Montag, 7. August 2017

Engelsschlaf (Catherine Shepherd) - Rezension

Vor Kurzem bin ich auf der Suche nach einem Krimi auf das neu erschienene Buch "Engelsschlaf" von Catherine Shepherd aufmerksam geworden. Da es sich als zweiter Teil einer Reihe entpuppte, habe ich zuerst den Vorgänger "Krähenmutter" gelesen (hier gelangt ihr zur Kritik). Dort haben mich vor allem die unausgereiften Charaktere und die teils sehr platte Schreibweise gestört. Ich war dementsprechend gespannt zu sehen, inwieweit sich der Stil in "Engelsschlaf" verbessern würde
Das Buch ist Ende Juni 2017 im Kafel Verlag erschienen und 330 Seiten lang.

Ein anonymer Anrufer meldet eine leblose Frau in einem Berliner Park. Der alarmierte Notarzt kann keine Vitalfunktionen mehr feststellen und erklärt sie für tot. Doch kurze Zeit später regt sich das Opfer. Sie bleibt nicht die einzige Scheintote. Mehrere Frauen werden mit kaum messbaren Lebenszeichen, aber sorgsam zugedeckt, dazu körperlich fast unversehrt, an verschiedenen Orten gefunden. Ermittlerin Laura Kern und ihr Partner Max Hartung suchen verzweifelt nach Hinweisen oder einem Motiv. Als ein Opfer tatsächlich stirbt, wird ihnen bewusst, dass der Täter nun nichts mehr zu verlieren hat. Die nächste Frau befindet sich schon in seiner Gewalt...

Ein Krimi (fast) ohne Leiche

Ich habe es als E-Book gelesen
Foto: Kafel Verlag
"Engelsschlaf" ist mir unter der Vielzahl der neu erschienenen Thriller vor allem wegen der ungewöhnlichen Ausgangssituation aufgefallen: Ein Täter, der wahllos Frauen entführt und sie wenige Tage später wieder freilässt. Bis auf kleinere Blessuren haben sie keine körperlichen Schäden, sind nicht vergewaltigt worden und können bereits nach kurzer Zeit das Krankenhaus vollständig genesen verlassen. Dieses Szenario fand ich spannend, da es neben der Suche nach dem Täter noch ein weiteres Rätsel zu lösen gilt: Warum werden die Frauen entführt und was passiert in dieser Zeit mit ihnen? Da die Kommissare mit den Opfern selbst sprechen können, wird ihre Todesangst greifbarer. Obwohl sie körperlich unversehrt sind, werden sie nie mehr dieselben sein. Erkenntnisse wie diese werden in "Engelsschlaf" deutlich subtiler dargestellt als im Vorgänger. Während sie dem Leser in "Krähenmutter" alle Fakten fertig analysiert vorgesetzt hat, geht Autorin Catherine Shepherd im zweiten Teil der Laura-Kern-Reihe deutlich nuancierter vor. Durch die Schilderungen der handelnden Personen entsteht ein eigenes Bild im Kopf, was deutlich angenehmer ist, als ein fertiges akzeptieren zu müssen.
Einige Formulierungen sollen den Leser jedoch so offensichtlich auf ein Detail aufmerksam machen, dass man die Zusammenhänge sehr früh erahnen kann. Schon nach dem Fund der zweiten Scheintoten war mir klar, was die Opfer miteinander verbindet. Entsprechende Hinweise gibt es danach noch dutzendfach, was die Spannung leider mindert. Ebenso wie die Tatsache, dass sich die Ermittler zu Beginn der Handlung auf Victor Frantzen, den Ex-Freund des ersten Opfers, als Täter einschießen. Das ist in keiner Weise nachvollziehbar: Ein richtiges Motiv hat er nicht und die Kommissare können keinen stichhaltigen Beweis liefern. Ihr einziger Anhaltspunkt: Laura Kerns Bauchgefühl. Es ist kein großer Spoiler, dass Frantzen letztendlich nicht der Täter ist. Er wird von Laura Kern verfolgt, kann sie aber abhängen. Das ist sein letzter Auftritt. Danach rücken andere Hinweise in den Fokus und Frantzen ist vergessen. Weshalb er jedoch ein gekauftes Alibi hatte und abgehauen ist, wird nicht aufgeklärt. Seine letzte namentliche Erwähnung lautet: "Victor Frantzen hatten sie trotz der Fahndung nach seinem Wagen nicht ausfindig machen können." Klaffende Löcher in der Handlung sind ärgerlich, besonders wenn der Erzählstrang vorher eine zentrale Rolle gespielt hat und nun einfach unter den Tisch gekehrt wird. Dasselbe gilt für eine äußerst seltsame Anmerkung im Epilog (Achtung Spoiler im Rest dieses Absatzes!), die besagt, dass Laura Kern zwei Menschen bezahlt hat, um die Beerdigung des toten Entführers zu besuchen. Kurze, zusammenhangslose Informationen wie diese, die weder Sinn ergeben, noch erklärt werden, gibt es leider einige.

