Donnerstag, 30. November 2017

Coco - Lebendiger als das Leben! - Rezension

Ich liebe "Disney" über alles. Die Filme begleiten mich schon mein ganzes Leben lang und das werden sie vermutlich bis zum Ende (hier geht es zu meinen Top 15 "Disney"-Filmen). Ich habe mich seit Wochen auf "Coco - Lebendiger als das Leben!" gefreut (Auf den Teil hinter dem Bindestrich verzichte ich für den Rest der Rezension. Warum müssen die deutschen Filmtitel seit einigen Jahren so dämliche Wortspiele enthalten?). Deshalb habe ich ihn mir heute, am Starttag, sofort angesehen. Nachdem mittlerweile alle Tränen wenigstens halbwegs getrocknet sind, gibt es nun meine Rezension zu diesem "Disney/Pixar"-Film.

Vor vielen Jahren wurde Imelda Rivera von ihrem Mann mit der gemeinsamen, kleinen Tochter Coco sitzen gelassen. Er wollte lieber ein berühmter Musiker werden, anstelle sich eine bürgerliche Existenz aufzubauen. Die verlassene Matriarchin verbannte alle Musik aus ihrem Leben und lernte, wie man Schuhe herstellt. Mehrere Generationen später arbeiten alle Riveras in dieser Branche und verteufeln Musik, da sie einst die Familie entzweite. Imeldas Ururenkel Miguel kann sich mit beiden Tatsachen nicht anfreunden und bringt sich heimlich durch alte Videos des legendären Musikers Ernesto de la Cruz das Gitarre spielen bei. Am traditionellen mexikanischen Día de Muertos möchte Miguel an einem Talentwettbewerb teilnehmen, doch seine Familie erfährt von der geheimen Leidenschaft und zerstört seine selbst gebastelte Gitarre. Durch ein altes Foto erfährt der 12-Jährige, dass es sich bei Ernesto um seinen Ururgroßvater handelt. Er bricht in dessen Mausoleum ein, um sich sein Instrument zu leihen. Nachdem er darauf gespielt hat, landet er plötzlich in der Welt der Toten und lernt seine verstorbenen Verwandten kennen. Die wollen ihm jedoch nur helfen, nach Hause zurückzukehren, wenn er dafür die Musik aufgibt. 

Holt die Taschentücher raus!

Der Film ist so herrlich farbenfroh!
Foto: Pixar/Walt Disney Studio
Es gibt kaum "Disney"-Filme, in denen niemand stirbt. Doch scheinbar reicht ein herzzerreißender Todesfall nicht mehr und "Pixar" hat gleich einen Streifen produziert, in dem fast jeder tot ist und sogar noch ein zweites Mal sterben kann. Denn in der Geisterwelt bleiben nur die, die noch in den Erinnerungen von lebenden Menschen existieren. Wer komplett vergessen wird, der verschwindet für immer. Wie schon in "Zoomania" widmet sich auch "Coco" gesellschaftlichen Themen, die man eher selten in Familienfilmen findet. Während es bei Ersterem Rassismus war, ist es nun der Tod. Im Gegensatz zu anderen "Disney"-Meisterwerken ist es hier aber weniger das Fehlen eines Menschen, sondern eher die Freude darüber, dass er gelebt hat. Hierbei wird deutlich, wie viel Arbeit das Produktionsteam investiert hat, um den Día de Muertos und die ganze mexikanische Kultur realitätsnah und unverzerrt darzustellen. Anstelle Angst vor dem Ableben zu haben, gibt es für die Charaktere nichts Schlimmeres, als vergessen zu werden. Natürlich ist die Kernbotschaft des Films: Die Familie ist das Allerwichtigste. Aber mir persönlich gefällt der Ansatz, dass man sich erinnern sollte, da die Vergangenheit genauso ein Teil von einem ist, wie die Gegenwart und das, was man in der Zukunft tun wird. Dementsprechend fand ich es wundervoll, dass am Ende des Abspanns die Worte "To the people across time who supported and inspired us" eingeblendet wurden und dann hunderte, kleine Portraits darum herum erschienen, einige in Farbe, einige in Schwarz-Weiß, die vermutlich die verstorbenen Angehörigen von "Pixar"-Mitarbeitern zeigten. Ich gebe zu, ich habe die letzten 20 Minuten von "Coco" mit den Tränen gekämpft und dieser Abschluss hat mir dann wirklich den Rest gegeben. Übrigens wurde auch der Hinweis: "Día de Muertos is a Mexican heritage tradition with roots in indigenous culture. To learn more, visit your local library." eingeblendet. Details wie diese liebe ich einfach an "Disney."
Eine wunderschöne Idee! 
Foto: Katrin Mertens
Die Schlussminuten sind unglaublich emotional, doch auch der Rest des Films ist mir wirklich ans Herz gegangen. Es gibt nämlich viele Charaktere, in die man sich gut hineinversetzten kann. Da wäre einmal Miguel, der einen großen Traum hat, aber niemanden, der an ihn glaubt. Die Szene, in der seine Oma Elena die selbst gebastelte Gitarre zerschlägt, erinnerte an eine ähnliche in "Arielle, die Meerjungfrau", als Triton die Schätze seiner Tochter Arielle zertrümmert. Nur ist Miguels Situation nachvollziehbarer und dementsprechend auch berührender. Der Zuschauer kann jedoch auch den Zorn von Elena verstehen, da ihre Mutter Coco nie darüber hinweggekommen ist, dass ihr Papa sie verlassen hat. Dementsprechend versucht sie alles, um ihre eigenen Kinder und Enkel zu beschützen. Außerdem leidet sie sehr darunter, dass ihre Mutter sie nicht mehr erkennt oder wahrnimmt. Wenn man selbst demente Familienmitglieder hat, sind diese Momente fast schon zu realistisch. 
Die lebenden Toten sehen ganz harmlos aus!
Foto: Pixar/Walt Disney Studios
Die "Pixar"-Kreativen schaffen es wieder einmal, eine bunte Fantasiewelt zu erschaffen und so eng mit einer realistischen Handlung zu verweben, dass die Zuschauern verschiedenste Emotionen in kurzer Zeit durchleben: Von Freude, über Staunen bis hin zu Trauer, dem Wunsch, seine Familie ganz fest zu umarmen und der Überraschung, dass in einem Familienfilm ein Giftmord verübt wird. Trotz der sehr düsteren Themen, gibt es dennoch eine gesunde Portion Humor, so hat beispielsweise eins der Skelette eine Allergie gegen Miguels tierischen Freund Dante. Als der Protagonist jedoch anmerkt, dass der Hund gar kein Fell habe, sagt der Tote nur trocken: "Na und? Ich habe auch keine Nase, ist aber trotzdem so!" und klebt ein Stück Tesafilm über das Loch, wo früher seine Nase war. Zum Teil sind die Sprüche sogar recht bissig. Ernesto mag Miguel beispielsweise so gerne, dass er ihn länger bei sich haben möchte: "Ich hoffe wirklich, du wirst bald sterben!"

