Mittwoch, 28. Februar 2018

Das gestohlene Juwel (Catherine Coulter & J.T. Ellison) - Rezension

Temperaturen unter null Grad, Eis, Schnee... Was gibt es da Schöneres, als sich mit einem Buch und einer warmen Decke auf dem Sofa zu verkriechen? Meine Lesestoff-Wahl fiel diesmal auf "Das gestohlene Juwel", den Auftakt der "A Brit in the FBI"-Reihe von Catherine Coulter und J.T. Ellison. Der Thriller des Autorinnen-Duos ist in den Vereinigten Staaten bereits 2013 erschienen. In Deutschland folgte die Veröffentlichung erst fünf Jahre später - Mitte Februar 2018 bei Edition M. In der E-Book-Version ist der Roman 559 Seiten lang.

In New York City wird die Leiche von Elaine York im Hudson River gefunden. Die Scotland Yard-Polizistin gehörte einem Team an, das den Transport der britischen Kronjuwelen ins New Yorker Metropolitan Museum of Art organisiert hat. Die unbezahlbaren Kostbarkeiten sollen dort in einer einmaligen Sonderausstellung gezeigt werden. Elaines Ex-Freund und Scotland Yard-Kollege Nicholas Drummond macht sich auf den Weg nach New York, um die Ermittlungen des FBI zu unterstützen. Noch im Flugzeug erfährt er, dass der 108-karätige Koh-i-Noor-Diamant, der die Krone der Königinmutter schmückte, gestohlen wurde. Im Gegensatz zu seinen neuen Kollegen, glaubt Nicholas nicht, dass Elaine in den Raub verwickelt war. Er hält den ominösen international agierenden Kunstdieb "Fuchs" für den Täter. Gemeinsam mit FBI-Agentin Michaela "Mike" Caine und ihrem Team stürzt sich Nicholas in einen brisanten und lebensgefährlichen Fall, der sie durch halb Europa führt.


Spannender Thriller mit seltsamem Motiv

Cover ist kitschig, Buch nicht
Foto: Edition M
Eins direkt vorweg: Von all den Büchern, die ich in den letzten Monaten gelesen habe, ist "Das gestohlene Juwel" definitiv eines der besten. Das liegt vor allem an der ungewöhnlichen Geschichte. Viele Krimis folgen einem strikten Muster: Es geschieht ein grausamer Mord unter abstrusen Umständen, der von Kommissaren aufgeklärt werden muss, die durch schwere Schicksalsschläge in ihrer Vergangenheit gezeichnet sind. Coulter und Ellison wählen jedoch einen ganz anderen Weg. Elaine Yorks Tod spielt nur eine untergeordnete Rolle. Stattdessen steht der Juwelenraub im Fokus der Ermittlungen. Diebstähle bilden selten den Kern von Krimis, da sie im Gegensatz zu Mord, Entführung und Vergewaltigung deutlich weniger emotional und spannend sind. Die Autorinnen bringen es jedoch fertig, die Handlung um den verschwundenen Diamanten aufregend und vielseitig zu erzählen. Es gibt viele verschiedene Sichtweisen, Rückblicke und Schauplätze, die im Laufe der Handlung langsam miteinander verknüpft werden, bis sich letztendlich ein klares Bild ergibt. Am Ende werden alle zentralen Fragen beantwortetet und es gibt kaum Unstimmigkeiten - ein wirklich großer Pluspunkt bei einem Krimi! Coulter und Ellison legen angenehmerweise auch keinen Wert darauf, zu schocken. Sie beschreiben nicht jede Verstümmelung bis ins kleinste Detail, geizen mit Blut und verzichten auf abartige Tötungsarten. Stattdessen erfährt der Leser viel über die Stimmung während des Falls. Im Laufe des Thrillers wird in zahlreichen Städten ermittelt, dabei lassen die Autorinnen Genf, Paris oder London vor dem geistigen Auge der Krimifans lebendig werden. 
Nur das Motiv des Drahtziehers verpasst der sonst sehr unterhaltsamen und interessanten Handlung einen Dämpfer. Das Autorinnen-Duo erzählt in 99 Kapiteln einen bodenständig Kriminalfall, in dem letztendlich jedes Puzzleteil an seinen Platz fällt und jeder Schritt logisch ist. Der völlig weltfremde Plan des Täters passt dabei überhaupt nicht zum Rest der Geschichte. Sein Grund, wieso er den Diamanten besitzen möchte, würde eher zu einem Science-Fiction- oder Fantasy-Roman passen ("Er würde es sein, der die Steine wieder vereinte. Die Macht des Steins würde ihm gehören, nur ihm alleine, und er würde die Welt nach seiner Vorstellung formen."). In einem ansonsten grundsoliden Krimi wirkt er einfach nur deplatziert und lachhaft. Der Leser erfährt innerhalb der Handlung und in einem informativen Zusatzkapitel am Ende viel über die wahren Hintergründe des Koh-i-Noor-Diamanten und die Sagen, die ihn umgeben. Seine Geschichte ist überaus tragisch und blutig. Es hätte daher genug Motive für verschiedene Privatpersonen und Länder gegeben, den Stein stehlen zu wollen. Es ist daher nicht verständlich, wieso die Autorinnen anstelle eines nachvollziehbaren Motivs, ausgerechnet Magie als Erklärung wählen. Vielleicht bringen sie auch deshalb "Harry Potter"-Referenzen ein ("Wenn sie Lady Pamela war, was mache das dann aus ihre Ehemann? War er Sir Nicholas? War das nicht eher dieser kopflose Geist aus... egal."). Der einzige andere Aspekt, der zu krass in die Fiktion abrutscht, ist die Figur Lacey Sherlock. Die FBI-Agentin hat die Gabe, mit einem Blick auf den Tatort zahlreiche Fakten und Details zu erkennen, die ansonsten erst nach langen Untersuchungen gefunden worden wären. Die Parallelen zu Sherlock aus der gleichnamigen BBC-Serie sind nicht gerade dezent. Außerdem funktioniert ihre Fähigkeit zu perfekt und effektiv, um noch als glaubwürdig durchzugehen.

Ermittler ohne Probleme, dafür mit Humor

Autorin Catherine Coulter
Foto: Charles Bush
Trotz ihres fast übernatürlichen Talents ist Lacey Sherlock ein bodenständiger Charakter - wie auch ihre Kollegen. In der letzten Zeit habe ich kaum einen Krimi gefunden, in dem nicht bereits im Klappentext auf das "dunkle Familiengeheimnis" oder die "dramatische Vergangenheit" des ermittelnden Beamten hingewiesen wurde. Die Protagonisten in "Das gestohlene Juwel" sind da eine willkommene Ausnahme. FBI-Agentin Mike Caine und Scotland Yard-Officer Nicholas Drummond haben intakte Familien, keine Mörder in ihrem Umfeld und auch keine lebensbedrohlichen Krankheiten. Zwar ist Letzterer durch den Mord an seiner Ex-Freundin emotional betroffen, doch er lässt sich nie von seinen Gefühlen ablenken. Die beiden Ermittler sind intelligent, menschlich und sympathisch. Sie ergänzen sich auch perfekt. Während Nicholas durch seine Vergangenheit als Spion gerne bereit ist, die Grenzen der Legalität zu überschreiten, ist Mike der Inbegriff von reinem Gewissen. Ihre Der-Zweck-heiligt-nicht-die-Mittel-Einstellung hat sie bereits im Auftaktband zu einem meiner liebsten Buch-Ermittler werden lassen ("Meine Regeln, wie du sie nennst, sind das, was mich von jenen unterscheidet, die ich jage."; "Wir werden nicht selbst kriminell werden, um Kriminelle zu fassen."). Ich freue mich darauf freue, die nächsten Teile der "A Brit in the FBI"-Reihe mit diesen starken Figuren zu lesen.
Autorin J.T. Ellison
Foto: Suzanne DuBose
Es ist auch angenehm, wie effizient und problemlos die Teammitglieder zusammenarbeiten, obwohl sie aus verschiedenen Abteilungen und zum Teil auch aus verschiedenen Ländern kommen. Auf interne Machtspielchen und Zickereien à la Dortmunder "Tatort" wird verzichtet - genauso wie auf arrogante Chefs, die ihre Untergebenen grundlos unter Druck setzen. Dadurch verliert sich die Handlung nie in Belanglosigkeiten und ermöglicht es, eine stringente und logische Geschichte zu erzählen. Die ist für einen Krimi auch überraschend humorvoll. Mike und Nicholas liefern sich einen witzigen Schlagabtausch nach dem anderen ("'Ich wüsste nicht, wen ich lieber an meiner Seite hätte.' 'Wenn wir beide deinetwegen sterben, nehme ich dir das ernsthaft übel.'") und haben selbst in stressigen Situationen immer einen amüsanten Spruch auf den Lippen ("'Erklärt mir doch bitte mal, wie ihr mit einem Auftragskiller auf dem Dach gelandet seid?' 'Mehr Bewegungsfreiheit als in der Lobby', winkte Nicholas ab."). Der Humor wird wohldosiert eingesetzt. Er lenkt nie von der Handlung ab, sondern bereichert sie, indem er die Stimmung auflockert und die menschliche Seite der FBI-Agenten zeigt. 

Fazit

"Der gestohlene Juwel" ist ein unterhaltsamer Thriller, dessen ungewöhnliches Thema ihn von anderen Büchern desselben Genres abhebt. Die Geschichte ist spannend und wirkt durch ihre originalgetreuen Schauplätze sowie die echten Sagen sehr realistisch. Einziges Manko ist das abstruse Motiv des Drahtziehers, da dem Leser suggeriert wird, dass in der ansonsten völlig normalen Welt Magie real sei. Dieses Szenario passt nicht zum logischen, bodenständigen Rest der Handlung. Ein großes Highlight ist das sympathische Ermittlerteam, allen voran die beiden Protagonisten. Die Charaktere werden nicht über persönliche Dramen definiert, sondern über ihre Fähigkeiten als Agenten. Sie sind humorvoll und haben immer wieder clevere Ideen, wie sie eine Situation zu ihren Gunsten drehen können. "Der gestohlene Juwel" ist ein vielversprechender Einstieg in eine Thriller-Reihe. Mit dem zweiten Band werde ich noch heute beginnen.


