Die Schülerin Sonnhild Böttger (Gro Swantje Kohlhof) bricht im Unterricht zusammen. Kurze Zeit später ist sie tot - an Diabetes gestorben. Die Ermittler aus dem Schwarzwald sollen herausfinden, ob eine falsche Behandlung die Ursache war. Kommissar Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) kennt Sonnhilds Vater Volkmar (Nicki von Tempelhoff) aus der Schulzeit und ist begeistert, wie traditionell und prinzipientreu die Familie auf ihrem Bauernhof lebt. Kurz darauf bestätigt Rechtsmedizinerin Dr. Andrea Brunner (Christina Große, Das Leben danach), dass Sonnhild nicht infolge einer falschen Behandlung gestorben ist. Friedemann freut sich, dass sein alter Freund nun in Ruhe mit seiner Frau Almut (Alexandra Schalaudek) und dem Rest der Familie trauern kann. Kommissarin Franziska Tobler (Eva Löbau) setzt jedoch alles daran, die Ermittlungen fortzusetzen. In ihren Augen stimmt etwas auf dem Hof nicht: Besonders Sonnhilds Verlobter Torsten Schmidt (David Zimmerschied) und ihre jüngere Schwester Mechthild (Janina Fautz, Allein gegen die Zeit) verhalten sich seltsam. Gegen den Willen ihres Kollegen durchleuchtet Franziska das Leben der Böttgers und deckt Beunruhigendes auf.
Die Namen sollten Hinweis genug sein
Die "Franz" und der "Frieda" (v.l.)
Foto: SWR
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...wenn man frühzeitig erraten möchte, was genau auf dem Bauernhof nicht stimmt. In dieser Hinsicht streut Drehbuchautor Patrick Brunken so viele Hinweise ein, dass die Auflösung mehr Bestätigung als Enthüllung ist: Die Böttgers sind Nationalisten, die bei der Ernte gerne Lieder aus dem Dritten Reich singen und es in Ordnung finden, wenn ihre kleine Tochter Elfrun in der Schule Bilder malt, auf denen Wikinger Flüchtlinge ertränken wollen (Tobler: "Und die Eltern, was sagen die dazu?" Lehrerin Eisele (Ursula Renneke): "Die sagen, Elfrun sei von Flüchtlingen begrapscht worden und das sei ihre Art das zu verarbeiten. Elfrun selbst durften wir dazu aber nicht befragen."). Zum Teil klingen die inbrünstigen Reden über "Artglauben", "Umvolkung" und "Volkstod" ein wenig zu klischeehaft. Im Zusammenspiel mit der kargen Umgebung und den eigenbrötlerischen Charakteren erzeugen sie jedoch eine herrlich bedrohliche Stimmung. Zum ersten Mal seit vielen Wochen hat der Sonntagskrimi das Potenzial, dem Zuschauer einen Schauer über den Rücken zu jagen. Das liegt nicht nur an den Verdächtigen, sondern auch am Kommissar. Berg stimmt mit einigen Aussagen der Böttgers überein - zum Schrecken seiner Kollegin. In ihrem überdurchschnittlich guten ersten Fall "Goldbach" waren die beiden eine problemlos funktionierende Einheit. In der zweiten Folge fliegen nun kurzzeitig die Fetzen. Was bei vielen anderen Teams unnötiges, sperriges Drama ist, fügt sich hier nahtlos in die Krimihandlung ein. Denn der Konflikt der Ermittler wirkt nicht konstruiert, sondern ehrlich: Berg ist selbst auf einem Bauernhof groß geworden und versucht verzweifelt, diesen am Laufen zu halten. Tobler hingegen kommt aus der Stadt und kann sein Engagement nicht so richtig verstehen. Ihre unterschiedlichen Sichtweisen sind nachvollziehbar und werden relativ wertfrei dargestellt. Nachdem sich die beiden ordentlich die Meinung gesagt haben, beenden sie ihren Streit auch schnell wieder. Ihre Beziehung zueinander erscheint natürlich, ungezwungen und realitätsnah - Qualitäten, die vielen anderen Teams fehlen: Sie unterstützen sich so gut es geht (Tobler: "Erntest du nicht auch bald wieder deine kleinen Knubbeldinger?" Berg: "Zibärtle." Tobler: "Ja, brauchst du da wieder Hilfe?") und nennen sich liebevoll "Franz" und "Frieda".