Sperrt Ohren und Augen auf!

Animatoren werden viel zu wenig gewürdigt!
Foto: Pixar/Walt Disney Studios
Im Gegensatz zu "Disney" produziert "Pixar" keine Musicalfilme, in denen gesungen wird und auch die Soundtracks sind meistens unspektakulär. Dementsprechend war ich überrascht, dass Musik in "Coco" eine wichtige Rolle spielen sollte. Es war jedenfalls eine gute Entscheidung, einen neuen Weg einzuschlagen, denn die Melodien passen toll zur Geschichte. Vor allem, da nur wenig übersetzt wurde. Große Teile der Liedtexte sind in Spanisch, was ich richtig gut fand! "Disney" legt viel Wert darauf, andere Kulturen originalgetreu darzustellen und immer öfter wird dabei auch auf die lokalen Sprache zurückgegriffen. Wie beispielsweise Tuvalu in "Vaiana", was besonders beeindruckend ist, da nur noch knapp über 10.000 Menschen es weltweit beherrschen, Norwegisch in "Die Eiskönigin" oder Bulgarisch in "Bärenbrüder" (hier geht es zu meinen Top 50 "Disney"-Liedern). Bei "Coco" sind es jedoch nicht nur ein oder zwei Lieder. Spanisch ist omnipräsent und lässt den Día de Muertos lebendig werden. Allerdings finde ich die Songs nicht sehr eingängig. Das hat nichts mit der Sprache zu tun. Die Melodien klingen zwar schön, haben aber nicht die Kraft und das Gefühl wie beispielsweise die Soundtracks von "Tarzan", "Der König der Löwen" oder "Vaiana". Das hat mich jedoch nicht so sehr gestört, da die Musik vor allem die Geschichte untermalt und weniger für sich allein funktionieren muss.
Die Welt der Toten ist voller Kreativität und Fantasie!
Foto: Pixar/Walt Disney Studios
Die Handlung entspinnt sich nicht nur durch ihren Klang, sondern auch durch ihr Aussehen. Ich habe den Film in 3D angeschaut und es hat sich wirklich gelohnt, denn die Welt der Toten ist sehr groß und vielschichtig, das wirkt in dreidimensionaler Form eindrucksvoller. Miguels Zuhause sieht hingegen völlig normal aus. Diese optische Trennung der verschiedenen Universen ist toll gestaltet, vor allem da sie durch schwebende Brücken aus Blütenblättern verbunden werden. Obwohl der Himmel dunkel ist, wird die ganze Totenwelt von tausenden Lichtern erhellt und wirkt einfach magisch. Wie immer bei "Pixar" wird außerdem viel Wert auf winzige Details gelegt, seien es Reflexionen in den Augen der Charaktere oder die vielen einzelnen Fältchen auf Uroma Cocos Gesicht, das aussieht, als hätte es schon Jahrhunderte erlebt. Schön ist auch die Nacherzählung der Familiengeschichte am Anfang des Films. Die einzelnen Szenen werden hierbei als Papierschnitte dargestellt, die als Dekorationen in den Straßen hängen.