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Sonntag, 25. Februar 2018

Tatort: Borowski und das Land zwischen den Meeren - Rezension

Der Mord zum Sonntag hat Tradition, deshalb sind auch wir mit Rezension und Live-Tweets (@WatchReadTalkdabei.


Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) wird von seinem Chef Roland Schladitz (Thomas Kügel) auf die beschauliche Insel Suunholt geschickt, um die Todesumstände von Oliver Teuber (Beat Marti) aufzuklären. Der war vor einigen Monaten in einen Kieler Korruptionsskandal verwickelt, verschwand aber spurlos vor dem Prozess. Nun ist er wieder aufgetaucht: ertrunken in der Badewanne seiner neuen Lebensgefährtin Famke Oejen (Christiane Paul, Paranoid). Für die völlig aufgelöste Frau steht fest: Die Inselbewohner haben ihnen das Glück nicht gegönnt und daher ihren Liebsten umgebracht. Die potenziellen Verdächtigen, darunter ihre Ex-Affäre Torbrink (Yorck Dippe) und Schweinezüchter Iversen (Marc Zwinz), können über die Anschuldigungen nur müde lächeln. Im Dorf ist Famke aufgrund ihres hohen Männerverschleißes verschrien. Die lokalen Polizisten Maren Schütz (Anna Schimrigk) und Gunnar Peters (Jörn Hentschel) schenken den Theorien der Trauernden ebenfalls wenig Beachtung. Borowski wird jedoch in den Bann der Frau gezogen und lässt alle professionelle Distanz außer Acht.

Keine Erklärungen, dafür viele Klischees

Die ganze Handlung wirkt verloren
Foto: NDR
Nach dem letzten Fall aus Kiel "Borowski und das Fest des Nordens" ist Kommissarin Sarah Brandt (Sibel Kekilli) sang- und klanglos ausgestiegen. Da die Reihenfolge der Erstausstrahlungen verändert wurde, war ihr Abschied für den Zuschauer nicht wirklich schlüssig. In dieser Folge gibt es auch keine Erklärung. Borowskis Partnerin ist einfach nicht mehr da und Kriminalrat Schladitz will, dass er sich einen Stapel Bewerbungen ansieht. Wer das Rennen macht, wird im "Tatort" nicht verraten, bekannt ist es aber sowieso schon: Demnächst wird Almila Bagriacik als Mila Sahin das Kieler Team unterstützen. Borowskis aktuelle Einsamkeit tut ihm jedenfalls gar nicht gut. Normalerweise ist er ein bodenständiger, gründlicher und manchmal etwas schlecht gelaunter Ermittler, der ohne viel Drama auskommt. In dieser Folge verhält er sich jedoch völlig untypisch. Er schleicht gelangweilt durch den Fall, überlässt den ortsansässigen Polizisten einen Großteil der Arbeit und unterwirft sich Famkes Charme (Borowski: "Ich hatte keinen Sex mit ihr. Ich habe nicht mit ihr geschlafen, nein, nein. Aber wir sind uns nah gekommen. [Schladitz brummt] Jetzt lenk' nicht ab, Roland!"). Nur Borowskis Verschlossenheit ist unverändert. Der Zuschauer erfährt nicht, wieso sich der Ermittler so seltsam verhält. Er wirkt weder traurig, noch nachdenklich, noch ehrlich verliebt. Das macht es schwer, seinen Sinneswandel ernst zu nehmen. Was genau er an Famke so faszinierend findet, wird ebenfalls nicht klar. Eine ähnlichen Handlungsstrang hat es vor wenigen Monaten im Bremer "Tatort: Zurück ins Licht" gegeben. Kommissar Stedefreund war damals auch einer verdächtigen Femme fatale verfallen. Während der aber beseelt war vor Liebe und Leidenschaft, verhält sich Borowski nicht emotionaler als sonst. Er kuschelt nachts mit Famke, die ganze Szene erscheint jedoch sehr steif und kühl. Das ist die Trauernde aber sowieso. Sie scheint viele Geheimnisse zu haben, von denen der Zuschauer allerdings mal wieder nichts erfährt. Wovon lebt sie beispielsweise? Sie jobbt als Aushilfe in der Bäckerei, geht dieser Tätigkeit aber nicht gerade sorgfältig nach (Famke: "Ich habe in der Bäckerei angerufen und Bescheid gesagt, dass ich nicht komme." Borowski: "Warum?" Famke: "Mir war nicht danach."). Sie gibt praktisch nichts über sich preis. Dadurch wirkt sie nicht mysteriös, wie es von den Drehbuchautoren Peter Bender, Ben Braeunlich und Sven Bohse vermutlich angedacht war, sondern einfach nur farblos.


Mehr Spannung? Noch ein paar Liter Blut!

Schade, dass Schütz nicht Borowskis neue Partnerin wird
Foto: NDR/Christine Schroeder
Alle anderen Charaktere entsprechen den Klischees, die jeder Insel-Krimi zeichnet, der nicht gerade auf Sylt spielt: Die Suunholter sind einfältig, engstirnig und weltfremd, tragen Wollkleidung in Naturfarben und verbringen ihre Freizeit in der einzigen Dorfkneipe. Nur Margot Hilse (Heike Hanold-Lynch) wird etwas differenzierter dargestellt. Dafür ist die streng religiöse Frau so stark überzeichnet, dass sie noch unglaubwürdiger erscheint als ihre Nachbarn. Sie hält flammende Reden über den Teufel - ihrer Auffassung nach Famke Oejen - und wirkt wie aus einem anderen Jahrhundert. Mich hat sie stark an Mary Lou Barebone erinnert, die ihre Mitmenschen im Film "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" zur Hexenverfolgung anstachelt. Deren wenig gesprächiger, gruseliger Sohn Credence ähnelt wiederum Hilses stummem, beunruhigenden Gehilfen Daniel (Leonard Carow). Bei den Charakteren gibt es nur einen Lichtblick: die Polizistin Maren Schütz. Sie ist als Einzige auf der Insel lebendig. Alle andere wirken lethargisch und gelangweilt. Sie stürzt sich währenddessen mit viel Enthusiasmus in die Ermittlungen und versucht erfolglos, die Menschen in ihrem Umfeld aufzuwecken (Schütz: "Was halten Sie denn von einer ersten Besprechung, so um 12? Dann lernen wir uns alle mal kennen." Borowski: "Das ist eine nette Idee, aber ich muss los. Ich habe eine Verabredung. Sagen Sie den Kollegen doch einfach 'Hallo'."). 
Oliver Teubers Tod ist qualvoll und dramatisch
Foto: NDR/Christine Schroeder
Vor dem Fernseher ist es zeitweise ebenfalls nicht leicht, wach zu bleiben. Bereits die Anfangsszene ist ein wahrer Kraftakt. Regisseur Sven Bohse lässt Famke aus dem Off die "Halligfahrt" von Theodor Storm rezitieren, unterlegt von Meeresrauschen. Nicht gerade ein Muntermacher. Der Rest des Krimis ist auch eher ruhig. Düsterer Himmel, Meer, Gespräche, schlafende Charaktere, Autofahrten... und zwischendurch jede Menge Blut! Obwohl "Borowski und das Land zwischen den Meeren" einer der verschlafensten Krimis der letzten Wochen ist, hat er dennoch einige wirklich abgebrühte Gewaltszenen. Oliver Teubers Todeskampf in der Badewanne wird beispielsweise komplett gezeigt. Seine strampelnden und schließlich erschlaffenden Beine stellen die Hilflosigkeit sehr anschaulich dar. Kleiner Spoiler: Er ist bei Weitem nicht der einzige Tote in diesem "Tatort" und die anderen sterben auf noch deutlich grausamere Weisen. Hier scheint das Motto wohl gewesen zu sein: Was hält den Krimifan besser wach als literweise Blut? In einer Szene liegen zwei geschundene Leichen mit gefalteten Händen in ihren eigenen Körperflüssigkeiten, während im Hintergrund ein Kirchenchor ein düsteres Lied schmettert. Die Szene hätte auch im Frankfurter Horror-Krimi "Fürchte dich" vorkommen können.

Fazit

"Borowski und das Land zwischen den Meeren" ist für Kieler Verhältnisse schwach. Das liegt vor allem an den blassen, lieblosen Charakteren, die sich wie Zombies durch die Handlung schleppen und keinen Einblick in ihre Gefühle geben. Der Zuschauer kann nur vermuten, was in ihren Köpfen vorgeht. Die Liebelei zwischen dem Kommissar und der trauernden Verdächtigen wirkt erzwungen und aus der Luft gegriffen, da keiner der beiden echte Emotionen zeigt. Der Kriminalfall ist ebenfalls sehr unmotiviert. Bis auf ein paar grafische Todesszenen gibt es so gut wie keine Spannung. Stattdessen wird die Laufzeit mit zahlreichen Landschaftsaufnahmen, schlecht animierten Traumsequenzen und Textstellen aus einer Novelle des 19. Jahrhunderts überbrückt. Diesen "Tatort" kann leider auch die erfrischende, witzige Dorfpolizistin nicht mehr retten. 


Nächste Woche läuft der Krimi, auf den vermutlich niemand gewartet hat. In "Waldlust" improvisiert das Ludwigshafener Team um Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) zum zweiten Mal einen "Tatort". Schauplatz ist ein Hotel im Schwarzwald, wo die Ermittler eigentlich ein Coaching-Wochenende verbringen sollen. Als sie aber einen menschlichen Knochen im vegetarischen Abendessen finden, begeben sie sich auf Spurensuche - ohne Drehbuch.

