Samstag, 28. Oktober 2017

Stranger Things: Staffel 2 - Rezension

Kaum eine zweite Staffel wurde so heiß ersehnt, wie die der "Netflix"-Serie "Stranger Things". Die Erste wurde über Nacht zum absoluten Hit - sowohl bei Kritikern als auch beim Publikum. Bei den Emmys, die sich leider immer noch ein bisschen vor Streaming-Anbietern zieren, wurde die Serie dieses Jahr 18 Mal nominiert. Ich bin mit geringen Erwartungen an die erste Staffel herangegangen und wurde sehr positiv überrascht. Gestern ist die Zweite in allen Ländern veröffentlicht worden. Ich habe sie durchgeguckt, um euch zu verraten, ob sie die Qualität halten kann. 

Die Handlung beginnt knapp ein Jahr nach den Geschehnissen der ersten acht Episoden. Bei den Protagonisten ist wieder halbwegs normaler Alltag eingekehrt. Will Byers (Noah Schnapp) leidet darunter, dass ihn seine Mutter Joyce (Winona Ryder) aus Sorge kaum eine Sekunde aus den Augen lässt. Lucas Sinclair (Caleb McLaughlin) und Dustin Henderson (Gaten Matarazzo) treten unfreiwillig in Wettstreit, als sie sich beide in ihre neue Mitschülerin Max Hargrove (Sadie Sink) vergucken. Mike Wheeler (Finn Wolfhard) ist von dem neuen Mädchen gar nicht begeistert. Er versucht noch immer jeden Abend Kontakt zu seiner verschwundenen Freundin Eleven (Millie Bobby Brown) herzustellen. Das nächste Abenteuer beginnt, als Will von mysteriösen Visionen heimgesucht wird, die deutlich echter sind, als es sich sein Umfeld eingestehen will.


- Der folgende Text enthält Spoiler -

Alte Geschichte, neue Charaktere

Das Design ist einfach klasse!
Foto: Netflix
Schon nach wenigen Folgen ist klar, dass die Handlung der zweiten Staffel "Stranger Things" den Grundzügen der ersten folgt: Etwas Übernatürliches geschieht mit Will; seine Freunde und seine Familie machen sich Sorgen; Joyce dekoriert ihren Bungalow um; dann entwickeln verschiedene Grüppchen unterschiedliche Pläne, die mehr oder weniger Erfolg haben; schließlich kommt Eleven dazu und rettet den Tag. Ich möchte hier nicht zu sehr ins Detail gehen, doch man merkt die Übereinstimmungen der beiden Handlungsstränge deutlich. Während sich in Staffel eins beispielsweise Lichterketten durch das Haus der Familie Byers ranken, sind es in Staffel zwei Wills Zeichnungen. Beide liefern wichtige Hinweise, um die übernatürlichen Monster zu besiegen. Auch einige der Figuren haben sich nicht wirklich weiterentwickelt. Joyces Hauptaufgabe ist es noch immer, die meiste Zeit zu schreien und hysterisch zu schluchzen, bei High School-Star Steve Harrington (Joe Keery) scheinen