Der Vorfilm: "Olaf taut auf"

"Some people are worth melting for!"
Foto: Walt Disney Studios
Die "Pixar"-Shorts sind meistens fast noch besser als der eigentliche Streifen. In diesem Fall stammt der Kurzfilm allerdings nicht aus der eigenen Werkstatt, sondern wurde von "Disney" beigesteuert. Es ist keine völlig neue Geschichte, sondern eine Episode zu "Die Eiskönigin". Im Gegensatz zu den normalen "Pixar"-Vorfilmen ist "Olaf taut auf" mit knapp 20 Minuten Laufzeit deutlich länger und auch nicht stumm. Es geht darum, dass Anna und Elsa in der Weihnachtszeit feststellen: Sie sind die einzigen in Arendelle, die keine Familientradition haben. Schneemann Olaf beschließt, eine für die beiden Schwestern zu finden. Gemeinsam mit Rentier Sven klopft er an die Türen der Bürger und lässt sich ihre Traditionen erklären. Doch dann geht alles schief... Mir hat "Olaf taut auf" gut gefallen, da er von der Stimmung, der Animation und den Synchronstimmen nahtlos an "Die Eiskönigin" anknüpft und daher nicht wie ein billiger Abklatsch wirkt. Nur in einem Punkt kann der Mini-Film die Qualität des "großen Bruders" nicht halten: Bei der Musik. Die Songs sind überhaupt nicht eingängig und klingen mehr wie gesungene Dialoge als echte Lieder. Lediglich "Wenn wir zusammen sind" ist ganz gut - allerdings auch nur auf Englisch. Die Geschichte passt jedoch super in die Weihnachtszeit und Olafs hoffnungsloser Optimismus ist einfach nur süß! Wieso er jedoch "auftaut" hat sich mir nicht erschlossen...

Fazit

"Coco" beweist mal wieder, dass auch Filme, die sich an ein jüngeres Kernpublikum richten, Tiefgang haben können. Die Themen Tod und Altern werden nicht schön geredet und dennoch mit einer gewissen Leichtigkeit angegangen. Mit Miguel hat der Streifen einen sympathischen Hauptcharakter, mit dem sich sowohl Kinder als auch Erwachsene identifizieren können. Dennoch werden auch die Motive seiner Familie so klar dargestellt, dass der Zuschauer sie nicht hassen kann, sondern versteht, woher ihre Ängste kommen. Wie in den meisten "Pixar"-Filmen begeistert auch "Coco" durch tolle Animationen. Die Welt der Toten sieht durch ihre kreative Architektur, die bunten Lichter und ihre verschiedenen Ebenen toll aus und auch die Skelette haben trotz der fehlenden Gesichtszüge alle ein individuelles Aussehen. Mir hat besonders gefallen, wie leicht und ungezwungen die mexikanische Kultur in die Geschichte einfließt. Auch die Musik wird von nationalen Klängen und der spanischen Sprache beeinflusst. Im Gegensatz zum Rest des Films ist der Soundtrack jedoch nur Mittelmaß. Dasselbe gilt für den Vorfilm "Olaf taut auf". Er ist witzig und sympathisch, außerdem eine tolle Ergänzung zu "Die Eiskönigin". Allerdings sind auch seine Songs nicht wirklich spektakulär oder eingängig. Aber die Musik ist auch der einzige Punkt, in dem mich beide Film nicht total überzeugen konnten. Ich kann jedem nur empfehlen, "Coco" anzuschauen und beim Kinobesuch eine große Packung Taschentücher mitzunehmen!


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Dienstag, 28. November 2017

Justice League (Film) - Rezension

Nachdem das DC Filmuniversum schon mit Titeln wie "Batman v Superman" und "Wonder Woman" (unsere Diskussion dazu findet ihr hier) langsam aufgebaut wurde, erscheint mit "Justice League" nun die erste große Heldenvereinigung. Seit dem 16. November läuft der Film in den deutschen Kinos. Ich habe mir die englische Originalversion angeschaut und verrate euch, ob mich die Geschichte überzeugen konnte. 

Nach Supermans tragischem Tod trauert die ganze Welt noch immer um den Helden. Das Fehlen des überstarken Kryptoniers führt nun auch dazu, dass ein mächtiges Wesen namens Steppenwolf (Ciarán Hinds) von einem fremden Planeten mit seiner Armee aus Paradämonen ungestört auf die Erde kommen kann. Er hat vor tausenden Jahren versucht, die Herrschaft der Erde mithilfe dreier mächtiger Kisten, der "Mutterboxen", an sich zu reißen. Werden sie vereint, können sie einen ganzen Planeten verändern. Nun ist Steppenwolf zurückgekehrt, um die drei Boxen zu finden und seinen Plan endlich in die Tat umzusetzen. 
Den Helden Bruce Wayne alias Batman (Ben Affleck) und Wonder Woman Diana Prince (Gal Gadot) wird schnell klar, dass sie Unterstützung brauchen, um die Erde vor Steppenwolf zu retten. Nach anfänglichen Schwierigkeiten können die beiden drei weitere Teammitglieder für den Kampf gewinnen: Barry Allen aka The Flash (Ezra Miller), der nach einem Unfall übermenschlich schnell ist; Victor Stone (Ray Fisher), der als Cyborg halb Mensch und halb Maschine ist und Arthur Curry (Jason Momoa) Aquaman sowie Herrscher über Atlantis. Gemeinsam treten sie gegen Steppenwolf an und wollen mit aller Macht verhindern, dass er die "Mutterboxen" vereinen kann. 