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Freitag, 23. Februar 2018

Beck is back! - Rezension

Seit Ende Januar zeigt RTL dienstags zwei eigenproduzierte Comedy-Serien. Auf "Sankt Maik" sind wir bereits in einem früheren Post eingegangen (hier geht es zu unserer Rezension). Nun geht es um "Beck is back!". Normalerweise rezensieren wir ausschließlich vollständige Staffeln, weil man nie sicher sein kann, ob die Folgen nicht qualitativ signifikant ab- oder zunehmen. Da RTL die Episoden allerdings nur 30 Tage nach Ausstrahlung gratis zur Verfügung stellt, haben wir uns entschlossen, eine Ausnahme zu machen und schon nach der ersten Hälfte der Staffel eine Kritik zu schreiben. Falls ihr die Serie also nicht kennt, könnt ihr sie momentan noch kostenlos von Anfang an gucken

Hannes Beck (Bert Tischendorf) hat zwar Jura studiert und beide Staatsexamen bestanden, aber nie als Anwalt gearbeitet. Stattdessen ist er glücklicher Hausmann und kümmert sich um seine vier Kinder Lena (Deborah Schneidermann), Luca (Louis Christiansen), Oskar (Oskar Weiss) und Emma (Jolina Uhrig), während seine Ehefrau Kirsten (Annika Ernst, ermittelt dienstags zeitgleich bei Sat.1 als Kommissarin in "Einstein") Karriere macht. Durch eine missglückte Überraschung erfährt Hannes, dass ihn seine Liebste mit ihrem Kollegen, dem Staatsanwalt Marius Wachta (René Steinke, Pastewka), betrügt. Der gehörnte Ehemann zieht mit allen vier Kindern in eine eigene Wohnung und beschließt, wieder arbeiten zu gehen. Als Pflichtverteidiger vertritt er nun Mandanten, die sich keinen Rechtsbeistand leisten können. Ernüchtert muss der frischgebackene Single jedoch feststellen: Seine Jura-Kenntnisse sind mittlerweile veraltet und ihm ist die fehlende Praxis deutlich anzumerken. Da trifft es sich gut, dass seine neue Putzfrau Jasmina Božic (Andreja Schneider) in ihrer Heimat Kroatien als Richterin gearbeitet hat. Fortan unterstützt sie Beck als Anwaltsgehilfin. Als erste Amtshandlung organisiert sie ihrem neuen Chef ein eigenes Büro - in der Abstellkammer eines Schnellimbisses.


- Die Rezension bezieht sich ausschließlich auf die ersten fünf "Beck is back!"-Folgen -

Tolle Protagonisten in dröger Handlung

Jasmina ist der nicht-so-heimliche Star der Serie
Foto: RTL
Vier Jahre ist es her, dass Danni Lowinski in der gleichnamigen Sat.1-Serie an einem Klapptisch gesessen und ihre Rechtsberatung für einen Euro pro Minute angeboten hat. Mit Hannes Beck gibt es nun wieder einen Anwalt, der für das Recht der kleinen Leute kämpft. Immerhin hat er es leichter als Danni: Durch Ehefrau und Studium kennt er bereits einige seiner neuen Kollegen und muss auch nicht um Mandanten kämpfen, da sie ihm vom Gericht zugeteilt werden. Dabei hat er stets großes Glück, denn seine Klienten sind grundsätzlich entweder unschuldig oder waren nicht in vollem Umfang am Verbrechen beteiligt. So gewinnt der Berufseinsteiger einen Fall nach dem anderen. Schön für ihn, langweilig für den Zuschauer, da die Folgen dadurch nicht wirklich spannend sind. Interessant sind lediglich Becks und Jasminas unorthodoxe Methoden, den Tathergang zu rekonstruieren. Die letztendliche Aufklärung ist dann nur eine Formsache, da bereits zu Beginn klar ist, dass der Mandant sowieso auf freiem Fuß bleibt. Das ist besonders schade, da Hannes Pflichtverteidiger im Bereich Strafrecht ist und damit die schweren Verbrechen wie Mord, Totschlag und Entführung betreut. Es gäbe dementsprechend viele Möglichkeiten, wie die Fälle ausgehen könnten, leider werden sie verschenkt. Während es bei den Fällen noch hapert, ist die persönliche Geschichte des Protagonisten deutlich interessanter.
Hannes (2.v.r.) bringt Familie & Job unter einen Hut
Foto: MG RTL D/Conny Klein
Hannes ist ein vielschichtiger, moderner Charakter, wie man ihn ihm Fernsehen noch viel zu selten findet. Er hat sich gegen die Karriere und für seine Kinder entschieden, ist mit der Wahl aber nie unzufrieden gewesen. Plötzlich muss er sich und vier Sprösslinge alleine ernähren, dazu noch Jasmina bezahlen. Dennoch will er von seiner Exfrau nicht mehr als den gesetzlich geregelten Unterhalt und den Rest selbst verdienen. Hausfrauen, die nach der Untreue ihres Mannes mit den Kindern alleine dastehen, gab es im Fernsehen schon häufiger. Die umgekehrte Rollenverteilung ist eine willkommene Abwechslung, vor allem da nicht auf ihr herumgeritten wird. Zwar bekommt Hannes zu Beginn ein paar schiefe Blicke, doch im Großen und Ganzen werden er als Vollblut-Papa und Kirsten als Karrierefrau von ihrem Umfeld akzeptiert. Selten habe ich familiäre Szenen gesehen, die so natürlich und ungezwungen wirken, wie die zwischen Hannes und seinen Kindern. Das liegt vor allem an Hauptdarsteller Bert Tischendorf. Er spielt seine Rolle als Vater so überzeugend, als würde es sich bei der Rasselbande tatsächlich um seine eigenen Sprösslinge handeln. Die tolle Chemie und der lockere Umgang zwischen ihm und den Nachwuchsschauspielern ist eine von zwei großen Stärken der Serie. Die andere ist Jasmina. Die kroatische Ex-Richterin ist mit ihrer sympathischen, resoluten Art und ihrem Charme das Highlight jeder Folge. Ihre spontanen Undercover-Einsätze sind sehr amüsant und hätten ein eigenes Spin-Off verdient. Obwohl die Figur aufgedreht und leicht überzeichnet ist, bewahrt sie sich trotzdem eine gewisse Bodenständigkeit, die vielen anderen Charakteren leider fehlt.

Verliebte Barbie trifft auf Klischee-Bösewicht 

Susanne (l.) und Wachta (r.) sind eindimensional
Foto: RTL
Zwei Negativbeispiele sind Kirstens neuer Freund, der Staatsanwalt Marius Wachta und Susanne (Julia Dietze), Becks Flamme aus Studienzeiten. Letztere ist schlicht und ergreifend langweilig. Ihre einzige Funktion ist es, das Objekt von Hannes' Begierde zu sein. Mit verträumter Stimme und glasigem Blick läuft sie durchs Gericht und wirkt beim besten Willen nicht wie eine erfolgreiche Familienanwältin. Die Rolle ist sehr unausgereift - als sei sie in letzter Sekunde ins Drehbuch geschrieben worden, um eine romantische Nebenhandlung zu erzwingen. Susanne hat nicht wirklich viel Persönlichkeit und über ihr Leben außerhalb der Schwärmerei für Beck erfährt der Zuschauer nur sehr wenig. Staatsanwalt Wachta ist sogar noch simpler und eindimensionaler. Er tut nichts anderes, als Beck vor Gericht das Leben schwer zu machen und den Fall schließlich kolossal zu verlieren. Eigentlich kann man ihn nur als Karikatur bezeichnen, da er sich einfach nicht wie eine echte Person verhält. Bei Gerichtsverhandlungen erinnert er Beck stets daran, dass er mit dessen Frau schläft. Seine hämischen Kommentare sind in keinster Weise lustig, sondern einfach nur dumm und platt. Damit der Zuschauer versteht, dass die Sprüche eigentlich amüsant sein sollten, lacht der Staatsanwalt selbst übertrieben laut und künstlich. In einer Szene wiegt er sich dabei vor und zurück - als sei er der Bösewicht in einem Kinderfilm. Für eine Comedy-Serie ist "Beck is back!" tatsächlich nicht sehr lustig. Die Stellen, an denen ich herzhaft gelacht habe, kann ich an einer Hand abzählen. Das ist nicht unbedingt schlecht, da die Sendung viele ernste Themen, wie beispielsweise Vergewaltigung, behandelt und Humor in diesen Szenen fehl am Platz wäre. Leider gibt es jedoch viele Versuche amüsant zu sein, die mehr oder weniger scheitern. Wachta und seine peinlichen Sprüche sind ein Beispiel. Ein anderes sind die ewigen Running Gags, die schnell langweilig werden. So wird gefühlt in jeder Episode ein halbes Dutzend Mal darüber gewitzelt, dass Beck und Jasmina nach Grillhähnchen riechen. Außerdem bricht Hannes in jeder Folge nachts in ein Schwimmbad ein und zerreißt sich dabei seine Kleidung. Nach der fünften oder sechsten Wiederholung ist der Humor einfach ausgelutscht. Situationskomik wie bei "Sankt Maik" gibt es leider auch nur begrenzt - die meisten Szenen bei "Beck is back!" eignen sich wegen der ernsten Themen einfach nicht dafür. Auch hier ist Jasmina ein Lichtblick. Sie schafft es, selbst die vermeintlich alltäglichste oder tiefgründigste Situation durch eine witzige Anmerkung oder eine kecke Bemerkung in Richtung Hannes aufzulockern.

Fazit - nach fünf von zehn Folgen

"Beck is back!" ist die schwächere der beiden neuen RTL-Eigenproduktionen am Dienstag. Das liegt vor allem an den einseitigen, überzeichneten Nebencharakteren. Den meisten von ihnen fehlt es an Substanz und Glaubwürdigkeit, sodass es für den Zuschauer schwierig ist, eine Bindung zu ihnen aufzubauen. Außerdem will der teils sehr platte und simple Humor der Serie nicht zu den ernsten Themen passen, um die es im Strafgericht geht. Die persönliche Geschichte der titelgebenden Hauptfigur und die Beziehung zu seinen Mitarbeitern und seinen Kindern sind deutlich bodenständiger. Die besten Szenen sind mit Abstand die, in denen sich die beiden vielschichtigen und ungewöhnlichen Protagonisten Paroli bieten. Während sich "Sankt Maik" zu sehr auf seinen Hauptcharakter und zu wenig auf das Ensemble konzentriert, ist es bei "Beck is back!" genau umgekehrt. Hier wäre es wünschenswert, einige Nebenfiguren zu streichen und den Fokus stattdessen stärker auf Beck, seine Familie und seine Mitarbeiter zu legen.


Habt ihr "Beck is back!" schon gesehen? Wenn ja: Was hat euch besonders gefallen, was nicht? Teilt eure Meinung gerne mit uns in den Kommentaren!

