Montag, 9. April 2018

Ready Player One - Buch vs. Film

- Der folgende Text enthält Spoiler - 

Am 5. April ist der Film "Ready Player One" in den deutsche Kinos erschienen, der auf dem gleichnamigen Roman von Ernest Cline basiert. Ich habe das Buch aus dem Jahr 2010 kurz vor dem Kinostart gelesen und werde in diesem "Buch vs. Film" beide Versionen miteinander vergleichen. 

Im Jahr 2045 ist die Erde ein ziemlich trostloser Ort. Viele Menschen flüchten daher in die virtuelle Welt, die OASIS. Dessen Erfinder James Halliday (Mark Rylance) starb fünf Jahre zuvor. Vor seinem Tod hat er in der OASIS mehrere Schlüssel versteckt. Löst man die Aufgaben, erwartet den glücklichen Gewinner ein goldenes Ei, Hallidays "Easter Egg". In seinem Testament hat er veranlasst, dass die Person, die das Ei findet, sein gesamtes Vermögen erhält und außerdem Eigentümer seiner virtuellen Welt wird. Nicht nur leidenschaftliche Gamer nehmen am Rennen um das Ei teil. Die IOI (Innovative Online Industries), ein globales Firmenkonglomerat und größter Internetanbieter der Welt, will den Wettbewerb mit allen Mitteln gewinnen, um die OASIS und alle Nutzer kommerziell auszubeuten. Nach fünf erfolglosen Jahren gelingt es dem 18-jährigen Wade Watts (Tye Sheridan), als erste Person den Schlüssel zu bekommen. Als sein Avatar Parzival erlangt er nun nicht nur in der virtuellen Welt Berühmtheit, sondern wird auch von der IOI in der echten Welt verfolgt. Doch er ist nicht allein, da die Schlüssel nicht einzigartig sind, sondern nach jedem Fund wieder an der gleiichen Stelle auftauchen. Vier weitere Spieler teilen bald Wades Schicksal: sein Online-Freund Aech (Lena Waithe), die Brüder Daito (Win Morisaki) und Shoto (Philip Zhao) sowie Art3mis (Olivia Cooke), in deren virtuelle Persönlichkeit Wade schon lange verknallt ist. Sie alle wollen verhindern, dass der arrogante und gefährliche IOI-Vorsitzende Nolan Sorrento (Ben Mendelsohn) das Ei vor ihnen findet.