Kein großer Wow-Effekt

Die Helden vereinen sich
Foto: Warner Bros. Studios
Ich muss gestehen, dass ich gerade in den ersten Szenen die ganze Zeit an "Marvel's The Avengers" denken musste: eine Bedrohung aus dem All und mächtige Objekte, die etwas Großes anrichten können, wenn sie vereint werden. Das kam mir irgendwie bekannt vor, was ich erst mal nicht schlimm fand. Schließlich kommt es darauf an, wie diese Grundidee umgesetzt wird. Doch auch die Handlung selbst konnte mich an keiner Stelle mit einer unerwarteten Wendung so richtig überraschen. Alles lief in sehr bekannten Bahnen ab und die nächsten Ereignisse konnte ich meist schon voraussehen. Dementsprechend habe ich kaum mit den Helden mitgefiebert bei ihrem Kampf, die Erde zu retten. Es gab keinen wirklich kritischen Moment, der den Ausgang infrage gestellt hätte. Der Fokus schien mehr darauf zu liegen, das Team zusammenzubringen. Dafür braucht man halt irgendeine übergroße Bedrohung, gegen die einer alleine nicht ankommt. So ist selbst der Endkampf nicht unglaublich nervenaufreibend oder mitreißend, obwohl viel Action geboten wird. Da war sogar der erste Kampf des Films, bei dem die Amazonen gegen den Bösewicht und seine Armee antreten, viel temporeicher.
Die Spannung bleibt ebenfalls durch den Antagonisten Steppenwolf eher flach. Er ist so ziemlich der langweiligste Gegner, den ich seit Langem gesehen habe. Er bekommt keine richtige Hintergrundgeschichte, was ihn alles andere als spannend oder wirklich bedrohlich macht. Sein Ziel ist überraschenderweise, die Welt neu zu gestalten, um ihr Herrscher zu werden. Dabei spricht er natürlich mit einer tiefen, verzerrten Stimme und hat ständig irgendwelche größenwahnsinnigen, überzogenen Sprüche parat ("This world will fall, like all the others."). Er sticht überhaupt nicht aus der Masse an Bösewichten heraus und ist meiner Meinung nach eine richtiger "Standard"-Gegner, der keine einzige interessante Eigenschaft aufweist. Sein Motiv ist ebenfalls sehr simpel: Er hat vor tausenden Jahren seinen Plan nicht umsetzen können, deshalb kommt er jetzt wieder. Mehr Ansporn hat er nicht. Weitere Erklärungen, wieso er nach all der Zeit immer noch so scharf darauf ist und was er in der Zwischenzeit so getrieben hat, tauchen nicht auf. 
Steppenwolf will die Weltherrschaft
Foto: Warner Bros. Pictures
Die fehlenden Erläuterungen sind ein weiteres Problem. Ich war während des Films nämlich nicht nur auf der Suche nach einer außergewöhnlicheren Handlung oder einem guten Gegenspieler, sondern auch nach Erklärungen. Für irgendetwas. Das fing schon bei Cyborgs Geschichte an, die kaum offenbart, was genau mit ihm passiert ist und wie er noch am Leben sein kann. Es hat etwas mit den "Mutterboxen" zu tun, was für den Plot sehr günstig ist, da er dadurch irgendeine "Verbindung" zu ihnen hat. Warum genau bleibt ebenfalls im Dunkeln. Die drei mysteriösen Kisten bekommen auch nur so viele Erklärungen wie nötig („They don't contain power, they are power.“). Was genau diese Gegenstände anrichten können, ist mir noch immer leicht schleierhaft. Steppenwolf und seine Armee aus Paradämonen, die sich von Angst ernähren, können sie jedenfalls aufspüren. Wie? Darauf wird nicht eingegangen. Praktischerweise kann sich der Bösewicht dann noch an jede beliebige Stelle auf der Erde "beamen". Wie das funktioniert, ist ein Mysterium, da der Zuschauer seinen Heimatort nie zu Gesicht bekommt. Wie seine eigene Welt aussieht, scheint für die Ereignisse im Film nicht relevant zu sein. Dann wurde noch schnell die Geschichte reingequetscht, dass es vor tausenden Jahren einen riesigen Kampf um die Boxen gab, um dem ganzen wohl noch irgendeinen Hintergrund zu geben. Bis auf ein paar kurze Aufnahmen der großen Schlacht, bleibt dieser Teil aber ziemlich blass und hat weder den Protagonisten noch dem Gegner irgendetwas gegeben, was sie interessanter gemacht hätte. Das wirkte alles sehr nach dem Motto: Das ist jetzt einfach so, weil es zum Plot passen muss. Für verwirrte Zuschauer gibt es wahrscheinlich nur zwei Möglichkeiten: Es schlichtweg hinnehmen oder die entsprechenden Comics lesen. 

Ein Team aus eindimensionalen Helden?