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Mittwoch, 21. Februar 2018

Kinderserien der 2000er Teil 7 (Realserien) - Watch.Read.Discuss.

In unserem siebten Teil der Reihe "Kinderserien der 2000er" werden wir erneut einen Blick auf verschiedene Realserien werfen, die wir in unserer Kindheit angeschaut haben. Die vorherigen Beiträge, in denen wir über Sendungen wie "Disneys Große Pause", "Powerpuff Girls" oder "H2O - Plötzlich Meerjungfrau" diskutieren, findet ihr hier. Dieser Post gehört zur Rubrik "Watch.Read.Discuss.", bei der wir Autoren uns mit demselben Thema beschäftigen. 
Klickt auf die Titel, um euch die Intros anzuschauen.


Katrin

Zoey 101

Zoey selbst mochte ich nie
Foto: Nickelodeon
Im Fokus der Nickelodeon-Serie steht die "Pacific Coast Academy", kurz PCA, ein Internat in Kalifornien: Kaum Unterricht, tolle Zimmer, weitläufiges Areal, direkt am Strand und viele coole Aktivitäten - der Traum aller 2000er-Teenies. Zoey Brooks (Jamie Lynn Spears) ist eins der ersten Mädchen, die auf der vormals reinen Jungenschule angemeldet werden. Ihr Bruder Dustin (Paul Butcher) ist dort bereits Schüler und gar nicht glücklich darüber, dass seine große Schwester ihn vor seinen Kumpels bloßstellt. Zoey schließt schnell Freundschaft mit Dana Cruz (Kristin Herrera), Nicole Bristow (Alexa Nikolas), Chase Matthews (Sean Flynn), Michael Barret (Christopher Massey), Logan Reese (Matthew Underwood) und Quinn Pensky (Erin Sanders) - später kommen noch Lola Martinez (Victoria Justice) und James Garret (Austin Butler) dazu. Sie haben nicht viel gemeinsam, halten aber stets zusammen, wenn es um Schulstress, Liebeleien, Probleme oder Kummer geht.
"Zoey 101" war eine der Serien, die praktisch jeder geguckt hat. Sie zählt nicht zu meinen allerliebsten, aber ich habe sie wirklich gerne verfolgt. Dabei fand ich die meisten der PCA-Schüler unglaublich nervig. Ich kann Charaktere nicht leiden, deren Haupteigenschaft es ist, alles perfekt zu machen und alle anderen "auf den richtigen Weg zu führen". Zoey ist der Inbegriff dessen: Sie wird in mehrere Sportteams geholt, obwohl sie vorher nie trainiert hat; alle Mädchen wollen ihre Freundinnen sein; alle Jungs wollen sie daten; die Erwachsenen auf dem Campus wenden sich regelmäßig hilfesuchend an sie und sie macht alle Probleme zu ihren eigenen. So viel Perfektion ist langweilig und unglaubwürdig. Der einzige Charakter, der sie in diesen Punkten noch übertrifft, ist Chase. Seine einzige Funktion in der Serie ist es, bis über beide Ohren verliebt in Zoey zu sein. Dabei haben die beiden null Chemie und wirken auch sonst sehr blutleer. Cool fand ich hingegen Quinn, die sich mit ihrer Leidenschaft für die MINT-Fächer und ihrer "Mir-ist-egal-was-die-anderen-denken"-Einstellung deutlich von anderen weiblichen Figuren in Teenie-Sendungen abhebt. Die Probleme der PCA-Schüler spielen zwar manchmal in einer eigenen Liga (In einer Folge werden die Hauptcharaktere von einem Geist verfolgt und in einer anderen gibt es einen Wettbewerb, bei dem die Kinder einen Flug im Privatjet gewinnen können.), aber sind in den meisten Fällen nachvollziehbar, sodass man sich als Zuschauer mit den Figuren identifizieren kann.

Laura: "Zoey 101" habe ich damals super gerne geschaut. Ich fand das Setting auch immer richtig cool. Wer würde denn nicht an so einer coolen Schule unterrichtet werden? Allerdings ging es mir bei den Charakteren ähnlich wie Katrin. Zoey zählte nie zu meinen Lieblingsfiguren und die Liebesgeschichte mit ihr und Chase hat sich definitiv zu oft im Kreis gedreht, ohne sich ansatzweise weiterzuentwickeln. Deshalb war ich davon irgendwann nur noch genervt. Ansonsten haben mir die meisten anderen Charaktere aber gefallen. Außerdem mochte ich den Humor der Serie, auch wenn er manchmal etwas übertrieben war. 


Die Pfefferkörner

Das Original: Cem, Jana, Vivi, Fiete & Natascha (v.l.)
Foto: NDR/KiKA
Ende Dezember 1999 wurde die erste Folge der populären KiKA-Sendung ausgestrahlt. Es geht um eine Gruppe junger Detektive, die regelmäßig in Kriminalfälle verwickelt werden und diese selbstständig aufklären. In den ersten Episoden bestanden "Die Pfefferkörner" aus Anführer Fiete Overbeck (Julian Paeth), seiner kleinen Schwester Vivi (Aglaja Brix), seiner Freundin Natascha (Vijnessa Ferkic) sowie den späteren Stiefgeschwistern Jana Holstein-Coutré (Anna-Elena Herzog) und Cem Gülec (İhsan Ay). Mittlerweile ermitteln Mia Goldman (Marleen Quentin), ihre Schwester Alice (Emilia Flint), Johannes von Wied–Litzow (Luke Matt Röntgen), Bennet Jansen (Ruben Storck) und Lisha Schulze (Emma Roth) in der vierzehnten Staffel. Sie sind die neunte Generation Junior-Detektive und wurden zum ersten Mal nicht in der Serie, sondern in einem dazugehörigen Kinofilm vorgestellt.
Beim Recherchieren ist mir bewusst geworden, dass die aktuellen "Pfefferkörner" noch gar nicht geboren waren, als die erste Folge ausgestrahlt wurde - zum Teil waren sie erst bei der fünften Staffel auf der Welt. Einerseits fühle ich mich bei dem Gedanken wirklich alt, andererseits ist es cool, dass sich die Serie so lange gehalten hat und noch immer Millionen von Kindern begeistert. Einer der Gründe dafür ist, dass sich die Geschichten weiterentwickeln. Die Sendung hat immer Themen angesprochen, mit denen viele junge Zuschauer sonst nicht oder selten in Berührung gekommen sind - schon gar nicht im KiKA-Programm. In meiner Generation gab es zum Beispiel eine Folge, in der Fietes Eltern ihn und Natascha im Bett erwischt haben, in einer anderen wurde nach Pflegeeltern für ein verwaistes Mädchen gesucht. 2017 gab es Themen wie das Mobbing einer Transgender-Schülerin und die Situation von unbegleiteten Minderjährigen in Flüchtlingsheimen. Ich finde es klasse, dass sich die Sendung über all die Jahre hinweg an der Lebenssituation der Zuschauer orientiert hat und immer realistisch geblieben ist. Zwar wurden nie so krasse Szenarien angesprochen wie bei der anderen KiKA-Reihe "Krimi.de", aber "Die Pfefferkörner" richten sich auch an eine etwas jüngere Zielgruppe. Ich habe die Serie jedenfalls geliebt, da ich mich gut mit den Hauptcharakteren identifizieren konnte und es immer toll fand, wie sie aus ihrer eigenen Motivation, Kraft und Intelligenz heraus Fälle gelöst haben.

Laura: Diese Sendung habe ich damals richtig gerne geschaut und mir persönlich hat sie auch immer besser gefallen als "Krimi.de". Das lag wahrscheinlich daran, dass ich die Charaktere sehr sympathisch fand und die Fälle immer spannend. Ich kann mich jedenfalls noch daran erinnern, dass ich keine Folge verpassen wollte. Als es doch mal passiert ist, war ich ziemlich traurig - damals gab es schließlich noch nicht die Möglichkeit, die Episoden einfach so im Internet anzuschauen. 


Laura

Clarissa

Clarissa ist bekannt für ihren bunten Kleidungsstil
Foto: Nickelodeon
In dieser Sendung geht es um das Leben der 14-jährigen Clarissa Darling (Melissa Joan Hart). Hauptthemen sind die üblichen Probleme eines Teenagers, aber auch die Verrücktheiten von Clarissas Familie. Dabei spielt sich die Handlung die meiste Zeit nur innerhalb von ihrem Zuhause ab, wo sie auch regelmäßig Besuch von ihrem besten Freund Sam (Sean O'Neal) bekommt. Die Serie lief zwar in Deutschland erstmals 1995 auf Nickelodeon, doch ich habe sie auf Super RTL gesehen, wo sie in den 2000ern ausgestrahlt wurde. Deshalb taucht sie hier in unserem Post auf. 
Clarissa mochte ich sehr gerne, weil sie cool und lässig war. Ihre Figur war sehr nahbar, weil sie weder abgehoben noch vollkommen überdreht war. Außerdem hat sie die Zuschauer immer direkt angesprochen und ihre Gedanken und Gefühle mit ihnen geteilt. Dabei hatte sie auch noch einen tollen Humor mit viel Ironie. Sie war außerdem ein Fan von Videospielen und hat auf ihrem Computer sogar selber welche programmiert. Das fand ich richtig cool und rückblickend war die Serie da doch echt fortschrittlich. Vielleicht hat sie sogar bei manchen Mädchen Interesse an Informatik geweckt? Ich mochte außerdem die leicht schrägen Einfälle der Serie, zum Beispiel, dass Sam statt der Haustür eine Leiter nimmt, um Clarissa in ihrem Zimmer zu besuchen. Oder ihr ausgefallenes Haustier: Ein Alligator namens Elvis, den die Zuschauer nur gehört, nie gesehen haben. Es wurde zwar über Probleme des Erwachsenwerdens, gesprochen, aber es gab kein typisches Teenie-Drama, das man aus vielen anderen Sendungen kennt, was mir ebenfalls positiv im Gedächtnis geblieben ist. Ich konnte mich bei der Sendung meist super entspannen. Außer wenn Ferguson (Jason Zimbler), Clarissas schrecklicher kleiner Bruder, auftauchte und Chaos stiftete. Ich habe zwar keine kleinen Geschwister, aber trotzdem sehr mit der Protagonistin mitgefühlt. Was den Unterhaltungswert angeht, kann diese Serie mit jüngeren Nickelodeon-Serien wie "Drake & Josh" oder "iCarly" locker mithalten. Das finde ich schon bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die Sendung vor fast 30 (!!) Jahren ihre Premiere feierte. 


