Seit 1993 gibt es die Fernsehserie "Power Rangers". In mittlerweile 24 Staffeln beschützen jugendliche Superhelden in farbenfrohen Kampfanzügen die Welt vor Aliens und Monstern. Im Jahr 2017 kam der dritte Film des Franchises heraus. Allerdings stellt er keine Ergänzung zur Serie dar, sondern lässt die Charaktere der ersten Staffel "Mighty Morphin Power Rangers" mit jungen Schauspielern und einer anderen Geschichte neu aufleben.
Ich habe die Serie in meiner Kindheit nie wirklich verfolgt, nur ab und zu eine Folge gesehen, wenn nichts anderes im Fernsehen lief. Dabei hatte ich vor allem Spaß an den schlecht animierten Kampfszenen und den "Bösen", die sich immer durch peinliche Kostüme und sinnlose Pläne auszeichneten. Dementsprechend wenig hat mich der "Power Rangers"-Kinofilm interessiert. Durch Zufall habe ich dann doch den Trailer gesehen und gemerkt, dass die Verfilmung nicht wirklich etwas mit der Serie zu hat, sondern tatsächlich ziemlich cool und abenteuerlich aussieht.
Die fünf Highschoolschüler Jason, Kimberly, Billy, Trini und Zack haben praktisch nichts gemeinsam. Der polizeibekannte Jason (Dacre Montgomery, roter Ranger) war Star der Footballmannschaft, bevor er den Sport durch eine Knieverletzung aufgeben musste. Die ehemalige Cheerleaderin Kimberly (Naomi Scott, pinkfarbener Ranger) ist aus ihrem Freundeskreis ausgeschlossen worden, nachdem sie das private Foto eines anderen Mädchens weitergeleitet hat. Autist Billy (RJ Cyler, blauer Ranger) ist regelmäßig das Ziel von Mobbing. Trini (Becky G, gelber Ranger) hat aufgrund mehrerer Umzüge keine Freunde und fühlt sich von ihrer "perfekten" Familie unverstanden. Außenseiter Zack (Ludi Lin, schwarzer Ranger) schwänzt häufig die Schule, um seine schwerkranke Mutter zu pflegen. Durch einen Zufall treffen die Teenager abends in einem alten Bergwerk aufeinander und entdecken dort fünf bunte Münzen, die ihnen Superkräfte verleihen. Bei der Suche nach Antworten, treffen die Schüler auf Roboter Alpha 5 und seinen Meister Zordon. Die beiden eröffnen den Jugendlichen, dass sie nun "Power Rangers" sind und die Welt vor der bösen, abtrünnigen Rangerin Rita Repulsa (Elizabeth Banks) beschützen müssen.
Metall statt Plastik, Action statt Animation
Die Anzüge ähneln den "Transformers"
Foto: Lionsgate
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Serie und Film haben bis auf die Namen der Hauptcharaktere, ihre Kampfanzüge und Zords (große Kampfroboter) praktisch keine Gemeinsamkeiten. Die Sendung wurde unter anderem vom Disney Channel produziert und ausgestrahlt, mittlerweile läuft sie bei Nickelodeon - dementsprechend jung ist die Zielgruppe. Der Film richtet sich an ältere Zuschauer. Anstelle einer bunten, comicartigen Welt, dominieren hier triste Landschaften und gedeckte Farben. Selbst die Anzüge der "Power Rangers" sind nicht ansatzweise so farbenfroh wie in der Serie. Um genau zu sein, spielen die sowieso eine untergeordnete Rolle. Erst nach 86 Minuten, bei einer Laufzeit von 121 Minuten inklusive Abspann, verwandelt sich die Gruppe zum ersten Mal in die "Power Rangers". Am Ende gibt es auch nur eine kurze Nahkampfsequenz, danach wird ausschließlich mit den Zords gekämpft. Diese Szenen sehen jedoch ziemlich cool aus und wirken wie der Showdown eines "normalen" Superheldenfilms. Von den Plastik-Zords, die in einer einfachen Kulisse aufeinander geschmissen werden, fehlt hier jede Spur. Auf der einen Seite ist das ein bisschen schade, da der unglaublich billig-peinliche Look ein Markenzeichen der "Mighty Morphin Power Rangers" ist. Anderseits hat der Film so Potenzial, der Beginn eines neuen Franchises zu sein, das vielleicht ein bisschen weniger Charme, dafür deutlich mehr Action, Handlung und Spannung hat.
