischen den Kapiteln die "Gedanken" des Thunderhead auf. Der Thunderhead ist eine körperlose künstliche Intelligenz, die alles auf der Erde kontrolliert. Seine Existenz und Aufgaben wurden schon im ersten Band vorgestellt, aber er blieb etwas sehr Vages. Es ist daher sehr spannend, diese kurzen Abschnitte zu lesen, in denen er über die Scythe, die Menschen oder andere Themen "nachdenkt". Denn mit der Zeit und den Vorkommnissen verändert sich auch seine Sichtweise langsam, was interessant ist, weil er eigentlich ein neutrales Oberhaupt zu sein scheint. Doch das, was auf der Erde passiert, hat sogar auf ihn einen Einfluss. Immer wieder blitzt auf, dass er eine eigene Meinung zu haben scheint. Er ist dieses Mal ein wirklicher Bestandteil der Handlung, ohne dass er ein Charakter aus Fleisch und Blut ist oder mit den Figuren agiert. Er zieht quasi aus der Entfernung den ein oder anderen Faden, obwohl es für ihn verboten ist. Das macht ihn zu einer außergewöhnlichen Ergänzung der Geschichte. 

Fazit

"Scythe - Der Zorn der Gerechten" ist ein gelungener zweiter Band von Neal Shustermans Jugendbuch-Trilogie. Er erzählt die Geschichte gut durchdacht weiter und führt neue Konflikte und Elemente ein, ohne dabei die alten zu vergessen. Die Geschichte bereitet das Finale vor, wird aber nicht zu einem Füllband. Positiv ist ebenfalls, dass einige Charaktere deutlich vielschichtiger werden. Leider bleiben andere immer noch etwas zu blass, um alle ihre Handlungen wirklich nachvollziehen zu können. Das Ende hat eine sehr gemeine Wendung, die sehr neugierig auf den letzten Teil macht.


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