Barry muss das Heldsein noch üben
Foto: Warner Bros. Pictures
Der Handlung mangelt es an Details und Kreativität, da könnte man ja die Hoffnung haben, dass wenigstens die Charaktere mehr Aufmerksamkeit bekommen. Leider ist das nicht so ganz der Fall. Die Mitglieder der Justice League bleiben sehr eindimensional und werden dem Zuschauer nicht wirklich nahegebracht. Ich konnte mich jedenfalls nur in wenigen Szenen in sie hineinversetzen oder mit ihnen fühlen. Es gibt einige vereinzelte Momente, die kurz zeigen, wie interessant die Figuren hätten ausgearbeitet werden können. So war die Szene, in der Barry Allen alias The Flash seinen Vater im Gefängnis besucht, eine der emotionalsten. Henry Allen redet seinem Sohn ein, dass er endlich loslassen soll, um sein eigenes Leben zu führen. Ezra Miller macht Barrys inneren Konflikt und Schmerz durch seine Mimik wirklich greifbar. Er sieht aus, als wäre er kurz davor, in Tränen auszubrechen, will sie aber mit aller Macht zurückhalten, während ihm die Worte fehlen, die er seinem Vater entgegnen kann. Den restlichen Film über wird er allerdings vor allem dafür genutzt, um merkwürdig-lustige Sprüche in unpassenden Situationen loszulassen. An sich hat es mir ja gefallen, dass dem Zuschauer eine Figur gezeigt wird, die nicht recht weiß, wie sie mit anderen Menschen interagieren soll und immer etwas "awkward" erscheint (Barry: „People are slow.“). Doch dieser Aspekt wurde etwas überreizt, wodurch Barry quasi nur noch darauf reduziert wird, was wirklich schade ist. Das Potenzial für einen spannenden Charakter war in Reichweite, doch leider wurde es links liegen gelassen.
Wonder Woman kurz vor einer Rettungsmission
Foto: Warner Bros. Pictures
Bei den anderen Teammitgliedern ist es ähnlich. Cyborg bekommt ebenfalls Ansätze einer spannenden Hintergrundgeschichte. Gerade zu Beginn des Films kann er immer noch nicht akzeptieren, was aus ihm geworden ist. Er sieht sich als Monster und die Zuschauer können seine Wut gut erkennen, da Ray Fisher ihnen durch seine intensiven Blicke, bebende Stimme und angespannte Körperhaltung die Gefühlswelt näherbringt. Doch sobald die Handlung so richtig in Fahrt kommt, ist dieses Problem nicht mehr relevant und die Figur wird mit jeder weiteren Minute eindimensionaler. Von Aquaman erfährt der Zuschauer aber mit Abstand am allerwenigsten, was ihn dadurch für mich am langweiligsten gemacht hat. Zu allen anderen konnte ich wenigstens ein bisschen Zugang finden, bei ihm fehlte das komplett. Er wird die meiste Zeit ebenfalls auf lustige Sprüche und Actionszenen reduziert, die aber nicht einmal irgendeine einzigartige Seite an ihm zeigen. Er ist der Herrscher von Atlantis sowie des Ozeans, in Kämpfen wird er allerdings meist einfach nur als stark präsentiert und schmeißt Gegner durch die Gegend, während er seinen Dreizack mit sich herumträgt. Ich finde, es wurde einfach nicht deutlich, was genau seine signifikante Rolle in diesem Team ist. Bruce und Diana hatten schlichtweg den Vorteil, dass sie schon in vorherigen DC Filmen aufgetreten sind. Dadurch konnten diese Figuren bereits mehr von ihrer Persönlichkeit präsentieren. Daher ist es bei ihnen nicht ganz so aufgefallen, dass sie hier weniger Tiefgang haben. Was ich aber besonders unnötig fand, war das Aufbauen von romantischer Spannung zwischen den beiden. Dass Drehbuchautor Chris Tessio und der später dazu geholte Joss Whedon sich dazu entschieden haben, die Laufzeit gerade damit zu füllen, anstatt den neuen Charakteren mehr Tiefe zu geben, finde ich wirklich schade. 
Kann die Justice League Steppenwolf aufhalten?
Foto: Warner Bros. Pictures
Das Zusammenwachsen des Teams wird ganz solide präsentiert. Es gibt die ein oder andere Startschwierigkeit, weil nicht jeder sofort mit an Bord ist, aber für das Schicksal der Erde raufen sie sich zusammen. Mir hat dabei besonders gefallen, dass sowohl Flash als auch Cyborg im Gegensatz zu den anderen unerfahren sind und Fehler machen Die restlichen Mitglieder greifen ihnen schnell unter die Arme, verurteilen sie aber nicht. Der Teamgeist war dadurch definitiv greifbar. Doch mir fehlte insgesamt so ein richtiger Tiefpunkt der Helden. Zwar gibt es ein paar kritische Momente, aber ich hatte bei keinem davon die Befürchtung, dass die Gruppe noch auseinanderfallen könnte. Es lief fast zu harmonisch ab, was der Geschichte keine weitere Spannung gegeben hat. Im Endkampf war es dann aber immerhin toll mit anzusehen, wie sie als Team zusammenarbeiten und jeder seinen mehr oder weniger individuellen Teil beitragen kann. 

Fazit

Leider konnte mich der Film nicht auf ganzer Linie überzeugen. Die größten Probleme waren dabei die vorhersehbare Handlung ohne überraschende Wendungen, fehlende Erklärungen sowie flache Charaktere. Der Bösewicht hat keine herausstechenden Eigenschaften und wirkt kaum bedrohlich. Das Team aus Helden ist zwar eine ganz gute Mischung mit erkennbarem Teamgeist, doch auf emotionaler Ebene konnten sie mich kaum abholen. Aus diesen Gründen bleibt die Spannung auf der Strecke und der Showdown ist nicht wirklich nervenaufreibend. Gerade durch "Marvel", die schon seit gut zehn Jahren ihr Filmuniversum aufbauen, hat der Zuschauer bereits viel gesehen was Superheldenfilme betrifft. DC kann da mit "Justice League" leider nicht wirklich etwas Neues bieten oder dem Genre auch nur eine etwas andere Richtung geben.


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Sonntag, 26. November 2017

Tatort: Böser Boden - Rezension

Der Mord zum Sonntag hat Tradition, deshalb sind auch wir mit Rezension und Live-Tweets (@WatchReadTalkdabei.


