Der Mord zum Sonntag hat Tradition, deshalb sind auch wir mit Rezension und Live-Tweets (@WatchReadTalk) dabei.
Ein Verkehrsunfall mit Fahrerflucht führt die Weimarer Kommissare Kira Dorn (Nora Tschirner) und Lessing (Christian Ulmen) in die traditionsreiche Kloßmanufaktur Hassenzahl. Dort stoßen sie auf die granulierte Leiche des Geschäftsführers Christoph Hassenzahl (Matthias Paul). Seine Ehefrau Roswita (Milena Dreißig) ist vor sieben Jahren spurlos verschwunden. Kommissariatsleiter Kurt Stich (Thorsten Merten) hatte damals Hassenzahl und dessen Geliebte, die Vorarbeiterin Cordula Remda-Teichel (Christina Große, Das Leben danach), verdächtigt, Roswita etwas angetan zu haben. Plötzlich steht die Vermisste jedoch quicklebendig in der Firma. Sie war vor sieben Jahren orientierungslos und ohne Gedächtnis von ihrem jetzigen Lebensgefährten Roland Schnecke (Nicki von Tempelhoff, Tatort: Sonnenwende) im Wald gefunden worden. Seitdem hat sie als Toilettenfrau "Mowgli" an einer Raststätte gearbeitet - ohne zu wissen, wer sie wirklich ist. Die Kommissare sind skeptisch, ob die Geschichte der Wahrheit entspricht. Mit dem wütenden Kartoffelbauern Thomas Halupczok (Jörn Hentschel, Tatort: Borowski und das Land zwischen den Meeren) und der ehrgeizigen Supermarkt-Managerin Marion Kretschmar (Anne Schäfer) gibt es jedoch noch zwei weitere Verdächtige mit eindeutigen Mordmotiven.
Es geht um Klöße, schon verstanden!
Dorn und Lessing ganz stylisch
Foto: MDR
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...wird wohl der ein oder andere Zuschauer während dieses "Tatorts" genervt denken. Denn die Weimarer Stamm-Drehbuchautoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger lassen keinen Zweifel daran, in welchem gesellschaftlich überaus relevanten "Milieu" der Fall spielt (Dorn: "Es gibt zwei große Dinge in Thüringen..." Lessing: "Ach, gleich zwei!" Stich: "Wurst und Klöße."). Die Wurstkönigin wurde bekannterweise in Dorns und Lessings erstem Fall 2013 ermordet, nun hat es also den Kloßkönig erwischt. Wie für den Weimarer "Tatort" üblich, zieht sich das Thema durch die komplette Handlung - sei es ein Verhör in einem gigantischen Kloß oder fraglich amüsante Sprüche wie "Das sind für mich böhmische Klöße." In das Klamauk-Niveau der beiden vorherigen Fälle "Der wüste Gobi" und "Der kalte Fritte" rutscht der Krimi jedoch glücklicherweise nicht ab. Das liegt vor allem an dem grandiosen ironischen Humor der beiden Protagonisten. Dorns ironisch-abschätzige Gesichtsausdrücke gepaart mit Lessings naiv-fröhlicher Klugscheißerei sorgen für viele amüsante Dialoge und tolle Situationskomik. So tritt die Kommissarin beispielsweise eine Tür ein und kommentiert das trocken mit "Kindheitstraum erfüllt." Lessings tadelndes "Frau Dorn!", wenn die Mutter seines Sohnes mal wieder einen sarkastischen Kommentar abgegeben hat, ist ja mittlerweile schon fast Kult.
Mein kleiner grüner Kaktus steht hier auf dem Tisch
Foto: MDR/Wiedemann & Berg/Anke Neugebauer
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Es gibt auch noch den ein oder anderen kleinen, amüsanten Insider-Gag für begeisterte "Tatort"-Fans. Relativ offensichtlich sind die Seitenhiebe auf die Kollegen aus Dortmund. Die Weimarer Ermittler verhören ihre Verdächtigen nicht nur in einem riesigen Kloß, sondern auch in einem stinknormalen Verhörraum - in dessen Mitte ein winziger, schiefer Kaktus auf dem Tisch steht. Auch Kommissar Faber hat einen stacheligen Freund, der immer in seinem Büro zu sehen ist. In einer anderen Szene stellen Dorn und Lessing mit vollem Körpereinsatz den möglichen Tathergang nach - ein übliches Vorgehen für die Ermittler aus dem Ruhrpott. Nicht ganz so offensichtlich ist ein anderer Witz. Der eigenbrötlerische neue Lebensgefährte von Roswita wird als "ganz lieber Mann am Rande des Waldes" beschrieben. Ob nun von den Drehbuchautoren beabsichtigt oder nicht, aufmerksame Zuschauer könnten bei diesem Spruch hellhörig werden. Schauspieler Nicki von Tempelhoff, der Roland Schnecke darstellt, war vor drei Monaten im "Tatort: Sonnenwende" zu sehen. Auch da spielte er einen Einsiedler am Rande des Waldes, der auf den ersten Blick nett und hilfsbereit wirkte, sich dann aber als Rechter mit völkischem Gedankengut entpuppte. Christina Große, die hier die Vorarbeiterin in der Kloßmanufaktur spielt, war übrigens in demselben Fall zu sehen. Da stellt sich mal wieder die Frage, wieso einige Dutzend Schauspieler mehrmals im Jahr im Sonntagskrimi auftauchen - in Rollen, die nicht unumstößlich auf sie zugeschnitten sind.