Wie erziehe ich meine Eltern?

Der Hund war immer super!
Foto: MDR
In dieser Serie geht es um die zwei Kinder Felix Wolkenfuß (Maximilian Seidel) und Johanna "Johnny" Freytag (Sina Tkotsch), deren Wege sich auf sehr chaotische Weise kreuzen: Felix' Vater (Heinrich Schafmeister), ein Psychiater, und Johnnys Mutter (Amina Gusner), eine Zahnärztin, haben ohne es zu wissen dieselbe Doppelhaushälfte gekauft. Nun müssen sich die Familien irgendwie mit der Situation arrangieren. Damit ist das Chaos schon vorprogrammiert. In dieser Serie sind die Rollen quasi vertauscht. Während sich die Eltern kindisch und albern benehmen, sind die Kinder deutlich vernünftiger und versuchen immer, den Frieden im Haus aufrechtzuerhalten. Unterstützung bekommen sie von der manchmal etwas verwirrten Nachbarin Asta Engel-Butz (Ursula Staack). Außerdem gibt es noch Hund Rollo, dessen unterhaltsame Gedanken die Zuschauer über eine Stimme aus dem Off mitbekommen. 
Ich weiß noch, dass ich die Serie regelmäßig geschaut habe, aber trotzdem sind mir keine der Folgen wirklich im Gedächtnis geblieben. Es war für mich eine typische Sendung für zwischendurch, die weder superdramatisch noch vollkommen langweilig war. Die Episoden folgten auch keinem roten Faden, sondern waren in sich abgeschlossen. Ich weiß aber noch, dass mich vor allem die Eltern hin und wieder genervt haben. Der Rollentausch wurde teilweise etwas überstrapaziert. Das Verhalten des Psychologen und der Zahnärztin war manchmal so drüber, dass ich mich ernsthaft gefragt habe, wie sie überhaupt noch Patienten haben können. Frau Engel-Butz hat für den ein oder anderen witzigen Moment gesorgt, war aber durch ihre übertriebene Neugier auch etwas anstrengend. Die Kinder waren zwar deutlich angenehmer, aber ihr rationales Handeln und ihre Vernunft haben sie als Charaktere auch nicht wirklich interessant gemacht. Ich konnte mich nie wirklich mit ihnen identifizieren. Insgesamt fand ich die Idee, den Spieß mal umzudrehen, aber ganz lustig und auch der Humor war in Ordnung. Das Intro fand ich allerdings immer etwas nervig. 

Katrin: "Wie erziehe ich meine Eltern?" ist mir nicht wirklich im Gedächtnis geblieben. Ich habe zwar ein paar Folgen geguckt, aber eigentlich erinnere ich mich nur an das Intro, das ich, genau wie Laura, furchtbar nervig fand und... gab es da nicht so einen Spiegel im Bad, durch den die beiden Familien miteinander geredet haben?


Welche Serien habt ihr in eurer Kindheit gerne geguckt? Teilt es uns in den Kommentaren mit. Wir planen weitere Diskussionsbeiträge zum Thema Kindersendungen (alle bisherigen Posts dazu gibt es hier), vielleicht wird euer Favorit in einem zukünftigen Post thematisiert.

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Sonntag, 18. Februar 2018

Tatort: Meta - Rezension

Der Mord zum Sonntag hat Tradition, deshalb sind auch wir mit Rezension und Live-Tweets (@WatchReadTalkdabei.


Als der Berliner Kommissar Robert Karow (Mark Waschke) am Morgen in sein Büro kommt, erwartet ihn eine böse Überraschung: Auf seinem Schreibtisch steht ein Paket, in dem er den abgetrennten Finger einer jungen Prostituierten findet. Gemeinsam mit seiner Kollegin Nina Rubin (Meret Becker) verfolgt Karow den Absender zurück zu einem Lagerhaus. Dort wird noch eine Kiste aufbewahrt, in der die neunfingrige Leiche in Formaldehyd schwimmt. Die Standfläche wurde von einer Produktionsfirma angemietet, deren bisher einziger Film "Meta" auf der gerade eröffneten Berlinale Premiere feiert. Rubin und Karow sind geschockt, als sie den Trailer anschauen: Es geht um zwei Kommissare, die einen Finger zugeschickt bekommen, in einem Lagerhaus die dazugehörige Leiche finden und feststellen, dass es einen Film gibt, der dieselbe Geschichte erzählt. Bei der Premiere befragen die Ermittler Regisseur Michael Schwarz (Isaak Dentler), der zugibt, das Drehbuch nicht selbst verfasst zu haben. Es stammt von Eigenbrötler Peter Koteas, der darauf geachtet hatte, dass sich der Film akribisch an seine Vorlage hält. Karow wird hellhörig: In "Meta" gibt es einen Charakter namens Peter Koteas (Simon Schwarz), der ein Drehbuch über seinen Auftragsmord an einer jungen Prostituierten geschrieben hat.

Klingt kompliziert, ist es auch!

Leider nur eine Berlinale-Szene
Foto: rbb
Um eins vorwegzunehmen: Dieser "Tatort" ist nur den Zuschauern zu empfehlen, die sich vollkommen auf die Handlung konzentrieren wollen und nicht vorhaben, nebenher Candy Crush zu spielen, zu stricken oder ein Ikea-Regal zusammenzubauen. Denn wer denkt, die Inhaltsangabe oben sei komplex, der wird spätestens um 20:30 Uhr feststellen, dass "Meta" noch um einiges komplexer ist. Eine vollständige Zusammenfassung ist praktisch gar nicht möglich, da der Fall auf drei Ebenen stattfindet: Zum einen Rubins und Karows Ermittlungen im Todesfall der jungen Prostituierten; dann die Handlung des Films, in dem die fiktiven Kommissare Rolf Poller (Ole Puppe) und Felix Blume (Fabian Busch) ihren Prostituiertenmord aufklären und als letztes der fiktive Film im fiktiven Film, den Poller und Blume für das Geständnis ihres Mörders halten. Da jede Ebene einen Film mit derselben Handlung enthält, gibt es theoretisch eine unendliche Kette von Kommissaren, die anderen Kommissaren beim Ermitteln zusehen. Visuell kommt das in einer Szene besonders gut zur Geltung. Karow sitzt in einem leeren Kinosaal und schaut sich "Meta" an. An einer Stelle im Film setzt sich der fiktive Kommissar Poller ebenfalls vor eine Leinwand und sieht in seiner Version von "Meta" die Szene, in der sich der fiktive Ermittler auf einen Kinosessel fallen lässt. Zum Glück belässt es der echte "Tatort"-Drehbuchautor Erol Yesikaya bei diesen drei Ebenen, ansonsten hätte er vielleicht ein Loch ins Raum-Zeit-Kontinuum gerissen (Damit kennt sich Karow-Darsteller Mark Waschke ja aus. In der "Netflix"-Serie Dark spielt er den mysteriösen Zeitreisenden Noah.). So verrückt dieses Konzept auch sein mag, neu ist es beim Sonntagskrimi nicht. 2015 traf Kommissar Felix Murot im Wiesbadener "Tatort: Wer bin ich?" auf seinen Darsteller Ulrich Tukur, der am Rande der Dreharbeiten in einen Mordfall verwickelt wurde. Im Gegensatz zu der damaligen Folge macht "Meta" nicht den Fehler, sich in zu abstrusen und wirren Wendungen zu verstricken. Obwohl die Handlung vielschichtig ist, steht die Mordermittlung immer im Fokus. Karow spinnt sich immer mehr in die fiktive Welt hinein ("Der Film führt uns zur Wahrheit!"). Rubin bleibt währenddessen am Boden und versucht eine logische Erklärung für die Vorkommnisse zu finden. Diese verschiedenen Sichtweisen erleichtern es dem Zuschauer, sich nicht wie der Kommissar völlig in der Geschichte zu verlieren und stattdessen alles kritisch zu hinterfragen. Dadurch bleibt der "Tatort" immer noch im Kern ein Krimi und rutscht nicht völlig in die experimentelle Schiene ab, wie beispielsweise der Frankfurter "Fürchte dich".

Auf jeden Fall den Abspann gucken!