Eine knifflige Suche wird zum flachen Actionkampf

Der Film überzeugt vor allem optisch
Foto: Warner Bros. Pictures
Die virtuelle Realität der OASIS können sich Leser bereits im Buch durch die detailreichen Beschreibungen gut bildlich vorstellen. Da ein Großteil der Handlung an diesem Ort spielt, war ich wirklich gespannt darauf, wie er für den Film visualisiert wurde. Ich wurde definitiv nicht enttäuscht. Alles ist optisch toll umgesetzt. Die OASIS wird grandios zum Leben erweckt. Es wird veranschaulicht, wie viele unterschiedliche Welten in ihr existieren und dass jeder so aussehen kann, wie er will. Als Zuschauer taucht man wirklich in dieses kleine Universum ein und es macht Spaß, es zu erkunden. Die verschiedenen Avatare sehen ebenfalls klasse aus. Aber auch die Realität wird ansprechend übernommen. Die Kulisse passt perfekt zu der Atmosphäre einer heruntergekommenen Erde. In der ersten Szene wird Wades Zuhause in den "Stacks" gezeigt. Dieser Ort, an dem sich gigantische Türme von aufeinandergestapelten Wohnwagen befinden, klingt schon im Buch interessant. Auf der Leinwand wirkt er wirklich sehr beeindruckend. Das alles konnte mich während des Films beeindrucken. Neben der Optik kommt allerdings noch ein weitaus wichtigerer Aspekt hinzu: der Inhalt. Leider konnte der mich nicht wirklich überzeugen. Jeder, der das Buch gelesen hat, wird beim Film schnell merken, dass er anders ist. Sehr anders. Ich habe den Roman einen Tag vor meinem Kinobesuch beendet. Die Geschichte hatte ich also noch gut im Gedächtnis. Aber selbst Leser, die früher zum Original gegriffen haben, werden wohl die Veränderungen bemerken. Für mich wirkt es so, als wäre nur die Grundidee eines virtuellen Wettbewerbs genommen worden, um daraus einen reinen Actionfilm zu machen. Die Suche nach den drei Schlüsseln und das Meistern der Aufgaben ist reine Nebensache und hat im Gegensatz zum Buch auch kaum noch etwas mit der Popkultur der 80er Jahre zu tun. Im Roman erwacht dieses Jahrzehnt regelrecht zum Leben. Als Leser kann man die Liebe (und teilweise auch leichte Obsession) dazu auf jeder Seite spüren. Im Film ist von alldem kaum etwas zu merken. Keine einzige der Aufgaben, die Wade im Roman löst, wurde für die Adaption übernommen. Dass nicht alle vorkommen können, macht Sinn. Dafür sind sie zu komplex und langwierig und die Laufzeit des Films soll ja nicht fünf Stunden sein. Aber ich finde es schade, dass nicht mal eine der Aufgaben eingebaut wurde. 
Wade in der Realität, während sein Avatar Abenteuer erlebt
Foto: Warner Bros. Pictures
Insgesamt wirkt das ganze Spiel weniger anspruchsvoll. Im Buch vergehen Monate zwischen Wades Fund des ersten Schlüssels und dem Ende des Wettkampfs. Im Film scheint alles in wenigen Stunden, vielleicht Tagen zu passieren. Das macht den Sieg deutlich unspektakulärer. Das liegt aber wohl auch daran, dass die Rätsel relativ simpel gestaltet sind, während sie im Buch viel Wissen und Können verlangen. In einem Teil des Spiels muss Wade in die Rolle des Protagonisten aus dem Film "WarGames" schlüpfen und jede Szene exakt nachspielen. In einer anderen Aufgabe geht es darum, den Highscore von "Pac-Man" zu knacken, was fast unmöglich ist. Für so etwas muss man wirklich ein echter Nerd sein. In der Adaption landet die Gruppe beispielsweise in einer Simulation des Horrorfilms "Shining", wo ein Schlüssel versteckt liegt. Statt Wissen über den Film anzuwenden, kämpfen sie gegen Zombies, die im Original nicht mal vorkommen und tanzen am Ende mit einer virtuellen Version von Kira (Perdita Weeks), Hallidays Schwarm aus Jugendzeiten. Der Zuschauer erfährt übrigens fast gar nichts über diese Frau und es wird nicht verständlich, wieso sie eine so große Rolle im Spiel bekommen hat. Noch komischer ist aber das abgedrehte Autorennen um den ersten Schlüssel. In fünf Jahren hat es keiner geschafft, das Rennen zu beenden. Die Lösung: Man muss beim Start rückwärts fahren. Dadurch gelangt man auf eine unterirdische Fahrbahn ganz ohne Hindernisse. Es ist extrem unglaubwürdig, dass auf diese Idee in FÜNF JAHREN niemand gekommen ist! Mal abgesehen davon, dass dafür kein Wissen über irgendetwas gebraucht wird. Nachdem es also Jahre gedauert hat, um das erste Rätsel zu lösen, soll der Zuschauer ernsthaft glauben, dass alle anderen Aufgaben innerhalb kürzester Zeit machbar sind? Das ergibt nicht wirklich Sinn. 

