Am Montag waren Laura und ich mal wieder in der "Sneak Preview", wo wöchentlich ein Film gezeigt wird, der in naher Zukunft im Kino anläuft. Das Coole dabei ist, dass vorher nicht bekanntgegeben wird, was gezeigt wird. Bei unserem letzten Besuch war es die Musik-Action-Thriller-Komödie "Baby Driver" (
hier geht es zur Rezension). Dieses Mal haben wir "The Circle" gesehen. Es ist die Verfilmung des gleichnamigen Buches von Dave Eggers und wird ab dem 7. September in den deutschen Kinos gezeigt.
Collegeabsolventin Mae Holland (Emma Watson) wohnt bei ihren Eltern, fährt gerne Kajak und arbeitet in einem Callcenter. Eines Tages bekommt sie dank ihrer besten Freundin Annie (Karen Gillan) ein Vorstellungsgespräch bei "The Circle", einem riesigen Unternehmen, das sich darauf spezialisiert hat, alle Onlineaktivitäten und Profile in einer Anwendung zu vereinen. Mae bekommt einen Job als Kundenbetreuerin und ist begeistert von all den Zusatzangeboten, wie Partys, Sportkursen, Theateraufführungen und Museen, die "The Circle" seinen Mitarbeitern bietet. Außerdem kümmert sich die interne Krankenversorgung um ihren Vater Vinnie (Bill Paxton), der an Multipler Sklerose leidet. Im Gegenzug sind alle Kollegen online eng vernetzt und werden permanent überwacht. Zuerst findet Mae die fehlende Privatsphäre und die ständige Präsenz im Internet beunruhigend, doch nach einem Zwischenfall glaubt sie immer fester daran, dass 100% Transparenz der Schlüssel zu Frieden und Demokratie ist. Gemeinsam mit den Mitbegründern des Unternehmens, Eamon Bailey (Tom Hanks) und Tom Stenton (Patton Oswalt), arbeitet sie am Projekt, ein "Circle"-Account für jeden Menschen obligatorisch zu machen.
Big Brother is watching you!
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Wie viel Transparenz ist gut?
Foto: Image Nation Abu Dhabi
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Der große Pluspunkt des Films ist die realistische Darstellung einer nicht allzu fernen Zukunft, in der alles digital vernetzt und Privatsphäre ein Privileg ist. Roboter, fliegende Autos, echte Hoverboards und andere futuristische Erfindungen werden nicht gezeigt. Stattdessen konzentriert sich Drehbuchautor und Regisseur James Ponsoldt auf Entwicklungen, die bereits heute im Gange sind und spinnt sie weiter. Für mich ist es nicht unwahrscheinlich, dass es künftig Dienste geben wird, die Dutzende Anwendungen, unter anderem Wählen und Steuern zahlen, in sich vereinen. Bereits heute gibt es in allen Bereichen Marktführer, die ihre Konkurrenz ausschalten, in dem sie sie aufkaufen und unter ihrer Dachmarke vereinen. Doch nicht nur "The Circle" selbst wirkt beängstigend realistisch. Das Verhalten der Charaktere ähnelt der heutigen Situation schon deutlich. So wird Mae beispielsweise von ihren Kollegen freundlich dazu gedrängt, online aktiver zu sein, da sie doch sonst kaum etwas über ihre neue Mitarbeiterin erfahren. Das kennen wohl viele, die sich bestimmten sozialen Medien gegenüber verschließen. Kurz darauf postet Mae das Bild eines Kronleuchters, den ihr Kindheitsfreund Mercer (Ellar Coltrane) aus Hirschgeweihen hergestellt hat. Er konfrontiert sie daraufhin wütend, weil er von völlig Fremden bedroht und als "Hirschmörder" bezeichnet wird, obwohl er selbst kein Tier getötet hat. Wem diese Beispiele noch nicht offensichtlich genug sind: Später im Film entscheidet sich Mae die erste Mitarbeiterin des "Circle" zu werden, die völlig transparent ist und lässt sich 24/7 von Kameras beobachten. Dabei muss die junge Frau feststellen, dass ihre beste Freundin Annie sie meidet, da sie nicht gefilmt werden möchte. Auch ihre Eltern grenzen sich von ihr ab, nachdem Mae sie versehentlich beim Sex überrascht hat und die Bilder durch ihre mobile Kamera live im Internet zu sehen waren.