Die drei zentralen Ebenen des Films in einem Bild
Foto: Screenshot
Stimmig und spannend ist "Meta", realistisch dafür überhaupt nicht. Ständig verschwimmen die Grenzen zwischen Film und Wirklichkeit. Das stellt Regisseur Sebastian Marka auch visuell sehr eindrucksvoll nach, indem er Karow eins zu eins dieselben Schritte tun lässt wie sein fiktives Vorbild Kommissar Poller. Dabei wird immer wieder zwischen den beiden Männer hin- und hergeblendet. Das funktioniert leider nur noch durch eine Menge Zufälle und erinnert stark an die BBC-Serie "Sherlock". Deren titelgebende Hauptfigur weiß ebenso wie Peter Koteas ganz genau, wie sich ihm unbekannte Personen verhalten werden. Rubin und Karow folgen blind dem für sie geplanten Muster - alles funktioniert und geschieht genau wie in "Meta". Das ist einfach unrealistisch. Jede noch so kleine Abweichung in den Ermittlungen hätte verhindern können, dass der Film Realität wird. Durch die vielen Zufälle wirkt die Handlung sehr konstruiert. Das ist zwar schade, spielt aber keine große Rolle, da der "Tatort" ansonsten unterhaltsam ist. Die wohl beste Szene bleibt den Zuschauern vorbehalten, die bis zur letzten Sekunde vor dem Bildschirm hängen. Im Abspann schlägt "Meta" nämlich noch einen wirklich kreativen und cleveren Haken, durch den die mangelnde Auflösung am Ende sofort vergessen ist.
Die Kommissare halten notgedrungen zusammen
Foto: rbb/Reiner Bajo
Trotz des extrem komplexen Falls bleibt Zeit, um Rubins familiäre Probleme zu thematisieren, die seit der ersten Folge bestehen und wohl auch noch bis zur letzten durchgekaut werden. Im vorherigen Berliner "Tatort: Dein Name sei Harbinger" hat Rubin ihren älteren Sohn Tolja zu seinem Vater abgeschoben, nachdem er ihr zu anstrengend geworden war. In "Meta" kämpft sie nun darum, ihren jüngeren Sprössling Kaleb (Louie Betton) bei sich zu behalten, denn der möchte zu seinem Vater und seinem Bruder ziehen. Wie auch in den letzten Episoden ist der Konflikt langatmig und kommt zu keinem nennenswerten Ergebnis. Außerdem zeigt er, was für ein seltsamer Charakter die Kommissarin ist. In jedem "Tatort" verhält sie sich anders und trifft wichtige Entscheidungen so schnell und haltlos, dass sie für den Zuschauer nicht nachvollziehbar sind. Anstelle sich jedoch konsequent auf Kaleb zu fokussieren, hat es sich Nina nun nach sieben gemeinsamen Fällen in den Kopf gesetzt, Karow näher zu kommen (Rubin: "Kriegen wir das hin, nicht nur Kollegen zu sein? Sondern Kumpels oder sowas? Irgendwann?" Karow: "Sicher, gerne, aber heute, glaube ich, nicht mehr, oder?"). Diese Nebengeschichten wären besser in einem "Tatort" mit klassischer Mordermittlung aufgehoben gewesen. In "Meta" gibt es zu viele Ebenen, zu viel Erklärungsbedarf und zu viele interessante Details, um Platz für platte Standard-Konflikte zu machen. Die groß angekündigten Szenen bei der Berlinale 2017 fallen beispielsweise leider sehr kurz aus. Die Kommissare laufen über den roten Teppich und das war es dann auch schon fast. Ein so spannender und außergewöhnlicher Schauplatz hätte definitiv mehr Beachtung verdient!

Fazit

Seit einigen Jahren scheinen viele "Tatort"-Zuschauer zu denken, dass ein "Experiment" automatisch für schlechte Qualität steht. "Meta" ist der Gegenbeweis. Die Handlung ist zwar nicht realistisch, aber dafür vielschichtig, kreativ und aufregend. Dabei gerät der Kriminalfall nie in Vergessenheit, er wird nur durch eine ungewöhnliche Perspektive erzählt. Die Metaebene ist hier deutlich besser gelungen als 2015 beim Wiesbadener Team. Das liegt vor allem an der tollen optischen Darstellung und der Tatsache, dass sich die Geschichte nie vollkommen in der Fiktion verliert. Zu entscheiden, was nun eigentlich Realität und was filmische Dichtung ist, bleibt dem Zuschauer selbst überlassen. Das zeigt spätestens die grandiose Extra-Szene im Abspann. Lediglich Rubins langweiliges Familiendrama, der verschenkte Schauplatz Berlinale und die vielen Zufälle schmälern das Fernseherlebnis ein wenig.


Nächste Woche muss der Kieler "Tatort"-Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) nach dem Weggang seiner langjährigen Kollegin Sarah Brandt (Sibel Kekilli) alleine ermitteln. "Borowski und das Land zwischen den Meeren" führt ihn nach Suunholt, eine kleine Nordseeinsel in der Nähe von Dänemark. Dort wurde ein Mann ermordet, der vor Jahren die Schlüsselfigur in einem Korruptionsskandal war. Dessen exzentrische und leidenschaftlich trauernde Freundin zieht Borowski in ihren Bann.

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Mittwoch, 14. Februar 2018

Netflix Original Serien - Kurzrezensionen (Teil 5)

"Netflix" bringt jeden Monat mehrere neue Eigenproduktionen heraus. In unserer Reihe "Kurzrezensionen" legen wir daher besonders Wert darauf, die vorzustellen, die nicht mit großen Werbeplakaten in allen deutschen Städten beworben werden. In den vergangenen drei Teilen  haben wir bereits über zahlreiche Sendungen wie "Paranoid", "Berlin Station", "Greenhouse Academy" und "Travelers" gesprochen (hier kommt ihr zu allen bisherigen Beiträgen - auch zum Thema Filme). Heute geht es um drei neue Serien. Klickt auf die Titel, um euch die Trailer anzuschauen. 

An dieser Stelle gehe ich auf Sendungen ein, die "Netflix" selbst als "Original" bezeichnet, obwohl sie teilweise auch im Fernsehen ausgestrahlt oder von Drittanbietern produziert wurden. Da ich alle englischsprachigen Serien in der Originalversion angesehen habe, kann ich keine Aussagen zu der Qualität der deutschen Synchronisation treffen.


Alias Grace

Grace ist seit rund 15 Jahren in Haft
Foto: Netflix
Die Mini-Serie "Alias Grace" basiert auf dem gleichnamigen Buch der Autorin Margaret Atwood, die auch die Vorlage zur mehrfach Emmy-prämierten Serie "The Handmaid's Tale" geschrieben hat. Der Roman beruht wiederum auf der realen Geschichte um Grace Marks. Das junge Dienstmädchen wurde 1843 im Alter von 15 Jahren des Mordes an ihrem Hausherren schuldig gesprochen. Zuerst sollte sie gehängt werden, dann wurde ihre Strafe in eine lebenslange Haft umgewandelt. Zu Beginn der Serie sitzt Grace (Sarah Gadon) bereits seit rund 15 Jahren im Gefängnis. Ihre Verteidiger wollen sie begnadigen lassen, dafür bitten sie den jungen Psychologen Dr. Simon Jordan (Edward Holcroft) um ein positives Gutachten. Die Verurteilte behauptet jedoch, keine Erinnerungen an die Stunden zu haben, in denen ihr Herr Thomas Kinnear (Paul Gross) und seine Haushälterin Nancy Montgomery (Anna Paquin) ermordet wurden. Dr. Jordan will die Wahrheit herausfinden und lässt Grace ihre Geschichte erzählen: Von dem Moment an, wo sie im Alter von 12 Jahren mit ihrer Familie in Irland ein Schiff nach Kanada nahm, bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie gemeinsam mit ihrem verurteilten Komplizen James McDermott (Kerr Logan) vom Grund ihres toten Herren floh. Dr. Jordan gerät dabei immer mehr in den Bann der  vermeintlichen Mörderin und ihrer Geschichte.

Mary (2.v.l.) war Graces (3.v.l.) einzige Freundin
Foto: Netflix
"Alias Grace" ist definitiv keine Serie, die man nebenher beim Essen guckt und bei der man zwischendurch auch mal eine Pause einlegt. Die Erzählweise ist so fesselnd, dass die sechs Folgen wie im Flug vergehen. Dabei ist die Handlung nicht einmal extrem spannend, doch durch die fantastische Musik und die realistisch wirkende Atmosphäre wird der Zuschauer sofort in den Bahn der Geschichte gesogen. Das liegt vor allem an den beiden Hauptcharakteren. Grace erscheint auf den ersten Blick genügsam, naiv und auch ein wenig einfältig. Man verfolgt ihre Erzählungen und erfährt dabei, was sie in ihrem Leben schon alles ertragen musste - die furchtbare Übersiedlung nach Kanada in einem viel zu kleinen Schiff, auf dem ihre Mutter starb; die übergriffigen Avancen einiger Männer - darunter ihr eigener Vater und der Tod von Graces Freundin Mary Whitney (Rebecca Liddiard), die eine illegale Abtreibung nicht überlebte. Einige dieser Szenen wirken so realistisch, dass es fast wehtut, sie anzusehen. Die Serie zeigt schonungslos, wie die Situation einer jungen, mittellosen Frau im 19. Jahrhundert ausgesehen hat, ohne dabei auf extreme Schockeffekte oder Melodramatik zu setzen. Im krassen Gegensatz dazu steht Dr. Jordan: Ein gut aussehender, erfolgreicher Mann aus reichem Hause, der sich noch nie mit solchen Problemen auseinandersetzen musste. Er kommentiert Graces Geschichte zwar so gut wie gar nicht, doch anhand seiner Miene erkennt der Zuschauer, wie sie ihn berührt und schockiert.
Dr. Jordan ist nicht sicher, ob Grace schuldig ist
Foto: Netflix
Die beiden Hauptdarsteller sind die ganz große Stärke der Serie. Sarah Gadon und Edward Holcroft stellen ihre Rollen mit so einer zwanglosen Selbstverständlichkeit dar, als habe man sie aus dem 19. Jahrhundert importiert. Das Besondere ist, wie ruhig und unaufgeregt sie die meiste Zeit über wirken. Trotz der bedrückenden Themen und der teils beunruhigenden Geschichte spielen beide sehr minimalistisch. Mimik und kleine Gesten reichen, um dem Zuschauer einen umfassenden Einblick in das Seelenleben der beiden Figuren zu geben. Die Momente, in denen Grace und Dr. Jordan so emotional aufgewühlt sind, dass sie aus ihrer bisherigen Rolle fallen, sind sogar noch überzeugender. In der letzten Folge zeigen beide eine ganz andere Seite an sich, was wirklich verstörend mit anzusehen ist, da es sich so anfühlt, als wäre der Zuschauer von den beiden Charakteren die ganze Zeit belogen worden. Besonders Sarah Gadon legt in diesen Szenen einen Emmy-würdigen Auftritt hin. Sie schafft es Grace so fremd darzustellen, dass es scheint, als sei das schüchterne, naive Mädchen komplett ausgelöscht worden. Sogar ihre Stimme klingt völlig anders. Ich habe tatsächlich erst in der letzten Folge realisiert, dass die Schauspielerin keine Irin ist, sondern den Akzent die ganze Zeit über imitiert hat. Die echte Grace Marks wurde nach knapp 30 Jahren begnadigt und freigelassen - danach verlor sich ihre Spur. Da niemals geklärt wurde, welche Rolle sie genau im Mordfall gespielt hat, folgt die Serie dem Ende des Buches. Es ist im Vergleich zum Rest der Sendung ein wenig enttäuschend - legt allerdings die Steilvorlage für die oben angesprochenen spannenden Brüche in den Charakteren.


