Donnerstag, 27. Juli 2017

Zum Verwechseln ähnlich - Rezension

"Zum Verwechseln ähnlich" ist eine französische Komödie, die seit Mitte Juli in den deutschen Lichtspielhäusern läuft. Ich habe den Film in einem Open-Air-Kino gesehen und kann schon mal verraten, dass das Publikum trotz Regen sowie kühlen Temperaturen die vollen anderthalb Stunden lang gute Laune hatte.

Paul (Lucien Jean-Baptiste) und Salimata "Sali" Aloka (Aïssa Maïgasind glücklich verheiratet und haben gerade einen Blumenladen in Paris eröffnet. Schon seit langem wünschen sich die beiden ein Kind, doch auf natürlichem Weg klappt es einfach nicht. Dann kommt der ersehnte Anruf vom Jugendamt: Der vier Monate alte Benjamin (Marius Benchenafi) kann adoptiert werden. Allerdings ist das Kind hellhäutig, während Pauls Familie aus Martinique, die seiner Frau aus dem Senegal stammt. Die zukünftigen Eltern stört das nicht. Sie schließen Benjamin sofort ins Herz und können das gemeinsame Leben kaum erwarten. Doch bald merken sie, dass es zwar mittlerweile normal für weiße Pärchen ist, ein schwarzes Kind zu adoptieren, der umgekehrte Fall jedoch eher für Verwirrung sorgt. So wird Sali sowohl von der weißen Kinderärztin als auch von den schwarzen Kindermädchen auf dem Spielplatz für Benjamins Nanny gehalten. Ihre Eltern Mamita (Marie-Philomène Nga) und Ousmane (Bass Dhem) sträuben sich zunächst ebenfalls gegen den Enkel. Zu allem Überfluss ist Claire Mallet (Zabou Breitman), die zuständige Mitarbeiterin beim Jugendamt, der Überzeugung, dass Benjamin bei anderen Eltern besser aufgehoben wäre. Akribisch sucht sie nach Gründen, um die Adoption zu verhindern.

Gute Laune, auch ohne zahlreiche Wendungen

Zwei Welten, eine Familie
Foto: UGC Distribution

Tatsächlich fasst die obige Inhaltsangabe bereits den größten Teil der Handlung zusammen, denn viel mehr geschieht nicht. Wie die Geschichte ausgeht, wird wohl jedem klar sein. Das heißt aber nicht, dass der Film langweilig ist. Er bietet sogar einige Überraschungen, vor allem beim Humor. Den Drehbuchautoren (darunter Lucien Jean-Baptiste, der außerdem Regie führt und die Hauptrolle spielt) gelingt es, die Situation der Familie Aloka amüsant darzustellen, ohne tief in die Klischeekiste zu greifen und alle bekannten Scherze über Schwarze und Weiße hervorzuziehen. Slapstick- und Fäkalhumor, ohne die heutzutage kaum noch eine Komödie auskommt, sind auch nur vereinzelt zu finden. "Zum Verwechseln ähnlich" hat einen ganz eigenen Witz, der die Realität ein wenig überspitzt, dabei aber weder politisch korrekt noch verletzend ist. Doch auf einen "Comic Relief"-Charakter konnte leider dennoch nicht verzichtet werden. Hier heißt er "Manu" (Vincent Elbaz), ist Pauls Kumpel und ein ziemlich schräger Kauz. Er streicht das Haus der Alokas nur in Unterhosen gekleidet und merkt in seiner Tölpelhaftigkeit nicht, dass er der Jugendamt-Mitarbeiterin Madame Mallet mit seinen improvisierten Geschichten in die Hände spielt. Damit steht er im krassen Gegensatz zu den anderen Figuren, die alle zu ihrem jeweiligen Lebensumfeld passen und so sicher hundertfach in Paris zu finden sind. Manu sorgt zwar für einige Lacher, dennoch wäre die Handlung ohne ihn sicher deutlich eindrücklicher geworden.
Leider ist die Welt noch eher einseitig bunt
Foto: UGC Distribution
"Zum Verwechseln ähnlich" beruht übrigens auf einer wahren Begebenheit. Lucien Jean-Baptiste hatte die Idee für den Film, als er einen Artikel über ein Paar aus Nigeria las, das ein weißes Kind adoptiert hat. Authentisch wirkt die Geschichte auch, weil die beiden Hauptdarsteller aus denselben Ländern stammen wie ihre Charaktere. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die Darstellung von Salis se­ne­ga­le­sischer Familie und die Probleme der jungen Adoptiveltern realitätsnah sind. Dennoch wird dem eigentlichen Konflikt weitestgehend aus dem Weg gegangen. Besonders die Motive der Jugendamt-Mitarbeiterin bleiben im Dunklen. Sie äußert zwar mehrfach Bedenken, ob die Alokas geeignete Adoptiveltern für Benjamin sind, doch warum genau, wird nicht wirklich aufgeklärt. (Mini-Spoiler im nächsten Satz!) Dementsprechend ergibt ihre plötzliche 180-Grad Wendung in den letzten Minuten des Films keinen Sinn. Generell umgeht er jegliche Argumente, die für oder gegen die Adoption sprechen würden. Alle Figuren entscheiden aus dem Bauch heraus und ohne ihre Meinung zu begründen. Das ist schade, da dem Streifen so ein Teil seiner Grundlage zu fehlen scheint, nämlich die Frage, was die Leute überhaupt an der Elternschaft der Alokas stört. Die Charaktere, die dagegen sind, argumentieren nicht - in einer Zeit, in der Millionen Menschen ihre Ansichten in die Welt posaunen, ist das nicht gerade glaubhaft. Hier wäre es schön gewesen, wenn der Streifen deutlich gemacht hätte, dass der Konflikt nur durch Ablehnung und Unsicherheit entstanden ist. So wirken lediglich die Szenen nachvollziehbar, in denen Sali für die Nanny ihres Sohnes gehalten wird.