sich die Drehbuchautoren noch immer nicht einig zu sein, ob er nun ein Trottel ist oder nicht und Chief Jim Hopper (David Harbour) versucht trotz der Erlebnisse in der ersten Staffel weiterhin, bloß keine Hilfe anzunehmen oder sich jemandem anzuvertrauen. Das fand ich sehr schade, denn so wirken die Charaktere festgefahren und karikativ, da sie sich trotz großer Umstellungen in ihrem Leben nicht weiterentwickeln. Das ist jedoch nicht bei allen Figuren der Fall. Die Kinder, besonders Eleven, haben sich verändert. Nach Ende der ersten Staffel nimmt Hopper das Mädchen auf, verlangt allerdings von ihr, immer im Haus zu bleiben und nicht auf sich aufmerksam zu machen. Nach einigen Monaten in Isolation beginnt sie gegen ihn zu rebellieren. Dieser Aspekt hat mir richtig gut gefallen. Bislang wirkte Eleven sehr erwachsen, tough und unzerstörbar („Ich bin ein Kämpfer. Ich habe getötet.“). Jetzt wird sie menschlicher und nimmt sich auch die Freiheit heraus, einfach ein Kind auf der Schwelle zum Erwachsenwerden zu sein. 
Max kann kaum Glauben, was in Hawkins los ist
Foto: Netflix
Neben den altbekannten Charakteren gibt es aber auch eine ganze Reihe neuer. Da wäre einmal Joyces gut gelaunter, nerdiger Freund Bob Newby (Sean Astin), den ich nach einigen Folgen wirklich ins Herz geschlossen habe. Er passt sich schnell an die seltsamen Geschehnisse an und hilft, so gut er kann. Außerdem ist er kein klischeehaftes, böses Stiefelternteil, sondern mag Will und Jonathan (Charlie Heaton) sehr gerne. Dann wäre da Max, mit der ich nach einigen Folgen ebenfalls warm geworden bin. Gegenüber der Jungengruppe ist sie tough und cool, zeigt aber auch ihre ängstliche Seite, wenn sie alleine mit ihrem brutalen Stiefbruder Billy (Dacre Montgomery, Power Rangers) ist. Nachdem ihr Lucas von den Geschehnissen der ersten Staffel erzählt hat, glaubt Max ihm kein Wort. Sie hilft den Jungs dennoch, als sie merkt, wie ernst es ihnen ist. Billy fand ich jedoch als Charakter völlig überflüssig. Er soll wohl Jonathans arrogante Freunde und Elevens böse Ärzte aus der ersten Staffel als menschlicher Antagonist ersetzen. Doch er steht eigentlich nur im Weg herum und bringt weder Schwung in die Handlung noch wirkliche Spannung. An einigen Stellen ist er sehr überzeichnet, beispielsweise als er bei einer Halloweenparty mit geöffnetem Hemd und grölend herumrennt, während ihm eine Entourage folgt und laut anfeuert. Außerdem ist es schwer, seinen Hass auf Max und Lucas (Vielleicht ist er "einfach" rassistisch?) mangels Informationen nachzuvollziehen.