Während die Gesinnung der Böttgers schnell offensichtlich ist, bleibt lange im Dunklen, ob es tatsächlich einen Mordfall gibt und wenn ja, was mit Sonnhild geschehen ist. Ein interessanter Ansatz, durch den die Handlung größtenteils spannend bleibt und viele Möglichkeiten offen hält. Leider belässt es Drehbuchautor Brunken nicht bei einem kontroversen Familiendrama. Zu Beginn des "Tatorts" hört Tobler Radionachrichten, in denen über einen Mordprozess berichtet wird. In Fernsehkrimis ist es praktisch eine ungeschriebene Regel, dass sämtliche thematisierten Todesfälle irgendetwas mit dem Fall zu tun haben müssen. So wird es vermutlich kaum jemanden überraschen, dass der Gerichtsprozess später noch eine wichtige Rolle spielt. An dieser Stelle verstrickt sich "Sonnenwende" im ambitionierten Versuch, die Machenschaften des Staatsschutzes zu integrieren. Statt auf einem düsteren Bauernhof im Niemandsland, sitzt Tobler dann im 08/15-Büro des Staatsschutzmitarbeiters Harald Schaffel (Jörg Witte). Dieser plötzliche Umbruch tut weder der Stimmung, noch der Spannungskurve gut. Zudem wird die Geschichte dadurch nur unnötig verkompliziert und gestreckt.
Die Stärke des zweiten Schwarzwald-"Tatorts" sind seine Figuren. Einerseits die Kommissare, deren realistische, bodenständige Art vor allem in der letzten Szene des Krimis verdeutlicht wird. Andererseits werden ihnen starke Episodencharaktere zur Seite gestellt. Sonnhilds Mutter Almut ist die einzige, die recht blass bleibt und meist auf traurige Blicke und Tränen reduziert wird. Mechthild, Volkmar und Torsten sind interessanter und vor allem komplexer, denn sie haben zwei Gesichter: Auf der einen Seite sind sie die bienenfleißigen, bescheidenden Öko-Fans, die an die Prepper-Familie aus dem "Polizeiruf 110: Demokratie stirbt in Finsternis" vor zwei Wochen erinnern. Auf der anderen Seite können sie mit freundlich lächelndem Blick über die Überlegenheit des deutschen Erbguts fantasieren oder für ihren Lebensstil völlig untypische Geheimnisse verbergen. Mit Dr. Andrea Brunner gibt es zudem einen Charakter, der für eine Überraschung gut ist. Normalerweise sind die Rechtsmediziner in Krimis nur schmückendes Beiwerk neben den Kommissaren, doch Brunner ist letztendlich ein wichtiges Puzzlestück. Ihre Position bleibt zwar bis zum Ende recht nebulös, doch die ungewöhnliche Wendung ist begrüßenswert.
Nächste Woche Sonntag wird der Münchener "Tatort: Aus der Tiefe der Zeit" von 2013 wiederholt.
An Pfingstmontag gibt es dann eine neue Erstausstrahlung. In "Wer jetzt alleine ist" müssen die Dresdner Kommissarinnen den Mörder einer 22-Jährigen finden, die auf einem Datingportal zahlreiche Männer um ihr Geld betrogen haben soll. Aus Mangel an Beweisen verabreden sich Henni Sieland (Alwara Höfels) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) mit den beiden Hauptverdächtigen. Dabei bringen sie sich in Lebensgefahr.
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Den Staatsschutz einfach wegdenken!
Tobler (l.) traut der Böttger-Sippe nicht wirklich
Foto: SWR
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Was haben Mechthild und Torsten zu verbergen?
Foto: SWR
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Fazit
"Sonnenwende" hält das leicht überdurchschnittliche Niveau seines Vorgängers. Die Protagonisten sind weiterhin realistische Charaktere, die nachvollziehbar handeln und gut in ihr Umfeld passen. Auch die Nebenfiguren sind in diesem Krimi größtenteils gelungen. Durch ihre Schwankungen zwischen gastfreundlichen Öko-Fans und hasserfüllten Nationalisten sind sie unberechenbar und damit wirklich spannend. Die generell sehr düstere, rustikale Atmosphäre des "Tatorts" trägt ebenfalls zum Nervenkitzel bei. Leider verliert sich dieser Effekt im Laufe des Films, wenn plötzlich weit weniger glaubwürdige Aspekte dazukommen. Diese krassen Unterschiede zwischen den verschiedenen Schauplätzen sind hinderlich für Stimmung und Handlung. Die Auflösung ist jedoch wieder ein Lichtblick, weil erst dann der genaue Tathergang rekonstruiert wird. Wer genau der Mörder war, ist da fast nur noch eine Randnotiz.Nächste Woche Sonntag wird der Münchener "Tatort: Aus der Tiefe der Zeit" von 2013 wiederholt.
An Pfingstmontag gibt es dann eine neue Erstausstrahlung. In "Wer jetzt alleine ist" müssen die Dresdner Kommissarinnen den Mörder einer 22-Jährigen finden, die auf einem Datingportal zahlreiche Männer um ihr Geld betrogen haben soll. Aus Mangel an Beweisen verabreden sich Henni Sieland (Alwara Höfels) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) mit den beiden Hauptverdächtigen. Dabei bringen sie sich in Lebensgefahr.
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