Die Bundespolizisten Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz) werden in einen kleinen niedersächsischen Ort gerufen. Der Fahrer Arash Naderi (Hadi Khanjanpour) wurde dort brutal vor dem Tor seines Arbeitgebers, dem Gasförderunternehmen Norfrac, ermordet. In den letzten Wochen war er immer wieder von den Ortsbewohnern angefeindet worden, die in seiner Ladung giftige Fracking-Substanzen vermutet hatten. Grosz bemerkt schnell, dass viele der Menschen unter Ausschlägen und Wesensveränderungen leiden. Falke hat indessen ganz andere Dinge im Kopf. Er hat nun zwar endlich Kontakt zu seinem Sohn Torben (Levin Liam), doch der will von seinem Vater nichts wissen und verbringt seine Zeit lieber mit Partys und Kneipenschlägereien. Durch Falkes Geistesabwesenheit bringt er seine Kollegin Grosz in Gefahr, als die alleine mehreren Dutzend militanten "Öko-Nazis" gegenübersteht.

Zombies sind unter uns!

Die blutigen Hände sehen cool aus!
Foto: NDR
Seit Kommissar Falke bei der Bundespolizei ist, ging es in seinen Fällen - logischerweise - um Terrorismus, Einwanderung oder andere Belange, die die ganze Republik betreffen. Dementsprechend ist das Thema Fracking eine nette Abwechslung, auch wenn nie aufgeklärt wird, wieso die beiden Bundespolizisten zu einem vermeintlich stinknormalen Mord gerufen werden. In diesem Zusammenhang ist es auch seltsam, dass sie nur zwei Polizisten zur Verstärkung bekommen. Falke und seine ehemalige Partnerin Lorenz hatten in der Vergangenheit Teams mit Dutzenden Kollegen. Obwohl das Thema relativ unverbraucht und relevant ist, hatte ich die vollen 88 Minuten lang das Gefühl, dass Regisseurin Sabine Bernardi es nicht ernst nimmt. Zwar sollte der Sonntagskrimi kein Lehrfilm sein, doch anstelle tatsächlich ein bisschen Aufklärungsarbeit zu betreiben, konzentriert sich der Krimi eher auf Gruselelemente. Im Gegensatz zum "Halloween-Tatort: Fürchte dich" allerdings nicht mit einer guten Portion Selbstironie, sondern bitterernst. Die Dorfbewohner haben allesamt fahle Gesichter, eklige Ausschläge, heftigen Husten, nässende Wunden und tragen ausschließlich Grau- sowie Brauntöne (Falke: "Wenn man sein ganzes Leben nur Hirse frisst, sieht man halt so aus!"). Gegen Ende von "Böser Boden" wirken sie wie eine Horde Zombies aus einem relativ langweiligen Horrorfilm. Sie bewegen sich langsam im Pulk auf die Protagonisten zu, ohne irgendetwas zu sagen oder zu machen. Besonders die Kinder scheinen die Regieanweisung bekommen zu haben, sie sollten stumme, blutrünstige Untote mit Keuchhusten spielen. Wegen dieser durchaus beunruhigenden Darstellung, hat es mich zwischendurch dezent gegruselt. Bei einem Krimi, in dem es um Fracking und die Macht der Konzerne geht, sollte es dennoch keine Kinder mit Blutrinnsal aus dem Mund brauchen, um beim Zuschauer ein ungutes Gefühl hervorzurufen! Überhaupt gibt es in diesem "Tatort" viele Szenen, die nur wie Füllmaterial wirken und die Handlung nicht voranbringen. Dazu zählt der schizophrene Obdachlose, der Falke und Grosz im Wald attackiert und danach auf Nimmerwiedersehen verschwindet und der Auftritt der Band AnnenMayKantereit, deren Sound so gar nicht in den Club passt, in dem sie hier spielen.

Wer seid ihr und was tut ihr?

Die Outfits hatten wir in der Schultheater AG auch!
Foto: NDR/Christine Schroeder
Woran es diesem Sonntagskrimi auch mangelt, sind Figuren, denen man gerne zusieht. Falke und Lorenz waren eins meiner beiden Lieblingsteams und obwohl ich von Petra Schmidt-Schallers Ausstieg enttäuscht war, habe ich mich sehr über Franziska Weisz als Neuzugang gefreut. In den eineinhalb Jahren, die seit Grosz und Falkes letztem Fall vergangen sind, wurde ihre Figur jedoch nicht erkennbar weiterentwickelt. Sie verzieht kaum eine Miene und erinnert damit stark an ihre Kommissarskollegin Hannah Zeiler (Nora von Waldstätten) vom ZDF. Dennoch mochte ich sie von allen Personen mit Abstand am meisten, da sie als einzige richtig ermittelt und ihr weder irgendeine Ideologie noch persönliche Probleme die Sicht vernebeln (Falke: "Warum haben Sie die nicht einfach gefragt?" Grosz: "Weil man keine Geheimnisse erfährt, indem man danach fragt?!"). Das hat mich bei Falke unglaublich gestört. Die Geschichte mit seinem Sohn ist nicht nur langweilig, sondern unterbricht auch immer wieder die eigentliche Krimihandlung. Immerhin bietet er Grosz so eine Steilvorlage für einen einzigen Gefühlsausbruch, in dem sie ihm unmissverständlich zu verstehen gibt, dass sie ihm die Partnerschaft kündigt, sollte er sie noch einmal in einer bedrohlichen Situation allein lassen. Die Spannungen zwischen den beiden sind jedenfalls deutlich interessanter als die Nebenhandlung um Torben.
v.l.: Falke, Fohlen und Grosz ermitteln... irgendwie
Foto: NDR/Christine Schroeder
Der einzige Charakter, der den Krimi ein bisschen auflockert, ist Henry Fohlen (Christian Hockenbrink), Experte vom Landesamt für Bergbau. Zumindest zu Beginn ist er ein liebenswerter Nerd, der mit witzigen Sprüchen ("Manche Dinge kommen auch ohne, dass man sie bestellt - Haarausfall, die Zeugen Jehovas... eine Expertise vom Bergamt!") ein bisschen von der Zombie-Apokalypse ablenkt. Dann dreht leider auch er durch und eine arme, kleine Maus muss es ausbaden - um nicht zu viel zu spoilern. Die Szene ist jedenfalls sehr schräg und wird hinterher nur sporadisch erklärt - wie leider fast alles in "Böser Boden", denn eine eindeutige, klare Auflösung gibt es nicht. Selbst der letztendliche Mörder wird nur angedeutet und der Zuschauer bekommt weder eine Befragung noch ein Geständnis zu hören. Ob er es tatsächlich war und was genau in dem Dorf eigentlich passiert ist, lassen die Drehbuchautoren Marvin Kren und Georg Lippert offen.