Süß, süßer, Benjamin

Mamita hat für vier Personen gekocht
Foto: UGC Distribution
In vielen Filmen, in denen der Regisseur das Drehbuch schreibt und die Hauptrolle spielt, setzt er sich gerne selbst in Szene. Lucien Jean-Baptiste hält sich jedoch dezent im Hintergrund und lässt besonders seiner Film-Ehefrau Aïssa Maïga viel Spielraum. Als das Jugendamt droht, der Adoption nicht zuzustimmen, mimt sie die verzweifelte Mutter extrem realistisch. Man könnte fast meinen, man hätte ihr ohne Vorwarnung das eigene Kind weggenommen und heimlich die Kamera mitlaufen lassen. Marie-Philomène Nga als Mamita ist ebenfalls ein Highlight. Sie stellt Salis Mutter als eine taffe, schlagfertige, temperamentvolle Frau dar, die zwei Kulturen lebt und liebt. Besonders die langsame Annäherung an ihren Enkel wirkt sehr ehrlich. Überhaupt: Der wahre Star des Films ist Marius Benchenafi als Benjamin. Im Open-Air-Kino ging fast jedes Mal ein "Awwwwww" durch die Menge, wenn der Kleine in Großaufnahme zu sehen war. Vermutlich hat das Filmteam in ganz Frankreich nach dem absolut niedlichsten Wonneproppen gesucht und ihn in Marius definitiv gefunden!
Papa Paul ist stolz auf seinen süßen Sohn
Foto: UGC Distribution
Gegen Ende verliert der Film, trotz des Süßes-Baby-Faktors, einen Teil seines Charmes, da die Handlung in Richtung Slapstick abrutscht. Es wird wild herum gerannt, in die falschen Richtungen geschlittert und spektakulär zusammengestoßen. Sowas passt besser in eine Sitcom, hier wirkt es fehl am Platz. Vor allem da es kein "richtiges" Ende gibt. (Milde, ziemlich vorhersehbare Spoiler in den nächsten beiden Sätzen!) Die Probleme scheinen wie weggeblasen - plötzlich akzeptiert die Behörde die Alokas als Adoptiveltern und Salis Familie ihren weißen Enkel. Das wirkt nicht nur sehr süßlich, sondern auch völlig aus der Luft gegriffen. Denn die meisten Figuren haben keinerlei Wandlung durchlaufen, die ein schlagartiges Umdenken erklären würde. Das ist vor allem schade, wenn man bedenkt, dass stattdessen Zeit auf die oben geschilderte Slapstick-Verfolgungsjagd verwendet wurde. 

Fazit

"Zum Verwechseln ähnlich" ist ein witziger und liebenswerter Film, bei dem das Kernthema Dunkelhäutige-adoptieren-ein-hellhäutiges-Kind nicht wirklich im Fokus steht. Die meiste Zeit geht es um den Zusammenhalt der Alokas, ihrer Familie und Freunde. Die Handlung ist eher dünn, was durch die kurze Laufzeit von anderthalb Stunden jedoch wenig auffällt. Das Ende ist auch von vorne herein offensichtlich, doch der Humor und die sympathischen, lebensnahen Charaktere machen "Zum Verwechseln ähnlich" zu einem sehenswerten Film für die ganze Familie (freigegeben ab 0 Jahren - In meiner Vorstellung waren alle Altersklassen zwischen Grundschule und Rente).


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