Bildungsauftrag erfüllt - irgendwie
Mit dem Traktor ganz unauffällig zur Vernehmung
Foto: MDR/Wiedemann & Berg/Anke Neugebauer
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Es ist nicht sonderlich überraschend, dass die Handlung bei einem dichten Gag-Feuerwerk und exzentrischen Figuren zu kurz kommt. Für die Fans der Weimarer und Münsteraner "Tatorte" zählt nun einmal eher die Art, wie die Kommissare ermitteln und nicht, was genau sie dabei herausfinden. Das ist auch bei "Die robuste Roswita" der Fall. Protagonisten und Zuschauer lernen in den 88 Minuten viele mehr oder weniger seriöse Fakten, die aber nichts mit der eigentlichen Mordermittlung zu tun haben. Beispielsweise, dass nichts so gut wärmt wie eine heiße Tasse Kloßbrühe, dass ein Trickbetrüger nichts anderes als ein Märchenerzähler ist, dass Menschen aus Bayern keine Ahnung von Klößen haben, dass granulierte Klöße aussehen wie Katzenstreu und dass man seine Hände ganz leicht mit den Scheibenwischern des Autos säubern kann. Die wohl bahnbrechendste Weisheit verrät aber Toilettenmann Roland Schnecke in Form von drei Punkten für das richtige Pinkeln im Stehen: "Senkrechte statt waagerechte Oberflächen anstrullen, geringe Aufprallwinkel und nah rantreten. Mit 60 fängt's an zu tröpfeln, mit 70 geht das Meiste beim Abschütteln weg - fragen Sie nicht wohin." Der einzige noch plattere Spruch in diesem Krimi ist wohl Roswitas ehrfürchtige Ergänzung: "Das musste ich auch alles erst lernen." Ganz so präzise wie die Toilettentipps ist die Auflösung später nicht. In den letzten Minuten schustern sich Dorn und Lessing einen komplexen Tathergang zusammen, in dem fast jede Nebenfigur in irgendeiner Form vorkommt. Die Ermittler machen nicht einmal einen Hehl daraus, dass sie selbst nicht wissen, wer überhaupt juristisch belangt werden kann. Ungeschoren kommt zumindest die Person davon, die Kommissariatsleiter Stich stundenlang in einem Gefrierraum eingesperrt hatte - da sie damit sein hartnäckiges Fieber kuriert und ihm eine Lektion erteilt hat. Schon ein lustiges Volk, diese Weimarer...
Fazit
"Die robuste Roswita" verleiht dem Team Dorn/Lessing nach zwei eher schwachen Folgen wieder einen kleinen Aufschwung. Auch wenn der Humor nicht das Niveau der Anfangsjahre erreicht, ist er dennoch deutlich treffsicherer als in "Der wüste Gobi" und "Der kalte Fritte". Die beiden Kommissare sind das Highlight der Folge. Mit ihren trockenen Sprüchen, ihrer spitzen Ironie und ihren herrlich missbilligenden Gesichtsausdrücken sind sie ein Garant für Lacher - im Gegensatz zu vielen Gags der anderen Charaktere. Mit ihrem Sarkasmus werten die Ermittler auch die holprige Handlung auf, die thematisch an die Pilotfolge der Weimarer und in Teilen auch an andere "Tatort"-Teams erinnert. Trotz der erzählerischen Schwächen ist "Die robuste Roswita" dennoch ein unterhaltsamer Fall, der trotz allem nicht in den Klamauk abrutscht.
Nächste Woche gibt es eine Premiere beim "Tatort". Die neue Kieler Kommissarin Mila Sahin (Almila Bagriacik) feiert ihren Einstand. Bei ihrem ersten Fall "Borowski und das Haus der Geister" übernimmt sie direkt die Leitung der Ermittlungen, da ihr Kollege Klaus Borowski (Axel Milberg) befangen ist. Sein Patenkind hat ihn um Hilfe gebeten: Offenbar treibt der Geist ihrer verschwundenen Mutter sein Unwesen in der Familienvilla.
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