Der Mord zum Sonntag hat Tradition, deshalb sind auch wir mit Rezension und Live-Tweets (@WatchReadTalk) dabei.
Die 80-jährige Elisabeth Strauß (Elisabeth Schwarz) steigt nachts im Bademantel vor dem Polizeipräsidium aus einem Taxi. Sie will einen Mord melden. Doch in ihrer Aussage verschwimmen die Fakten immer wieder. Während die diensthabenden Polizisten schnell mit den Nerven am Ende sind, hört sich der Münchener Hauptkommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) die Geschichte in Seelenruhe an und fährt die Dame nach Hause. Das ist seit einiger Zeit das Altenheim "Johannishof". Hier soll laut Strauß auch der Mord geschehen sein. Die Pfleger klären von Meuffels jedoch schnell auf: Ein anderer Bewohner ist einige Stunden zuvor dort gestürzt und an einer Kopfverletzung gestorben. Die demente Frau Strauß hat die Geschichte vom Mord dazu phantasiert.
Die 80-jährige Elisabeth Strauß (Elisabeth Schwarz) steigt nachts im Bademantel vor dem Polizeipräsidium aus einem Taxi. Sie will einen Mord melden. Doch in ihrer Aussage verschwimmen die Fakten immer wieder. Während die diensthabenden Polizisten schnell mit den Nerven am Ende sind, hört sich der Münchener Hauptkommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) die Geschichte in Seelenruhe an und fährt die Dame nach Hause. Das ist seit einiger Zeit das Altenheim "Johannishof". Hier soll laut Strauß auch der Mord geschehen sein. Die Pfleger klären von Meuffels jedoch schnell auf: Ein anderer Bewohner ist einige Stunden zuvor dort gestürzt und an einer Kopfverletzung gestorben. Die demente Frau Strauß hat die Geschichte vom Mord dazu phantasiert.
Doch von Meuffels ist neugierig und beginnt im Pflegeheim zu ermitteln.
Ermitteln gegen die Leere?
Hat die demente Frau Strauß einen Mord beobachtet?
Foto: BR/die film gmbh /Hendrik Heiden
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Eigentlich hat er schon Feierabend und es gibt nicht einmal Anzeichen für ein Gewaltverbrechen, dennoch lässt von Meuffels nicht locker. Er stromert die ganze Nacht durch das Altenheim - befragt hier jemanden, läuft da in ein Zimmer... Es hat fast den Anschein als wolle er nicht nach Hause. Das könnte auch erklären weshalb er auf dem Gang plötzlich sich selbst begegnet - in einer ungewaschenen, ausgezehrten, älteren Version. Solche Szenen kennt man eigentlich nur von seinem Kollegen Murot aus dem Wiesbadener "Tatort". Dass Schauspieler Matthias Brandt angekündigt hat den "Polizeiruf" zu verlassen, passt in dieses Szenario und wird mehr als einmal angedeutet (Frau Strauß: "Warum machen Sie das eigentlich alles? (...) Sich tagtäglich mit diesen schrecklichen Verbrechern umgeben. Ich will Ihnen ja nicht zu Nahe treten, aber ein Mann mit Ihrem Aussehen, Ihrer Bildung, dem steht doch die Welt offen - New York, Rio, Tokio..."; Von Meuffels: "Ich hatte damals einfach das Gefühl, dass es das Richtige ist.")