Charaktere begeistern im Buch, aber enttäuschen im Film

Wades Alter Ego Parzival
Foto: Warner Bros. Pictures
Die Glaubwürdigkeit der Hauptpersonen ist im gesamten Film ein Problem für mich. Im Roman brennen die Figuren für die Popkultur und vergöttern Halliday und sein Lebenswerk. Das ist teilweise etwas übertrieben und manchmal war ich definitiv genervt, wenn Wade den Lesern sein endloses Wissen präsentiert hat. Aber gerade das macht diese Charaktere so glaubwürdig! Ich habe ihnen zu hundert Prozent geglaubt, dass sie Nerds und perfekt für die Suche nach dem Ei sind. Es macht Sinn, dass sie letztendlich so weit kommen. Im Film hingegen sind die Figuren nicht wirklich herausragend. Besonders Aech, Daito und Shoto bleiben sehr eindimensional. Ich finde es schwierig, sie als leidenschaftliche Geeks wahrzunehmen, weil sie eher wie typische Charaktere in einem Actionfilm wirken und kaum Persönlichkeit haben. So ist Aech beispielsweise nur dafür da, hier und da ein paar coole Sprüche rauszuhauen.
Samantha (alias Art3mis) ist genau bis zu dem Zeitpunkt interessant, als sie und Wade in der realen Welt aufeinandertreffen. Als ihr Avatar erscheint sie sehr stark, clever und geheimnisvoll. In der Realität sieht der Zuschauer davon nicht mehr wirklich viel und sie wird schnell in die Rolle des Love Interests gedrängt. Die Liebesgeschichte finde ich in beiden Versionen nicht wirklich gut gelungen, weil die zwei einfach keine Chemie haben. Im Film entwickelt sich die Beziehung allerdings viel zu schnell und wird dadurch noch unglaubwürdiger. Was mich aber besonders stört, ist die merkwürdige "Rebellion", der die junge Gamerin angehört. Sie spielt für ungefähr fünf Minuten eine Rolle, nur um dann nie wieder erwähnt zu werden. Beim ersten Zusammentreffen mit der IOI werden alle gefasst. Was auch immer mit ihnen passiert, der Zuschauer erfährt es nicht und hat sie sicher nach zehn Minuten bereits vergessen. Was ist das bitte für eine Rebellion? So etwas existiert im Buch überhaupt nicht. Die Charaktere bleiben für sich und sträuben sich sogar, als Team zu spielen. In der Verfilmung werden sie quasi ab der ersten Sekunde zu Freunden und meistern die Aufgaben als Team. Diese Änderung ist die einzige, die ich nachvollziehen kann. Es wäre wahrscheinlich weniger interessant gewesen, über ein Drittel des Films nur Wade als handelnde Figur zu sehen, so wie es im Buch der Fall ist. Trotzdem finde ich es etwas unglaubwürdig, wie schnell diese eigentlich sozial eher unangepassten Nerds sich bei der ersten Gelegenheit zusammentun. 
Samantha und Wade treffen in der echten Welt aufeinander
Foto: Warner Bros. Pictures
Im Roman punktet Wade durch sein kluges Handeln. Nach der verheerenden Explosion, durch die Sorrento ihn umbringen wollte, legt er sich eine neue Identität an. Er lässt IOI weiter im Glauben, er sei tatsächlich gestorben. Im Film wird er kurze Zeit nach der Explosion von Sorrento entdeckt. Sein Verhalten wirkt einfach sehr viel unüberlegter. Leider fehlt ein bestimmter Teil, der mir im Original so ziemlich am besten gefallen hat, weil er zeigt, wie durchdacht Wade gegen IOI vorgeht, komplett. Das Unternehmen ist die einzige bekannte Autorität und hat enormen weltweiten Einfluss. Menschen, die sich verschuldet haben, werden festgenommen, als Zwangsarbeiter eingesetzt und rund um die Uhr überwacht. Sie werden bis zu ihrem Lebensende ausgebeutet. Im Roman lässt Wade sich mit Absicht von der IOI festnehmen. Er schafft es, belastendes Material zu sammeln und wieder zu fliehen. Erstens fand ich diese Wendung richtig gut, weil sie nochmal viel Spannung erzeugt. Außerdem wird dadurch veranschaulicht, wie böse IOI und wie dystopisch die Welt wirklich ist. Der Film lässt diesen gesamten Handlungsstrang aus. Der dystopische Aspekt ist zwar immer noch erkennbar, als das Unternehmen Samantha festnimmt, wird aber deutlich oberflächiger behandelt.
Immerhin gibt es zum Schluss noch eine Übereinstimmung. Wie in der Vorlage geht es um die Botschaft, dass keine noch so gute virtuelle Realität das echte Leben ersetzen kann. Im Gegensatz zum Roman geht der Film sogar noch einen Schritt weiter und gibt einen kurzen Ausblick darauf, was nach Wades Sieg geschieht. Samantha und er sorgen unter anderem dafür, dass die OASIS zweimal pro Woche "geschlossen" ist, damit die Menschen wieder mehr in der Realität leben. So etwas fehlt im Buch, da es kurz nach dem Finden des Eis endet. Doch auch das kann die Adaption für mich nicht mehr retten. 

Fazit

Die Verfilmung von "Ready Player One" nimmt zwar die Grundidee des Romans, ändert aber quasi alle Elemente, die die Geschichte ausmachen. Statt die Popkultur zum Leben zu erwecken, wird sie vielmehr als platte Kulisse für einen Actionfilm genommen. Die Suche nach dem Ei hat kaum noch etwas mit Wissen über Filme, Serien und Spiele der 80er Jahre zu tun. Auch die Charaktere unterscheiden sich stark von ihren Vorbildern aus dem Buch. Es sind keine antisozialen Nerds mehr, sondern Teamspieler, denen ich das Nerdsein nicht wirklich glauben kann. Zwar kann die Adaption optisch überzeugen, doch wenn es um den Inhalt geht, greife ich lieber wieder zum Original. 


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1 Kommentar:

  1. Danke. Genau das habe ich gefühlt als ich gestern den Film gesehen habe.

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