Tragen unwissentlich schon alle "ihre" Farben
Foto: Lionsgate
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Die fünf Hauptcharaktere sind eine große Stärke der neuen Verfilmung. Im Gegensatz zur Serie verschwinden sie nicht die meiste Zeit unter ihren anonymen Masken und leben nicht gemeinsam in einer Art Trainingscamp. Jeder von ihnen hat eine ausgeprägte Persönlichkeit und muss neben der neuen Aufgabe als "Power Ranger" auch alltägliche Probleme bewältigen. Dabei ist es angenehm, dass darauf verzichtet wurde, sie von Anfang an als "Helden" darzustellen. Die fünf sind eher unbegabt, sodass Alt-Ranger Zordon sogar erwägt, selbst zu kämpfen. Außerdem sind sie auf den ersten Blick eher unsympathisch: Zu Beginn mochte ich nur Billy. Zwar verändern sich die Teenager im Laufe des Films (Überraschung!), dennoch müssen sie sich mit ihren früheren Taten weiterhin auseinandersetzen - besonders Kimberly, die mit ihrer Cybermobbingattacke einer Freundin absichtlich und langfristig geschadet hat. Dafür ist sie scheinbar eine ausgezeichnete Friseurin: Innerhalb von wenigen Minuten zaubert sie sich mit einer Bastelschere auf der Schultoilette einen schicken, neuen Haarschnitt. Das ist definitiv unglaubwürdiger als Superhelden und Kampfroboter!
Billy ist der erste autistische Superheld
Foto: Lionsgate
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Die fünf "Power Rangers" stellen zudem gleich mehrere Neuheiten dar: Mit Billy gibt es den ersten autistischen und mit Trini den ersten homosexuellen Superhelden. Da dieses Genre seit Jahren die Kinos dominiert (lest hier unsere Diskussionsbeiträge zu "Wonder Woman" und "Doctor Strange"), waren diese Charaktere mehr als überfällig. Besonders in einem Film, der eher jüngere Generationen anspricht, ist es toll so unterschiedliche Figuren zu haben. Vor allem, da sie nicht anhand ihrer Besonderheiten definiert werden, sondern anhand ihrer Entwicklungen und späteren Heldentaten. Naomi Scott, die Kimberly spielt, wurde im Juli als "Jasmin" für die Live-Action-Neuverfilmung von "Aladdin" vorgestellt. Gute Nachrichten, Mädels: Es ist möglich, gleichzeitig "Disney"-Prinzessin und "Power Ranger" zu sein.
Was für ein Zufall!
