Der Weimarer Milliardär Alonzo Sassen wird nachts von einem Einbrecher umgebracht. Wenige Minuten später ist der Täter ebenfalls tot - Sassens junge Ehefrau Lollo (Ruby O. Fee, Allein gegen die Zeit) hat ihn in Notwehr erschossen. Am nächsten Morgen folgen ihr die Kommissare Kira Dorn (Nora Tschirner) und Lessing (Christian Ulmen) ins Bordell "Chez Chériechen", wo sie vor ihrer Ehe gearbeitet hat. Betreiber des Etablissements ist Fritjof Schröder, genannt Fritte. Seiner Schwägerin Cleo (Elisabeth Baulitz) gehört ein praktisch insolventer Steinbruch, der jedoch als Standort für das geplante Goethe-Geomuseum infrage kommt. Kurz vor seinem Tod hatte Sassen allerdings angekündigt, der Stadt Weimar ein deutliches attraktiveres Stück Land für das Museum zu schenken. Haben Cleo und ihr Mann Martin (Sascha Alexander Geršak, Sankt Maik) den Mord in Auftrag gegeben, um ihren Steinbruch vor der Insolvenz zu retten?
Geistlose Gags im warmen Weimar
Finger am Abzug wäre sinnvoller
Foto: MDR
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Vor nicht einmal sechs Wochen lief der letzte "Tatort" mit Dorn und Lessing. In "Der wüste Gobi" war es - trotz des Namens - noch so frostig, dass die Kommissare mit dicken Jacken in ihrem nicht beheizten Schlafzimmer bibbern mussten. "Der kalte Fritte" klingt zwar kühler, das Wetter hat sich aber so drastisch gebessert, dass Millionärswitwe Lollo im Bikini Sonne tankt. Wer also schon im Februar ein bisschen sommerliche Stimmung möchte: Auf nach Weimar! Im Gegensatz zu ihren Kolleginnen aus Dresden, die sich vom Ulk-Team zum überdurchschnittlichen Gesellschaftskrimi gemausert haben, bleiben Dorn und Lessing ihrer locker-lustigen Linie treu. Den komödiantischen Höhepunkt gibt es jedoch leider schon in der ersten Szene. Petteri Salokangas (Lars Rudolph) erklärt seiner Frau am Telefon, dass sie sich keine Sorgen machen solle, er würde auf seiner Geschäftsreise natürlich keine andere Frau treffen. Wenige Momente später erfährt der Zuschauer, welcher Profession Salokangas nachgeht: Er ist Profikiller, ein sehr verzweifelter Profikiller, denn seine Liebste droht ihm mit der Trennung. Der harte Kontrast zwischen dem verzweifelt bettelnden Ehemann und dem professionellen Auftragsmörder ist wirklich amüsant. Leider ist es die einzige Szene mit dem schrägen Finnen. Danach segnet er das Zeitliche und mit ihm stirbt auch der gute Humor. Im restlichen "Tatort" sinkt das komödiantische Niveau zwar nie auf Münster-Klamauk, allerdings sind die Witze auch nicht mehr so erfrischend spröde und ungezwungen wie in den ersten Fällen des Weimarer Teams. Sie wirken verkrampft, als hätte Drehbuchautor Murmel Clausen ein paar Stunden zu lange an ihnen gefeilt (Dr. Seelenbinder (Ute Wieckhorst): "Hat drei Schüsse abbekommen - Hirn, Herz, Hoden. Vermutlich nicht in der Reihenfolge." Dorn: "H. H. H. - ein Clown?"). Dazu werden einige Running Gags unnötig in die Länge gezogen. Auch im sechsten Fall erfährt der Zuschauer beispielsweise nicht, wie der gemeinsame Sohn des Ermittlerpaares heißt. Dorn, Lessing und Kindergärtnerin Connie (Simone Müller) sprechen ausschließlich von "dem Jungen" oder "dem Zwerg". Das klingt auf die Dauer sehr seltsam und wirkt unnatürlich, vor allem da es keine Erklärung für die gestelzte Wortwahl gibt. Vielleicht hatte bislang einfach noch niemand den Mut, sich damit auseinanderzusetzen, welchen Namen Hobby-Poet Lessing und Sarkasmus-Fan Dorn für ihren Sprössling gewählt haben. Oder er hat einfach keinen, wie sein vornamenloser Vater.