Bewohner Claus Grübner und Pflegerin Marija
Foto: BR/die film gmbh /Hendrik Heiden
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Ich war nie ein großer Fan des Münchener "Polizeirufs", aber nach dieser grandiosen Folge bedauere ich die Absetzung. Denn im Drehbuch gibt es vor allem eins: Realität. Während die bei einigen Sonntagskrimis in den letzten Wochen eher auf der Strecke blieb, sind die ersten 80 Minuten von "Nachtdienst" so lebensnah, dass es fast wehtut. So begegnen dem Hauptkommissar auf seinem nächtlichen Streifzug durch das Altenheim allerhand traurige Gestalten. Neben der dementen Elisabeth Strauß auch andere Bewohner, wie Claus Grübner (Ernst Jacobi), der früher beim SEK war und nun alles daran setzt die Notstände im Heim an die Öffentlichkeit zu bringen. Oder Marija Abramovich (Marina Galic), eine überarbeitete Pflegerin, die ihren kleinen Sohn Janni (Mika Ullritz) mit zur Arbeit bringt, damit er nicht alleine zu Hause ist. Während von Meuffels die Pfleger zuerst noch auf Schwierigkeiten aufmerksam macht, realisiert er bald, dass drei Leute in der Nachtschicht viel zu wenig sind, um eine angemessene Betreuung zu gewährleisten. Die Tristesse und Verzweiflung spiegelt sich dabei nicht nur in den Mienen der ausnahmslos glaubwürdig spielenden Darsteller, sondern auch im Setdesign. Graue Wände, kleine Räume, die dunkle Nacht hinter den Fenstern - das Ambiente des Altenheims schlägt schnell aufs Gemüt, besonders weil kaum Ortswechsel stattfinden. Das ist ein großer Pluspunkt, denn so lernt man nicht nur die Bewohner und die Situation vor Ort kennen, sondern merkt am eigenen Leib wie die grauen Wände immer trister und trister werden. Den einzigen Farbtupfer bilden die Schilder mit Obst und Gemüse, die anstelle von Nummern die Zimmer der Bewohner unterscheiden ("Kennst du den Herrn Urban aus der Gurke?").
Uns gibt es auch noch!
Hannah (Therese Hämer, l.) lernt ihre Mutter neu kennen
Foto: BR/die film gmbh /Hendrik Heiden
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Die üblichen Krimi-Fragen ("Wo waren sie gegen 20 Uhr?") werden spärlich gestellt, es gibt keine Verfolgungsjagden, keine Ausflüge in die Rechtsmedizin oder das Computerlabor, keine Durchsuchungen und auch sonst nur wenig traditionelle Ermittlungsarbeit. Für diese Thematik ist das ein Glücksfall. Die Zustände in Altenheimen und der Umgang mit älteren Menschen werden nicht in jedem dritten Krimi angesprochen. Es ist so, wie es Bewohner Claus Grübner gegenüber von Meuffels bemängelt: Alte Leute werden von der Gesellschaft weitestgehend vergessen. Umso interessanter ist, dass "Nachtdienst" das Thema aufgreift und kein schickes Altbauvilla-Heim am helllichten Tag präsentiert, wo aufgeweckte Mitt-Siebziger mit geduldigen Pflegern in einem großen Garten Tee trinken. Neben Personalmangel und dem Stress, dem die Mitarbeiter ausgesetzt sind, beeindruckt besonders die Charakterisierung der Bewohner. Der noch völlig geistig gesunde Grübner, der im Heim langsam verzweifelt; Strauß, bei der die Demenz Vergangenheit und Gegenwart vermischt, die aber immer wieder Momente der absoluten Klarheit hat und letztendlich die Bewohner, die allein in ihren Betten liegend vor sich hin sterben. Diese Bilder haben mich deutlich mehr berührt als jede Mordszene bisher.
Besonders die letzten Minuten sind aufwühlend. Da die Folge mit einer der Schlussszenen beginnt und die Ermittlungen als Rückblick zeigt, kommt das Ende nicht überraschend. Es stellt sich jedoch die Frage, ob es in dieser Form nötig gewesen wäre. "Nachtschicht" ist ein sehr guter Krimi, weil er lebensnah ist und berührt. Der brutale Showdown, der deutlich weniger realistisch ist als der Rest der Folge, mindert diesen Effekt .
Fazit
"Nachtdienst" ist ein ruhiger Krimi, der mehr ans Herz als an die Nerven geht. Er punktet besonders durch die exzellenten Darsteller und die wenig beachtete Thematik, die realitätsnah und ungeschönt dargestellt wird. Da der einzige Ermittler angenehm im Hintergrund bleibt, hat das Drehbuch Zeit, die einzelnen Charaktere im Altersheim in Ruhe vorzustellen. Dadurch werden sie und ihr Schicksal für den Zuschauer greifbarer. Es ist toll, dass eine Fernsehreihe, der jede Woche Millionen von Zuschauern folgen, wichtige Themen so unverblümt darstellt. Es bleibt zu hoffen, dass Filme wie dieser nicht nur dafür sorgen, dass am Montag plötzlich alle Eltern und Großeltern im Altenheim besucht werden, sondern langfristig nachwirken und etwas verändern.
In der nächsten Woche gibt es wieder einen "Polizeiruf 110". Dabei muss das deutsch-polnische Team Olga Lenski und Adam Raczek den Mord an einem Kleinunternehmer aufklären.
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Alle bisherigen Posts zum Thema "TV" findet ihr hier.
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