Etwas sagt mir, dass Rita (r.) der grüne Ranger war
Foto: Lionsgate
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Während die fünf Hauptcharaktere spannend und vielseitig sind, trifft das leider auf niemand anderen zu. Über Zordon und Roboter Alpha 5 erfährt man nur wenig. Sie geben auch nicht viel über die Geschichte der "Power Rangers" preis. Um genau zu sein, sind sie nur an einer einzigen Stelle eine tatsächliche Hilfe, ansonsten hätte man die Figuren getrost weglassen können, da sie nicht viel zur Handlung beitragen. Dasselbe gilt für alle Schüler an der Angel Grove High School, die Eltern der Protagonisten (von denen mehrere nur in den "Deleted Scenes" vorkommen) und absolut jede andere Person. Jason, Kimberly, Billy, Trini und Zack stehen deutlich im Fokus, dabei haben sie kaum Kontakt mit irgendjemandem außerhalb ihrer Gruppe. Das ist wirklich schade, da man sie so fast nur von einer Seite kennenlernt. Es gibt eine Szene, in der Kimberly mit ihren früheren Freunden spricht. Da sie im Zusammenspiel mit den anderen Rangers meist nett und hilfsbereit wirkt, wäre es hier beispielsweise interessant zu sehen, wie ihr "früheres Ich" aussah, das andere scheinbar grundlos gemobbt hat. Dasselbe gilt für Jason, der in der Anfangssequenz in eine Vefolgungsjagd mit der Polizei verwickelt ist und sich kurze Zeit später schützend vor Billy stellt, mit dem er scheinbar vorher nie Kontakt hatte. Leider gibt es viele solcher Logiklöcher in der Handlung. Einige werden in den "Deleted Scenes" aufgeklärt. Bei einigen Szenen, ist es wirklich eine Schande, dass sie herausgeschnitten wurden, da ohne sie die Geschichte nicht plausibel ist.
Antagonistin Rita hat mir von allen Figuren am wenigsten gefallen. Sie wirkt nicht sonderlich gruselig oder beunruhigend, außerdem erfährt man nichts über ihre Vorgeschichte als "Power Ranger". Die einzige Szene, in der ich sie tatsächlich als Bösewicht wahrgenommen habe, ist die, in der sie Trini nachts in ihrem Zimmer attackiert. Ansonsten scheint sie auch nur dem Standard-Repertoire eines Bösewichts zu folgen: "Zordon would never forgive me if I killed all of you... or at least one of you!" (Spoiler im nächsten Satz!) Daraufhin tötet sie einen der Ranger und lässt die anderen vier mit Informationen über ihren Plan unbeschadet zurück. Sie ist übrigens vor 65 MILLIONEN JAHREN(!) verschwunden, taucht aber genau zu dem Zeitpunkt wieder auf, an dem fünf potenzielle neue Helden die "Power Ranger"-Münzen finden. Die Tatsache, dass fünf Gleichaltrige - aber sonst niemand anders - in derselben Nacht fast unabhängig voneinander in einem abgelegenen Sperrgebiet herumlungern, ist ebenfalls ein sehr großer Zufall. Der Soundtrack wirkt auch ein bisschen deplatziert. Unter anderem wird das Kampftraining der Teenager mit "HandClap" unterlegt - demselben eingängigem Popsong, der auch in einem Minion-Trailer für den Film "Ich - Einfach Unverbesserlich 3" verwendet wird. Rhythmus und Stimmung des Lieds passen so gar nicht zum Kämpfen. Die Melodien, die von Brian Tyler extra für den Film komponiert wurden, erinnern sehr an den Soundtrack der "Netflix"-Serie "Stranger Things" (Dacre Montgomery, der den roten Ranger spielt, wird übrigens in der zweiten Staffel zu sehen sein.).
65 Millionen Jahre, das erklärt das Aussehen der Zords
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Fazit
"Power Rangers" ist ein unterhaltsamer Film, der für sich stehend gut funktioniert. Die fünf Hauptcharaktere sind vielschichtig und überzeugen bei der Gratwanderung zwischen normalen Teenagern und Superhelden. Es gibt viele coole Actionszenen und Effekte, die die Welt lebendig werden lassen. Allerdings ist die Handlung ziemlich löchrig, wenn man nur die Kinoversion sieht, da viele essentiell wichtige Momente herausgeschnitten wurden. Deshalb würde ich jedem empfehlen, die fehlenden Sequenzen auf DVD/BluRay oder YouTube anzugucken. Dennoch ist der Film spannend und definitiv für ältere Altersgruppen geeignet. Fans der Serie könnten jedoch enttäuscht sein, da er nur wenige Elemente aus der Serie aufgreift.
Wer den Unterschied zwischen der ersten Staffel der "Power Rangers" und dem Film deutlich sehen möchte, hier sind zum Vergleich das Intro der Serie und der Kinotrailer:
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