Fazit

"Böser Boden" ist der bislang schlechteste "Tatort" mit Kommissar Falke. Dem Fall liegt zwar ein interessantes Thema zugrunde, doch es wird nicht sachlich und logisch genug behandelt. Stattdessen laufen sämtliche Dorfbewohner so lädiert und apathisch durch die Gegend, als seien sie von den Toten auferstanden. Das ist weder glaubhaft noch unterhaltend. Dazu kommen zahlreiche Szenen und Charaktere, die für die Geschichte nicht relevant sind und später nicht mehr angesprochen werden. Eine wirkliche Auflösung oder einen Abschluss gibt es generell nicht. Selbst bei Kommissar Falkes Vater-Sohn-Nebenhandlung ist nicht ersichtlich, was zur 180-Grad-Wendung am Ende geführt hat. Nur Grosz wirkt in diesem Krimi geerdet und konzentriert, leider kann sie diesen "Tatort" auch nicht mehr retten.


Nächste Woche kommt nach längerer Pause wieder ein "Polizeiruf 110". Die deutsch-polnischen Ermittler Olga Lenski (Maria Simon) und Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) müssen in "Das Beste für mein Kind" herausfinden, wer den Entführer eines sechs Monate alten Babys umgebracht hat. 

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Donnerstag, 23. November 2017

Mirror Mirror (Cara Delevingne) - Rezension

Dieses Jahr habe ich mir auf der Frankfurter Buchmesse (hier geht es zu meinem Event-Post) den Roman "Mirror Mirror" von Supermodel Cara Delevingne gekauft. Er ist im Oktober 2017 erschienen und ehrlich gesagt, war ich vor allem neugierig, wie sie die Geschichte erzählt. Denn Prominente schreiben ja häufig Ratgeber und ihre eigenen Biographien, aber eher selten Belletristik. Cara hat den Roman allerdings nicht alleine verfasst, sondern in Zusammenarbeit mit Autorin Rowan Coleman. In der deutschen Version ist er im Fischer Verlag erschienen und 364 Seiten lang.

Red, Naomi, Rose und Leo sind alle auf ihre Art und Weise verloren. Red hat einen Vater, der immer bei seiner Affäre ist und eine Mutter, die ihren Kummer im Alkohol ertränkt. Naomi läuft gerne von zu Hause weg und schwimmt gegen den Strom. Rose ist der Star der Schule, der von allen angehimmelt wird, ohne wirklich jemandem zu vertrauen und Leo wird von seinem kriminellen Bruder immer wieder auf die schiefe Bahn gebracht. Wegen eines Schulprojekts gründen die vier widerwillig eine Band, die sie "Mirror Mirror" nennen. Doch sie spielen richtig gut, werden schnell bekannt und zu besten Freunden. Alles ändert sich, als Naomi eines Tages verschwindet. Im Gegensatz zur Polizei glauben Red, Rose und Leo nicht, dass ihre Bandkollegin wieder von zu Hause abgehauen ist und suchen selbst nach ihr. Als sie viele Wochen später schwer verletzt in einem Kanal gefunden wird, beginnt die Freundschaft der anderen drei zu bröckeln.