Die Narben verheilen langsam

Wie bereits im ersten Band, wird auch in "Engelsschlaf" die Sicht des Täters geschildert. So steht das Motiv schnell fest. Er hat eine außergewöhnliche Vorgeschichte und ist nicht der klassische böse, kaltherzige Psychopath. Daher bereichert seine Perspektive die Geschichte trotz der Vorhersehbarkeit. Der atypische Entführer ist in meinen Augen die Stärke des Krimis ("'Ich habe etwas Ungewöhnliches in ihrem [das tatsächlich tote Opfer; Anm. d. Red.] Hals gefunden.' 'Was?' Lauras Nerven vibrierten vor Anspannung. 'Einen Zettel, auf dem nur ein Satz geschrieben steht: Es tut mir leid.'"). Da der Täter am Ende nichts mehr zu verlieren hat, ist der Showdown durchaus spannend.  

In "Krähenmutter" haben mich vor allem die platten Hauptcharaktere gestört. Im zweiten Teil spielen sie und ihre privaten Angelegenheiten eine spürbar kleinere Rolle, wodurch die Geschichte deutlich an Dynamik gewinnt. Die Beschreibungen der Figuren fallen nun knapper aus und basieren auf mehr als nur stereotypischen Adjektiven. Lauras Kollegen Max Hartung und Taylor Field sind immer noch sehr attraktiv, dennoch wird nicht mehr bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf eingegangen. Nur Laura Kerns traumatische Vorgeschichte ist noch immer prominent platziert. Sie fasst sich zwar gefühlt ein paar Dutzend mal weniger an die Narben, dennoch wirken ihre inneren Monologe genauso melodramatisch wie im ersten Teil ("Träumen mochten Menschen, die nur gute Seiten im Leben kannten. Laura hingegen hatte schon im Alter von elf Jahren gelernt, dass es auch das Böse gab. Damals färbten sich ihre rosaroten Mädchenträume für immer schwarz. Die Krallen der Finsternis griffen noch heute nach ihr, sie hatten Spuren auf Lauras Körper und in ihrer Seele hinterlassen.") Da ihr Kollege und Liebhaber Taylor Field ebenfalls von Narben gezeichnet ist, werden die traumatischen Lebensgeschichten der Ermittler wohl auch in zukünftigen Bänden eine Rolle spielen. 

Fazit

"Engelsschlaf", der zweite Teil der Laura-Kern-Krimis, hat mir deutlich besser gefallen als sein Vorgänger. Die Figuren werden dezenter charakterisiert und ihre persönlichen Probleme weniger in den Vordergrund geschoben. Der Fall wirkt besser durchdacht und ist spannender. Sowohl das Verbrechen als auch der Täter sind ungewöhnlich, was dem Krimi eine gewisse Originalität verleiht. Dennoch gibt es, wie bereits im ersten Buch, viele Logiklöcher und Unstimmigkeiten in den Ermittlungen, sodass es teils schwer fällt den haltlosen Schlussfolgerungen der Polizisten zu folgen. Besonders, da die Handlung recht vorhersehbar ist und viele Leser wohl deutlich schneller auf die Lösung kommen werden als die Kommissare. Trotz dieser negativen Aspekte, ist "Engelsschlaf" eine deutliche Steigerung im Vergleich zum ersten Band. Außerdem hat er meine Neugierde auf einen dritten Teil geweckt, da ich wirklich gerne wissen will, weshalb Victor Frantzen ein falsches Alibi hatte und geflohen ist.


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