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Mae (r.) genießt die Zeit mit ihren Eltern
Foto: Image Nation Abu Dhabi
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Die Welt, in der "The Circle" spielt, wirkt beunruhigend realistisch, weist jedoch auch viele Unstimmigkeiten auf. Die Handlung ist so fixiert auf Mae, dass Einzelheiten des Unternehmens nicht thematisiert werden. So wird nicht direkt beschrieben, womit "The Circle" eigentlich genau Geld verdient. Da es eine Kundenbetreuung für die Produkte gibt, muss es noch weitere geschäftliche Felder geben, als kleine Videokameras und das Verbinden verschiedener Dienste. Es ist auch nicht klar ersichtlich, wieso die Firmengründer so einen großen Einfluss auf die Politik haben und was sie eigentlich erreichen wollen - außer noch mehr zu verdienen. Bailey und Stenton selbst werden nur oberflächlich thematisiert. Sie bleiben relativ langweilig und wirken auch nicht wie Antagonisten. Ihr Schicksal wird am Ende ebenso offen gelassen, wie das von Annie und Ty Lafitte (John Boyega), dem abtrünnigen dritten Gründer. Maes Eltern Vinne und Bonnie (Glenne Headly - verstarb kurz nach dem US-Kinostart im Alter von 62 Jahren), sowie ihr Internet-abstinenter Freund Mercer fungieren lediglich als Gegenpol zur Social-Media-Welt des "Circle". Leider haben sie nur kurze Auftritte, viele davon über Videochat, in denen ihre einzige Aufgabe darin besteht, an Maes Vernunft zu appellieren. Da bleibt keine Zeit, um sie näher kennenzulernen. Der Zuschauer erfährt nicht einmal, inwieweit "The Circle" Vinnie Hollands Multiple Sklerose behandelt oder ihn unterstützt. Es fällt lediglich die Anmerkung, dass es ihm seitdem besser geht. Die Details bleiben im Dunklen. Ärgerlich für einen Film, in dem Transparenz das Hauptthema ist.
Schöne neue Welt
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Mae und Ty lernen sich bei einer Party kennen
Foto: Image Nation Abu Dhabi
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Überhaupt bleibt "The Circle" für eine potenziell spannende und wahrheitsgetreue Handlung relativ oberflächlich. Das liegt zum Teil an der mangelnden Charakterzeichnung, aber auch am fehlenden roten Faden. Laura und ich waren uns nach dem Film einig, dass er viel zu lang war und dafür wenig passiert ist. Bei meiner Recherche habe ich festgestellt, dass er eine Laufzeit von lediglich 110 Minuten hat. Er hat sich also deutlich gezogen! Dennoch ist die Geschichte relativ dünn. Das beste Beispiel ist Ty, der die Entwicklung seiner Firma beunruhigend findet und sich dagegen wehren möchte. Dieser Handlungsstrang fällt bereits kurze Zeit später unter den Tisch. Der junge Entwickler wird zwar mehrfach gezeigt, wie er Produktpräsentationen kritisch beäugt, doch er unternimmt nichts und spricht auch nicht mehr mit Mae, die im "Circle" immer weiter aufsteigt. Es ist ebenso unlogisch, dass sie, die Transparenz nun über alles stellt, nie jemandem von ihrem Gespräch mit dem "Verräter" Ty erzählt hat. Seine Rolle ist so unbedeutend, dass man sie auch getrost hätte weglassen können, da sie nichts zur Handlung beiträgt. Aber Ty ist nicht der einzige. Da der Film vollständig auf Nebengeschichten verzichtet, bleibt er sehr eintönig: Mae arbeitet, Mae geht auf Arbeitsveranstaltungen, Mae redet mit Kollegen, Mae arbeitet, Mae redet mit ihren Eltern, Mae redet mit ihren Chefs... Selbst der Showdown scheint keinem konsequenten Plan zu folgen. Die letzten Minuten sollen den Film nur irgendwie schnell beenden. Dabei wird die Chance vertan, klar Stellung zur Thematik zu beziehen und die Geschichte sinnvoll abzuschließen.
Fazit
Die spannenden und brandaktuellen Themen Überwachung und Privatsphäre bieten eine Steilvorlage für einen packenden Thriller. Stattdessen ist die Handlung von "The Circle" eher langatmig und ziellos. Das liegt vor allem daran, dass der Fokus klar auf Hauptfigur Mae liegt, ohne sie schlüssig zu charakterisieren. Alle anderen Personen bleiben ebenfalls eindimensional. Der Zuschauer erfährt nur wenig über sie, sodass es schwierig ist, ihre Gedanken und Gefühlsschwankungen nachzuvollziehen. Die Handlung wirkt aus diesem Grund eher wie eine Aneinanderreihung von zusammenhangslosen Szenen, da die Geschichte nicht konsequent weitererzählt wird. Letztendlich ist "The Circle" ein ereignisloser Film, der aufgrund von fehlender Spannung, lieblosen Charakteren und einem nicht vorhandenen roten Faden der interessanten Thematik nicht gerecht wird.
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