Alte Pluspunkte, neue Erzählweise

Eleven (3.v.l.) und Eight (4.v.l.) sind... cool oder so?
Foto: Netflix
Ein weiterer neuer Charakter ist Kali/"Eight" (Linnea Berthelsen), die wie Eleven als Kind entführt und für Experimente missbraucht wurde. Sie ist in den ersten Szenen der neuen Staffel zu sehen und dann nur noch in Folge sieben, was schade ist, da sie mehr über das Labor und die beteiligten Personen zu wissen scheint. Die ganze Episode konzentriert sich nur auf sie und ihre aus jugendlichen Kriminellen bestehende Gang, der sich Eleven kurzfristig anschließt. Denn während in der ersten Staffel immer wieder zwischen den verschiedenen Schauplätzen hin und her gesprungen wird, konzentriert sich die Fortsetzung länger auf eine Nebenhandlung. So spielt Folge sieben nicht in Hawkins, sondern in Chicago und Eleven ist als einzige der Protagonisten zu sehen. Ich finde es prinzipiell nicht schlecht, Schwerpunkte zu setzen - vor allem bei der stark angestiegenen Zahl von Charakteren - aber die Folge hat mir nicht gefallen. In der dreckigen Großstadt verliert die Geschichte ihren Charme, außerdem ergibt vieles keinen Sinn. Zum Beispiel, dass Eleven ihre "Schwester" nach nur einem mentalen Besuch mitten in Chicago findet und dass sie, die in einem Labor aufgewachsen ist und in der ersten Staffel nicht einmal Fernseher kannte, sich problemlos im Großstadtdschungel zurecht findet. Die ganze Folge wirkt fehl am Platz. "Stranger Things" lebt durch das Setting in einem kleinen Städtchen im Nirgendwo und die kleinbürgerlichen Einwohner. Außerdem wirken Kali und ihre Clique sehr karikativ und trotz ihrer gemeinsamen Vergangenheit mit Eleven bringt Eight die Handlung nicht weiter. Ich fand es sehr schade, dass ein so vielversprechender Charakter eingeführt wurde, nur um ihn für ein paar coole Sprüche und Actionszenen zu verheizen. Leider die mit Abstand schlechteste Folge - nicht nur dieser Staffel, sondern insgesamt.
Who you gonna call? Dustin, Mike, Lucas und Will!
Foto: Netflix
Es ist auch die einzige Episode, in der ich die Schauspieler nicht hundertprozentig überzeugend fand. Die sechzehnköpfige Hauptbesetzung hat letztes Jahr den "Screen Actors Guild Award" für das herausragendste Ensemble in einer Dramaserie gewonnen und dabei "Game of Thrones", "The Crown", "Westworld" und "Downton Abbey" ausgestochen. Kein Wunder, denn bis auf die sehr affektiert spielenden Gangmitglieder in der oben genannten Folge, sind die Schauspieler auch in der zweiten "Stranger Things"-Staffel wieder grandios! Alle Protagonisten stehen irgendwann an ihrem persönlichen Abgrund und absolut jedem gelingt es, die Emotionen realistisch und nachvollziehbar darzustellen. Besonders bei den Jungschauspielern habe ich mich schon in der ersten Staffel gefragt, wo sie diese Gefühle im Alter von 11 bis 13 Jahren herholen. Noah Schnapp als Will war in der ersten Staffel kaum zu sehen. Nun beweist er, dass er nicht einmal Worte braucht, um dem Zuschauer wahre Schauer über den Rücken laufen zu lassen. Wie bei einem Exorzismus schreit er sich die Seele aus dem Leib und bekommt beunruhigende Krampfanfälle.
Hopper und Eleven sind nun eine richtige Familie
Foto: Screenshot
Oben bin ich bereits auf die bewegenden Szenen zwischen Eleven und Hopper eingegangen und möchte an dieser Stelle noch einmal erwähnen, wie großartig die schauspielerische Leistung der beiden ist. Der Zuschauer fühlt, wie sehr sie einander bedeuten und wie sehr sie einander auch weh tun können. Ihren heftigsten Streit kann ich mit Worten nicht einmal beschreiben, man muss die Szene selbst gesehen und die Emotionen gespürt haben. Es gab noch eine zweite Sequenz, die unglaublich berührend ist. Mikes Schwester Nancy (Natalia Dyer) und ihr Freund Steven sind zum Essen bei den Eltern von Barbara (Cynthia Barrett und Aaron Munoz) eingeladen, deren Tod in Staffel eins vertuscht wurde. Die beiden erzählen, dass sie einen ehemaligen investigativen Journalisten (Brett Gelman) angeheuert haben, damit er ihre Tochter findet und wieder nach Hause bringt. Ihre Hoffnung ist so groß, dass ich fast selbst wieder welche geschöpft habe. Es wird sogar noch emotionaler, als sich herausstellt, dass sie ihr Haus verkaufen, um die Dienste des Ex-Journalisten zu bezahlen (Nancy: "Es ist, als hätten sie [Barb, Anm. d. Red.] alle vergessen und keinen interessiert’s – bis auf ihre Eltern. Die verkaufen jetzt ihr Haus und verbringen den Rest ihres Lebens damit, nach ihr zu suchen. Das wird sie kaputt machen."). Die Szene ist mir wirklich nahegegangen - bis sie von der wohl peinlichsten und offensichtlichsten Schleichwerbung in der TV-Geschichte unterbrochen wird. 