Retribution

Opfer oder Täter, das ist die Frage
Foto: Netflix
Die schottische Mini-Serie "One of Us" wurde 2016 in der BBC ausgestrahlt. Anfang 2018 folgte die internationale Veröffentlichung als "Netflix Original" unter dem neuen Titel "Retribution". Darum geht's: Die beiden Kindheitsfreunde Adam Elliot (Jeremy Neumark Jones) und Grace Douglas (Kate Bracken) wurden nur zwei Wochen nach ihrer Hochzeit brutal ermordet. Die Polizisten Juliet Wallace (Laura Fraser) und Andrew Barker (Steve Evets) finden in dem mental instabilen Junkie Lee Walsh (Owen Whitelaw) schnell einen Hauptverdächtigen. Der ist derweil unterwegs zu den weit abgelegenen Höfen der beiden trauernden Familien. Vor Ort kommt er mit seinem geklauten Wagen von der Straße ab. Adams Mutter Louise (Juliet Stevenson), seine Schwester Claire (Joanna Vanderham), sein Bruder Rob (Joe Dempsie) und dessen Freundin Anna (Georgina Campbell) retten den Schwerverletzten. Als sie Hilfe bei Graces Eltern Bill (John Lynch) und Moria (Julie Graham) suchen, sehen sie im Fernsehen einen Suchaufruf und erkennen Walsh. Die beiden Familien sperren den vermeintlichen Mörder ihrer Kinder in einem alten Zwinger ein. Am nächsten Morgen ist dem Mann die Kehle durchgeschnitten worden. Wer hat ihn auf dem Gewissen und was ist in der Nacht, als Grace und Adam starben, wirklich passiert?

Einer von ihnen hat den Mörder ermordet. Wer?
Foto: Netflix
"Retribution" hat zwei zentrale Handlungsstränge. Der eine ist die Mordermittlung der Polizisten Wallace und Barker. Deren Weg kreuzt sich später mit dem Weg der anderen Geschichte, dem verzweifelten Versuch der beiden Familien mit dem Geschehenen fertig zu werden und ihren eigenen Mord an Walsh zu vertuschen. Es gibt nicht viele Nebenschauplätze, Effekte oder andere ablenkende Elemente. Die Serie wird praktisch ausschließlich von den vielschichtigen Charakteren getragen. Jeder macht während der gerade einmal vier Folgen eine Wandlung durch. Zu keinem Punkt kann sich der Zuschauer sicher sein, dass er die Figuren tatsächlich kennt. Das erzeugt eine prickelnde Spannung, die die Geschichte noch düsterer und melancholischer erscheinen lässt, als sie sowieso schon ist. Die tollen Schauspieler verstärken diesen Effekt noch. Blass, praktisch ungeschminkt und kraftlos schleppen sie sich durch die Handlung - sie stellen die tiefe Trauer, den Schock über die Begegnung mit dem Mörder und die Angst, entdeckt zu werden, sehr realistisch dar. Ganz besonderes Lob gilt hier Juliet Stevenson, die für ihre Rolle als beste Schauspielerin für den schottischen BAFTA Award nominiert wurde. Sie spielt die Mutter des ermordeten Adams auf der einen Seite herzzerreißend, auf der anderen aber auch voller Tatendrang und Stärke.
Claire will als Einzige ehrlich zur Polizei sein
Foto: Netflix
Damit steht sie sinnbildlich für die ganze Serie, denn die lebt von dem Zwiespalt zwischen Opfer und Täter: Lee Walsh zum Beispiel, der zwar vermutlich für die Morde an Adam und Grace verantwortlich ist, aber selbst schwer verletzt eingesperrt und getötet wurde. Die einzige Geschichte, die in diesem Zusammenhang aus dem Rahmen fällt, ist die von Polizistin Juliet Wallace. Einerseits ist sie eine toughe, rechtschaffene Ermittlerin, andererseits verkauft sie Drogen, um die experimentelle Krebstherapie ihrer Tochter Maddy (Isis Hainsworth) zu bezahlen. Diese Nebenhandlung wirkt sehr melodramatisch und an den Haaren herbeigezogen, da dem Zuschauer der Hintergrund fehlt, um nachvollziehen zu können, wieso niemand Wallace auf die Schliche kommt und wie es ihr dabei geht. Durch die platte Erzählweise und die Gefühlsduselei  passt dieser unnötige Nebenschauplatz nicht zum Rest der Serie. Die einzige vergleichbar schlechte Stelle ist das Ende. Der Zuschauer erfährt, zusammen mit den meisten Charakteren, warum Grace und Adam sterben mussten. Die Erklärung ist jedoch extrem hanebüchen, lässt viele Fragen offen und ist eher schlechtes Drama als Thriller. Auf das Gesamtbild bezogen, ist die Auflösung doch irgendwie stimmig, denn sie zeigt, wie sinnlos die Morde eigentlich waren. Obwohl das Paar schon von Beginn der Serie an tot ist, leidet der Zuschauer dank des fantastischen Einstiegs in der ersten Folge dennoch mit ihnen: Adam erzählt auf der Hochzeit seine und Graces Liebesgeschichte - begleitet von alten Homevideos, auf denen die beiden als Kleinkinder, Teenies und Studenten zu sehen sind. Das Paar und seine Gäste lachen und feiern ausgelassen. Dann zoomt die Kamera nach hinten und es wird klar, dass es sich bei den Bildern um das Hochzeitsvideo handelt, das gerade über den Fernseher flimmert. Davor liegen die blutüberströmten Leichen von Grace und Adam.


Glacé

Wer steckt hinter den Morden?
Foto: M6
Die französische Mini-Serie "Glacé" basiert auf dem gleichnamigen Buch des Autoren Bernard Minier und wurde vom Fernsehsender M6 produziert. Seit dem 1. Januar ist sie als "Netflix Original" international verfügbar. Die Handlung beginnt wenige Tage vor Weihnachten: In den verschneiten Pyrenäen wird die kopflose Leiche eines Pferdes gefunden. Es gehörte dem einflussreichen Geschäftsmann Eric Lombard (Robert Plagnol). Da der Fall somit eine gewisse Brisanz hat, wird die lokale Polizeichefin Irène Ziegler (Julia Piaton) vom erfahrenen Kommissar Martin Servaz (Charles Berling) aus Toulouse unterstützt. In einer kleinen Kapelle finden die beiden den Kopf des toten Tieres und in dessen Blut die Haare des verurteilten Frauenmörders Julian Hirtmann (Pascal Greggory). Servaz hatte seinen einstigen Freund vor einigen Jahren überführt. Der Killer sitzt allerdings in einer geschlossenen Psychiatrie und kann das Pferd nicht getötet haben. Wenige Tage später wird eine weitere Leiche gefunden - diesmal eine menschliche. Es ist nicht die Letzte. Die Ermittler vermuten, dass einer der psychiatrischen Mitarbeiter im Auftrag von Hirtmann mordet. Wer hätte ein Motiv?

Hochachtung für das Drehteam bei so einem Wetter!
Foto: Netflix
Genau wie "Retribution" zieht auch "Glacé" einen Großteil der Spannung aus der düsteren Atmosphäre. Die Serie beginnt auf einem Berg, der so tief verschneit ist, dass das Kamerabild keine zehn Meter weicht reicht. Der rustikale, kühle Stil, der sich beispielsweise auch in der Musikauswahl widerspiegelt, lässt die ganze Szenerie unheimlich wirken. Zumindest in den ersten zwei Folgen, in denen die beiden Ermittler durch die kühle Landschaft fahren und Verdächtige befragen. Hier erinnert "Glacé" an die (deutlich bessere) "Netflix"-Serie "The Killing". In den weiteren Episoden kommen allerdings so viele zusätzliche Charaktere und Nebenhandlungen dazu, dass die Geschichte immer mehr verwässert. Dadurch kann auch die spannende, bedrohliche Stimmung nicht aufrecht erhalten werden. Gegen Ende wirkt die Serie sehr abgehackt. Ein paar Minuten ist der Fokus auf einer Figur, im nächsten Moment auf einer anderen... Das gute Zusammenspiel der Hauptpersonen geht immer mehr verloren, da sie sich praktisch gar nicht mehr begegnen. Jede der gefühlt zwanzig Personen ist alleine unterwegs und macht irgendetwas. Anstelle die einzelnen Handlungen intensiver zu begleiten, sodass der Zuschauer die Situation und die Charaktere besser kennenlernt, versucht Regisseur Laurent Herbiet möglichst viele unterschiedliche Ansichten in jeder Folge zu zeigen, wodurch die Geschichte immer hektischer wird. Wer da noch den Überblick behalten will, sollte nebenher nichts anderes machen.
Der Stil des Vorspanns & die Symbolik sind grandios
Foto: Screenshot
Lohnen tut sich diese Aufmerksamkeit aber nicht. Wie schon die anderen beiden Serien auf dieser Liste, hat auch "Glacé" ein schwaches Ende. Bei "Alias Grace" und "Retribution" fand ich das schade, weil ich Anteil an den Figuren und der Handlung genommen habe. Beim französischen "Netflix"-Original war es mir relativ egal, da die Charaktere so einseitig und distanziert sind, dass es nicht wirklich möglich ist, eine Verbindung zu ihnen aufzubauen. Letztendlich ist die Auflösung überhaupt nicht überraschend. Wie der Showdown aussehen wird, ist schon während der ersten Episode offensichtlich. Die Identität des Mörders geht dabei völlig unter, auch weil sich die Sendung zu wenig mit ihm und seinem Motiv beschäftigt. Das einzige, was von "Glacé" nachhaltig im Gedächtnis bleibt, ist der wunderschöne Vorspann. Dabei taucht der Zuschauer in ein Gemälde ein, wodurch die gemalten Figuren, ein Rudel Wölfe, ein Reh und eine dunkle Gestalt, wie in 3D erscheinen. Das sieht wirklich spektakulär aus und ist richtig gut gemacht. Die Musik dazu ist herrlich mysteriös und wunderlich. Das kann vom Rest der Serie leider nicht gesagt werden.


Das waren meine "Netflix"-Kurzrezensionen. Da der Streaming-Anbieter immer wieder neue Serien und Staffeln herausbringt, wird es sicher nicht der letzte Beitrag zu diesem Thema sein. Alle Posts zum Thema "Netflix" findet ihr hier.