Viele Verdächtige in strubbeliger Story
Lessing (r.) wohnt fast im "Chez Chériechen"
Foto: MDR/Wiedemann & Berg/Anke Neugebauer
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Neben dem Humor gibt es natürlich auch einen Fall zu lösen. Der ist für Weimarer Verhältnisse ungewöhnlich bodenständig. Am zweiten Weihnachtsfeiertag spielten handgestrickte Woll-Dessous, brennende Heizdecken sowie Verfolgungsjagden durch die Kanalisation eine wichtige Rolle. In "Der kalte Fritte" geht es um menschliche Konflikte und wirtschaftliche Interessen. Das Seriöse will dem Thüringer Team aber noch nicht so ganz gelingen. Die Geschichte um das Goethe-Geomuseum zieht sich. Gegen Ende wird die Handlung immer verstrickter und schlägt einen Haken nach dem anderen. Letztendlich ist der Tatablauf vor allem eins: hanebüchen - genau wie die darauffolgenden Ermittlungen. Es zweifelt beispielsweise niemand an, dass Lollo Sassen den Einbrecher wirklich in Notwehr erschossen hat. Es wird auch keine Erklärung dafür gegeben, wieso die Kommissare in einem völlig leeren Büro auf Kisten sitzen und ihre Laptops nur auf dem Fensterbrett benutzen. Statt Antworten zu liefern, konzentriert sich die Geschichte lieber auf das Bordell "Chez Chériechen" und die mehr oder weniger witzigen Dialoge, die aus dieser Konstellation entstehen (Lessing: "Du, ich weiß gar nicht, wie ich es dir sagen soll... Ich geh' jetzt in den Puff!" Dorn: "Cool, dann bestell' ich mir einen Stripper nach Hause!" Lessing: "Viel Spaß!"). Da Fritte und seine Mitarbeiter Dorn noch nicht kennen, muss sie - nach inoffiziellen Krimi-Regeln - natürlich irgendwann spontan undercover gehen. Ihr Einsatz endet in einer Fast-Vergewaltigung, die nach wenigen Minuten schon wieder vergessen ist. Ein solch sensibles und ernstes Thema aufzugreifen, nur um es dann unkommentiert abzuhaken, ist wirklich eine Schande.
Kurt Stich (3.v.l.) stellt seinen Vater (2.v.l.) vor
Foto: MDR/Wiedemann & Berg/Anke Neugebauer
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Eine dem Thema angemessene Ernsthaftigkeit ist allerdings nicht das einzige, was vernachlässigt wird. In "Der kalte Fritte" gibt es eine ganze Menge von Verdächtigen, die alle letztendlich doch ganz anders ticken, als es im ersten Moment scheint. Diese Wendungen kosten Zeit, sodass andere Charaktere zu kurz kommen, darunter Dorns und Lessings Kollegen, Lollo (Ruby O. Fee wirkt sehr unterfordert.) sowie Prof. Ilja Bock (Niels Bormann). Am meisten Potenzial wurde bei Udo Stich (Hermann Beyer, Dark) verschenkt. Der Vater von Kommissariatsleiter Kurt Stich (Thorsten Merten) ist nämlich die größte Wundertüte. Er ist sympathisch, wortgewandt und intelligent. Allerdings nutzt er seine Talente nicht, wie es sein Sohn glaubt, als angesehener Kunsthistoriker. Mehr möchte ich nicht verraten, da der Twist, im Gegensatz zu den restlichen in diesem "Tatort", wirklich unterhaltsam ist. Zugegeben: Die Nebenhandlung ist nicht sonderlich glaubwürdig (Als ob der "beste Bulle Thüringens" in mehreren Jahrzehnten nicht irgendwann über die Wahrheit gestolpert wäre!) und lässt mindestens genauso viele Fragen offen, wie der Mordfall. Allerdings ist Udo Stich ein interessanter, vielschichtiger Charakter, dessen Lügengeschichten deutlich unterhaltsamer sind, als die der Verdächtigen. Er ist aber leider nur in wenigen Szenen zu sehen und verschwindet für einen Großteil der Handlung. Immerhin bekommt der Weimarer Trickster, der an "Sankt Maik" erinnert, einen würdigen Abschied in der sehr amüsanten Schlussminute.
Fazit
Im Vergleich zu den bisherigen Fällen des Ermittlerteams hat "Der kalte Fritte" einiges an Humor eingebüßt. Es gibt zwar immer noch ein Feuerwerk an Gags, doch viele wollen nicht so recht zünden. Der Schlagabtausch zwischen den Charakteren wirkt zum Teil sehr gekünstelt und verkrampft. Dasselbe gilt für die Krimihandlung. Der Fall ist deutlich bodenständiger als die vorherigen und wagt sich auch an ernstere Themen. Letztendlich hält er aber nicht konsequent an diesem Konzept fest. In der zweiten Hälfte des "Tatorts" verzettelt sich die Geschichte in zu vielen Wendungen und lässt viele Fragen unbeantwortet. Daher kommen leider auch einige vielversprechende Nebencharaktere zu kurz. Diese witzigen Figuren sind einer der Gründe, weshalb sich "Der kalte Fritte" noch auf Durchschnittsniveau bewegt. Dazu kommen grandiose Anfangs- und Schlussminuten sowie gute Darsteller.
Der "Tatort" in der nächsten Woche kommt aus Berlin und wurde während der Berlinale 2017 gedreht. In "Meta" bekommt Kommissar Robert Karow (Mark Waschke) den abgetrennten Finger einer minderjährigen Prostituierten zugeschickt. Bei ihren Ermittlungen stoßen Karow und Nina Rubin (Meret Becker) auf einen Regisseur, der in seinem neusten Werk eine beunruhigend ähnliche Situation darstellt. Ist der Film sein Geständnis?
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