Altes Ende, neue Pärchen


#NotEnoughJusticeForBarb
Foto: Screenshot
Viele Fans haben sich gefragt, ob es noch Gerechtigkeit für Barb geben wird. Laut den Filmemachern, ja. Allerdings war es dann genauso enttäuschend wie ihr Tod. In der letzten Folge erfahren ihre Eltern endlich, dass Barbara gestorben ist - den wahren Grund allerdings nicht. Zuvor hatten sich Nancy, Jonathan und der investigative Journalist gemeinsam eine Lügengeschichte ausgedacht, die sie zahlreichen Zeitungen anonym zugespielt haben, um das Labor in Hawkins zu diskreditieren, ohne dass die Wahrheit ans Licht kommt. So haben Barbs Eltern Gewissheit bekommen und können ihre Tochter wenigstens beerdigen. Gerechtigkeit ist es aber nicht. Auch sonst war ich kein großer Fan der letzten Folge. Erst einmal wirkt der Master-Rettungsplan ziemlich amateurhaft. Verschiedene Gruppen planen mal wieder unterschiedliche Dinge und helfen sich damit durch Zufall gegenseitig. Vor allem Joyces Part ist lächerlich. Will hat vorher mehrfach gesagt, dass das Monster es gerne kalt mag ("Ich hab’s gespürt. Überall. Überall. Ich spür’s jetzt noch. Ich will einfach, dass es aufhört."). Erst in der letzten Folge hat seine Mutter den glorreichen Einfall, die Wärme zu steigern, um das Monster zu vertreiben - ihr Einfall mit den Buchstaben und den Lichterketten in Staffel eins kam deutlich schneller. Währenddessen versuchen Hopper und Eleven das Tor in die andere Welt zu schließen, das nun plötzlich unter- statt überirdisch ist. Die Sequenz dauert lange und erinnert sehr an den Kampf des telekinetischen Mädchens gegen den Demogorgon im Finale der ersten Staffel. 
Lucas und Max kommen sich beim Schulball näher
Foto: Screenshot
Damals hatte Mike Eleven kurz vorher zum Schulball eingeladen. Als nun also vorläufig alles Böse besiegt ist, können die Protagonisten endlich tanzen gehen. Das sorgt für einige humorvolle Momente und eine herzzerreißende Szene (Dustin wird von mehreren Mädchen rüde abgewiesen und steht hinterher mit Tränen in den Augen am Rand der Tanzfläche.). Doch die Schlussminuten sind vor allem ein sehr übertrieben süßliches Happy End. Hopper ist dank gefälschter Geburtsurkunde nun offiziell Elevens Vater, Jonathan und Nancy scheinen zusammen zu sein, Lucas und Max kommen zusammen, Mike und Eleven kommen zusammen und selbst Will wird von einem Mädchen zum Tanzen aufgefordert. Schließlich muss auch Dustin nicht mehr alleine rumstehen. Währenddessen tröstet Hopper Joyce, die um Bob trauert (noch ein viel schlimmerer und trauriger Tod als bei Barb #JusticeForBob) und Steven akzeptiert Nancys Beziehung zu Jonathan ohne irgendeinen negativen Ton. Alles in allem schon sehr viel Fröhlichkeit und Glück in ein paar Minuten - vor allem, da die dritte Staffel sowieso alles wieder zerstören wird.

Fazit

Meiner Meinung nach kann die zweite Staffel "Stranger Things" das hohe Niveau der ersten nicht halten. Die Handlung wirkt wie eine Neuauflage der vorherigen acht Folgen und bietet dementsprechend wenig Neues oder Überraschendes. Stattdessen werden viele zusätzliche Charaktere und Schauplätze eingeführt, die die Geschichte nicht voranbringen, sondern sie eher ausbremsen. Auch das übertrieben positive Happy End hätte eine Spur gemäßigter ausfallen können. Trotzdem ist die zweite Staffel der Serie noch immer viel besser als das meiste, was Fernsehen und Streaming-Anbieter produzieren. Besonders die fantastischen Schauspieler und ihre tolle Chemie untereinander sind jede Minute wert. Daher fällt es auch leicht, mit den Charakteren mitzufühlen und eine Beziehung zu ihnen aufzubauen. In Bezug auf Kostüme, Setdesign, Musik und Popkultur-Referenzen sind die neuen Folgen sogar besser als die vorherigen. Ich freue mich jedenfalls schon jetzt auf die dritte Staffel. 


Habt ihr die zweite Staffel von "Stranger Things" schon durchgeguckt? Wenn ja: Was hat euch besonders gefallen, was nicht? Teilt eure Meinung gerne mit uns in den Kommentaren!

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