Mit "1922" zeigt "Netflix" kurz nach Veröffentlichung von "Gerald's Game" (hier kommt ihr zu meinem Post, in dem ich die Verfilmung mit dem Roman vergleiche) eine weitere Stephen King Verfilmung. Die Adaption, die seit dem 20. Oktober auf der Seite des Streaming-Anbieters zu sehen ist, basiert auf der gleichnamigen Kurzgeschichte aus der Geschichtensammlung "Zwischen Nacht und Dunkel".
Der Farmer Wilfred "Wilf" James (Thomas Jane) lebt im Jahr 1922 mit seiner Frau Arlette (Molly Parker) und dem gemeinsamen jugendlichen Sohn Henry (Dylan Schmid) auf einem 30 Hektar großen Land in Nebraska. Das Grundstück hat Mrs. James von ihrem Vater geerbt, will es nun aber verkaufen, um in die Stadt zu ziehen. Wilfred hingegen will weiter auf dem Land wohnen bleiben. Der Streit um die Zukunftspläne geht so weit, dass Arlette ihrem Mann droht, das Grundstück zu verkaufen, sich scheiden zu lassen und Henry mit sich zu nehmen. In seiner scheinbar aussichtslosen Lage, sieht er nur einen Ausweg: Arlette muss sterben. Zusammen mit seinem Sohn, der ebenfalls einen Groll gegen seine Mutter hegt, bringt er sie um. Als der Mord gelingt und niemand dahinter kommt, scheint der Plan aufgegangen zu sein. Doch in Wahrheit beginnt jetzt der wahre Horror, denn Wilfred wird von der toten Ehefrau heimgesucht.
Ein Horror der subtilen Art
Ein einfacher Farmer wird zum Mörder Foto: Netflix |
Alles, was 1922 geschehen ist, erzählt Wilf durch einen Brief, in dem er den Mord Jahre später gesteht. Arlettes Tod liegt daher in der Vergangenheit. Somit wird das gesamte Geschehen ausschließlich aus seiner Sicht erzählt. Ich denke nicht, dass das zwingend notwendig gewesen wäre, denn der Film arbeitet so gekonnt mit eindrücklichen Bildern, dass er die Geschichte sicherlich auch so gut präsentiert hätte. Dennoch hat es mir insgesamt gefallen, da die Erzählmethode nicht einfach genutzt wird, um dem Zuschauer alle Ereignisse zu erklären und überall Erklärungen zu präsentieren. Es nimmt dem Film nichts von seiner fesselnden Handlung. Diese ist tatsächlich schon von Beginn an präsent, sodass ich auch in den Anfangsminuten keine Langweile hatte. Denn schon vor dem Mord ist die angespannte Stimmung zwischen den Charakteren greifbar. Arlette und Wilf wollen zwei sehr verschiedene Dinge im Leben und das Land, auf dem sie wohnen, wird zum Auslöser des Konflikts. Auch hier wird unterschwellig gearbeitet: Es sind vor allem die harten, kalten Blicke zwischen ihnen, die zeigen, dass es unter der Oberfläche brodelt. Hinzu kommt der brillante Einsatz von spannungsgeladener Musik, die diese Szenen noch intensiver macht. In der gesamten Adaption trägt der Soundtrack sehr gut zur jeweiligen Stimmung bei. Er sticht damit positiv heraus, weil er so präsent ist, dass man ihn wirklich als Teil des Films wahrnimmt.
Wilf (r.) und Henry können den Sheriff hinters Licht führen Foto: Netflix |
Eine Heimsuchung der besonderen Art
Wilf blickt hinunter zur letzten Ruhestätte seiner Frau Foto: Netflix |
Ein ganz bedeutender Teil des Horrors ist der Einsatz von Ratten. Sie tauchen über den gesamten Film immer wieder auf. Sie nagen an Arlettes Leiche und die Zuschauer werden mit dem detailreichen, grausigen Anblick konfrontiert (eine Ratte schiebt sich beispielsweise aus ihrem Mund heraus). Danach werden sie genauso wie die Tote zu einer immer wiederkehrenden Präsenz. Anders als Arlette werden sie sogar zu einer sehr realen Gefahr, als Wilfred von einer Ratte in die Hand gebissen wird und eine gefährliche Infektion bekommt. Die Verbindung zwischen den Nagetieren und der Toten wird so deutlich herausgearbeitet, dass sobald nur eine Ratte zu sehen ist, die Gedanken automatisch auch zur Leiche von Wilfs Frau wandern. Besonders am Ende des Films geben die kleinen Tiere der Geschichte etwas sehr Unbehagliches, als sie in Scharen auftauchen und der Betrachter selbst entscheiden muss, ob sie real sind oder nur Einbildung. Selbst dem Protagonisten erkennt man in dieser Szene nur schwer an, ob er sie für echt hält oder nicht.
Arlette wollte in der Stadt einen Kleiderladen eröffnen Foto: Netflix |
Fazit
"1922" ist ein packender Film über einen Mord und die außergewöhnlichen Konsequenzen, mit denen der Täter konfrontiert wird. Diese Adaption beweist, dass auch wenig mehr sein kann. Die Stärke dieser Produktion ist auf jeden Fall die durchgehende Spannung, die mit vereinzelten, gut eingebauten Horrorschockern auskommt. Da die Grenze zwischen Realität und Einbildung der Heimsuchung nicht ganz klar ist, wird der Zuschauer dazu angeregt, sich wirklich mit dem Geschehen auseinanderzusetzen. Insgesamt wird einfach eine sehr gute Geschichte erzählt, die einen bis zum Abspann nicht loslässt und sogar darüber hinaus durch das offene Ende weiter gefangen hält.
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