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Sonntag, 11. Februar 2018

Tatort: Der kalte Fritte - Rezension

Der Mord zum Sonntag hat Tradition, deshalb sind auch wir mit Rezension und Live-Tweets (@WatchReadTalkdabei.


Der Weimarer Milliardär Alonzo Sassen wird nachts von einem Einbrecher umgebracht. Wenige Minuten später ist der Täter ebenfalls tot - Sassens junge Ehefrau Lollo (Ruby O. Fee, Allein gegen die Zeit) hat ihn in Notwehr erschossen. Am nächsten Morgen folgen ihr die Kommissare Kira Dorn (Nora Tschirner) und Lessing (Christian Ulmen) ins Bordell "Chez Chériechen", wo sie vor ihrer Ehe gearbeitet hat. Betreiber des Etablissements ist Fritjof Schröder, genannt Fritte. Seiner Schwägerin Cleo (Elisabeth Baulitz) gehört ein praktisch insolventer Steinbruch, der jedoch als Standort für das geplante Goethe-Geomuseum infrage kommt. Kurz vor seinem Tod hatte Sassen allerdings angekündigt, der Stadt Weimar ein deutliches attraktiveres Stück Land für das Museum zu schenken. Haben Cleo und ihr Mann Martin (Sascha Alexander Geršak, Sankt Maik) den Mord in Auftrag gegeben, um ihren Steinbruch vor der Insolvenz zu retten?

Geistlose Gags im warmen Weimar

Finger am Abzug wäre sinnvoller
Foto: MDR
Vor nicht einmal sechs Wochen lief der letzte "Tatort" mit Dorn und Lessing. In "Der wüste Gobi" war es - trotz des Namens - noch so frostig, dass die Kommissare mit dicken Jacken in ihrem nicht beheizten Schlafzimmer bibbern mussten. "Der kalte Fritte" klingt zwar kühler, das Wetter hat sich aber so drastisch gebessert, dass Millionärswitwe Lollo im Bikini Sonne tankt. Wer also schon im Februar ein bisschen sommerliche Stimmung möchte: Auf nach Weimar! Im Gegensatz zu ihren Kolleginnen aus Dresden, die sich vom Ulk-Team zum überdurchschnittlichen Gesellschaftskrimi gemausert haben, bleiben Dorn und Lessing ihrer locker-lustigen Linie treu. Den komödiantischen Höhepunkt gibt es jedoch leider schon in der ersten Szene. Petteri Salokangas (Lars Rudolph) erklärt seiner Frau am Telefon, dass sie sich keine Sorgen machen solle, er würde auf seiner Geschäftsreise natürlich keine andere Frau treffen. Wenige Momente später erfährt der Zuschauer, welcher Profession Salokangas nachgeht: Er ist Profikiller, ein sehr verzweifelter Profikiller, denn seine Liebste droht ihm mit der Trennung. Der harte Kontrast zwischen dem verzweifelt bettelnden Ehemann und dem professionellen Auftragsmörder ist wirklich amüsant. Leider ist es die einzige Szene mit dem schrägen Finnen. Danach segnet er das Zeitliche und mit ihm stirbt auch der gute Humor. Im restlichen "Tatort" sinkt das komödiantische Niveau zwar nie auf Münster-Klamauk, allerdings sind die Witze auch nicht mehr so erfrischend spröde und ungezwungen wie in den ersten Fällen des Weimarer Teams. Sie wirken verkrampft, als hätte Drehbuchautor Murmel Clausen ein paar Stunden zu lange an ihnen gefeilt (Dr. Seelenbinder (Ute Wieckhorst): "Hat drei Schüsse abbekommen - Hirn, Herz, Hoden. Vermutlich nicht in der Reihenfolge." Dorn: "H. H. H. - ein Clown?"). Dazu werden einige Running Gags unnötig in die Länge gezogen. Auch im sechsten Fall erfährt der Zuschauer beispielsweise nicht, wie der gemeinsame Sohn des Ermittlerpaares heißt. Dorn, Lessing und Kindergärtnerin Connie (Simone Müller) sprechen ausschließlich von "dem Jungen" oder "dem Zwerg". Das klingt auf die Dauer sehr seltsam und wirkt unnatürlich, vor allem da es keine Erklärung für die gestelzte Wortwahl gibt. Vielleicht hatte bislang einfach noch niemand den Mut, sich damit auseinanderzusetzen, welchen Namen Hobby-Poet Lessing und Sarkasmus-Fan Dorn für ihren Sprössling gewählt haben. Oder er hat einfach keinen, wie sein vornamenloser Vater.

Viele Verdächtige in strubbeliger Story

Lessing (r.) wohnt fast im "Chez Chériechen"
Foto: MDR/Wiedemann & Berg/Anke Neugebauer
Neben dem Humor gibt es natürlich auch einen Fall zu lösen. Der ist für Weimarer Verhältnisse ungewöhnlich bodenständig. Am zweiten Weihnachtsfeiertag spielten handgestrickte Woll-Dessous, brennende Heizdecken sowie Verfolgungsjagden durch die Kanalisation eine wichtige Rolle. In "Der kalte Fritte" geht es um menschliche Konflikte und wirtschaftliche Interessen. Das Seriöse will dem Thüringer Team aber noch nicht so ganz gelingen. Die Geschichte um das Goethe-Geomuseum zieht sich. Gegen Ende wird die Handlung immer verstrickter und schlägt einen Haken nach dem anderen. Letztendlich ist der Tatablauf vor allem eins: hanebüchen - genau wie die darauffolgenden Ermittlungen. Es zweifelt beispielsweise niemand an, dass Lollo Sassen den Einbrecher wirklich in Notwehr erschossen hat. Es wird auch keine Erklärung dafür gegeben, wieso die Kommissare in einem völlig leeren Büro auf Kisten sitzen und ihre Laptops nur auf dem Fensterbrett benutzen. Statt Antworten zu liefern, konzentriert sich die Geschichte lieber auf das Bordell "Chez Chériechen" und die mehr oder weniger witzigen Dialoge, die aus dieser Konstellation entstehen (Lessing: "Du, ich weiß gar nicht, wie ich es dir sagen soll... Ich geh' jetzt in den Puff!" Dorn: "Cool, dann bestell' ich mir einen Stripper nach Hause!" Lessing: "Viel Spaß!"). Da Fritte und seine Mitarbeiter Dorn noch nicht kennen, muss sie - nach inoffiziellen Krimi-Regeln - natürlich irgendwann spontan undercover gehen. Ihr Einsatz endet in einer Fast-Vergewaltigung, die nach wenigen Minuten schon wieder vergessen ist. Ein solch sensibles und ernstes Thema aufzugreifen, nur um es dann unkommentiert abzuhaken, ist wirklich eine Schande.
Kurt Stich (3.v.l.) stellt seinen Vater (2.v.l.) vor
Foto: MDR/Wiedemann & Berg/Anke Neugebauer
Eine dem Thema angemessene Ernsthaftigkeit ist allerdings nicht das einzige, was vernachlässigt wird. In "Der kalte Fritte" gibt es eine ganze Menge von Verdächtigen, die alle letztendlich doch ganz anders ticken, als es im ersten Moment scheint. Diese Wendungen kosten Zeit, sodass andere Charaktere zu kurz kommen, darunter Dorns und Lessings Kollegen, Lollo (Ruby O. Fee wirkt sehr unterfordert.) sowie Prof. Ilja Bock (Niels Bormann). Am meisten Potenzial wurde bei Udo Stich (Hermann Beyer, Dark) verschenkt. Der Vater von Kommissariatsleiter Kurt Stich (Thorsten Merten) ist nämlich die größte Wundertüte. Er ist sympathisch, wortgewandt und intelligent. Allerdings nutzt er seine Talente nicht, wie es sein Sohn glaubt, als angesehener Kunsthistoriker. Mehr möchte ich nicht verraten, da der Twist, im Gegensatz zu den restlichen in diesem "Tatort", wirklich unterhaltsam ist. Zugegeben: Die Nebenhandlung ist nicht sonderlich glaubwürdig (Als ob der "beste Bulle Thüringens" in mehreren Jahrzehnten nicht irgendwann über die Wahrheit gestolpert wäre!) und lässt mindestens genauso viele Fragen offen, wie der Mordfall. Allerdings ist Udo Stich ein interessanter, vielschichtiger Charakter, dessen Lügengeschichten deutlich unterhaltsamer sind, als die der Verdächtigen. Er ist aber leider nur in wenigen Szenen zu sehen und verschwindet für einen Großteil der Handlung. Immerhin bekommt der Weimarer Trickster, der an "Sankt Maik" erinnert, einen würdigen Abschied in der sehr amüsanten Schlussminute. 

Fazit

Im Vergleich zu den bisherigen Fällen des Ermittlerteams hat "Der kalte Fritte" einiges an Humor eingebüßt. Es gibt zwar immer noch ein Feuerwerk an Gags, doch viele wollen nicht so recht zünden. Der Schlagabtausch zwischen den Charakteren wirkt zum Teil sehr gekünstelt und verkrampft. Dasselbe gilt für die Krimihandlung. Der Fall ist deutlich bodenständiger als die vorherigen und wagt sich auch an ernstere Themen. Letztendlich hält er aber nicht konsequent an diesem Konzept fest. In der zweiten Hälfte des "Tatorts" verzettelt sich die Geschichte in zu vielen Wendungen und lässt viele Fragen unbeantwortet. Daher kommen leider auch einige vielversprechende Nebencharaktere zu kurz. Diese witzigen Figuren sind einer der Gründe, weshalb sich "Der kalte Fritte" noch auf Durchschnittsniveau bewegt. Dazu kommen grandiose Anfangs- und Schlussminuten sowie gute Darsteller.


Der "Tatort" in der nächsten Woche kommt aus Berlin und wurde während der Berlinale 2017 gedreht. In "Meta" bekommt Kommissar Robert Karow (Mark Waschke) den abgetrennten Finger einer minderjährigen Prostituierten zugeschickt. Bei ihren Ermittlungen stoßen Karow und Nina Rubin (Meret Becker) auf einen Regisseur, der in seinem neusten Werk eine beunruhigend ähnliche Situation darstellt. Ist der Film sein Geständnis?

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