Sehr viel Wahrheit in einem Buch

Das Cover ist echt cool!
Foto: Fischer Verlag
Die Geschichte von "Mirror Mirror" ist nicht außergewöhnlich kreativ. Eine Gruppe Außenseiter, die einander Kraft geben und gemeinsam sogar richtig cool und angesagt werden, gibt es gefühlt in jedem zweiten Jugendbuch. Im Disney Channel-Film "Lemonade Mouth" hat eine solche Clique sogar schon einmal eine Band gegründet, die dann plötzlich berühmt wurde. Die Grundhandlung hat mich also nicht wirklich vom Hocker gerissen, allerdings besteht dieser Roman aus so viel mehr! Es lohnt sich alleine schon, das Vorwort von Cara Delevingne zu lesen, da es einen guten Einblick in die Gefühle gibt, die in das Buch geflossen sind und aus welcher Motivation heraus es geschrieben wurde ("Vor allem möchte ich meinen Lesern sagen, dass es okay ist, wenn ihr noch nicht wisst, wer ihr seid."). Genau diese Stimmung hebt "Mirror Mirror" von ähnlichen Geschichten ab. Es gibt keine übernatürlichen Phänomene und keine wundersamen Verwandlungen vom Loser zum Helden. Der Großteil der Handlung ist beängstigend realistisch. Jeder der Charaktere hat eigene Probleme, die er bewältigen muss und für die seine Freunde, die sich in anderen Situationen befinden, einfach kein Verständnis haben. Zu Beginn des Buches wird der Zusammenhalt der vier Protagonisten noch sehr oberflächlich dargestellt ("Vor der Band war jeder auf seine eigene Weise verloren und dann hat es irgendwie bei uns klick gemacht. Und zusammen sind wir stark und cool und krass und einfach der Hammer."), doch im Laufe der Handlung wird klar, wie schnell so ein scheinbar perfektes Glück auch wieder zerbrechen kann. Generell werden alle Probleme authentisch dargestellt und nicht, wie es so häufig vorkommt, durch ein paar nette Worte und ganz fest daran glauben, schnell gelöst. Das Buch endet zwar mit einem glücklichen Moment der Protagonisten, es wird aber nicht mehr thematisiert, ob sie ihre Situationen in den Griff bekommen haben. Ein Happy End à la "Alles war gut" fehlt also.
Supermodel Cara Delevingne mit ihrem Buch
Foto: Dave Benett
Doch das brauchen die Charaktere auch nicht. Sie haben sich damit arrangiert, dass das Leben nicht perfekt ist und sie sich in einem ständigen Kampf mit sich selbst und ihrer Umwelt befinden. Interessant ist hierbei vor allem, dass der Leser nur eine Gedankenwelt kennt, nämlich die von Ich-Erzähler Red. Es ist dementsprechend schwer, nachzuvollziehen, was in den Köpfen der anderen Figuren vorgeht, da man immer nur so viel weiß wie Red. Die zentralen Charaktere sind die vier Bandmitglieder, ihre Familien, ihr Lehrer Mr. Smith und ein paar weitere Schulkameraden. Mir hat es wirklich gut gefallen, dass ich praktisch in Reds Kopf steckte, da ich mich ein bisschen wie ein Teil der Geschichte gefühlt habe. Anstelle Einblicke in die Gedankenwelten der anderen Charaktere zu haben, lernt man sie, wie im echten Leben auch, durch ihre Taten und ihre Worte kennen und muss sie daran definieren. Zwar erfährt der Leser so nur wenig über die einzelnen Personen, das trägt jedoch dazu bei, dass sich die Geschichte real anfühlt. Ich mochte zum Beispiel kaum eine der Figuren, die meisten waren mir sogar unsympathisch - besonders Rose und ihre affektierte Art ("Ich pflege zwar mein Armes-reiches-Mädchen-Image, aber wir wissen beide, dass mein Leben sehr bequem ist.") Obwohl Red in sie verliebt ist, hatte ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass mir der Roman eine bestimmte Meinung aufzwingen wollte, wie ich es leider in letzter Zeit bei vielen Büchern hatte (beispielsweise bei "Krähenmutter" von Catherine Shepherd). Ich habe "Mirror Mirror" trotz der unsympathischen Charaktere gerne gelesen, weil es leicht ist, sich mit ihrer Denkweise zu identifizieren. Cara Delevingne und Rowan Coleman schaffen es sehr gut, die Leere und Verlorenheit in Worte zu fassen, die man - vor allem als Teenager - empfindet, wenn man hilflos ist und nicht weiter weiß.

"Das echte Ich, ohne Filter."

Ein flapsiger Chatverlauf im Buch
Foto: Katrin Mertens
Nicht nur durch die Problemen und Einsamkeit werden sehr realistisch dargestellt. Am authentischsten ist der Schreibstil. Das Buch liest sich, als sei es ein sehr ausführliches Gedächtnisprotokoll von Red. Im Gegensatz zu fast allen Jugendmedien hat hier tatsächlich ein junger Autor für junge Leser geschrieben. Auch Übersetzerin Anita Nirschl verzichtet auf "Jugendsprache", die entgegen des Glaubens der Generation 35+, definitiv nicht in den heranwachsenden Generationen etabliert ist. Stattdessen klingt "Mirror Mirror" wie eine große Unterhaltung ("Und ich dann so, ähm, nö. Und ungefähr alle drei Tage oder so bietet sie mir an, sie schwarz zu färben, aber wieder sage ich nein, ich bin ein Rotschopf, okay, kommt damit klar.") Schachtelsätze, Umgangssprache sowie "und" am Satzanfang, findet man normalerweise eher selten in Romanen - auch Schimpfwörter, exzessive Wortwiederholungen und ähnliches nicht. Hier ging es den Autorinnen offenkundig nicht darum, "schön" zu schreiben, sondern eine gewisse Mentalität einzufangen und das ist ihnen, meiner Meinung nach, gelungen. Allerdings ist es so nicht immer ganz einfach, einem Dialog zwischen mehreren Charakteren zu folgen, weil teilweise erst am Ende langer Wortbeiträge steht, wer gesprochen hat. Einige Seiten enthalten zudem Liedtexte der Band, Chatverläufe oder Instagram-Posts. Diese Illustrationen wären nicht unbedingt nötig gewesen, da sie die Geschichte nicht voranbringen, aber sie verdeutlichen die wichtige Rolle von sozialen Medien im Leben der Teenager. Auch im Text spiegelt sich das aktive Online-Leben wider ("1385 Follower auf Twitter und ich habe einen blauen Haken beantragt, ich will unbedingt einen blauen Haken. Ein blauer Haken bedeutet, wir sind echt.")  - genauso sowie der damit verbundene Drang nach Aufmerksamkeit und Idealismus ("Denn ich mag mein Ich in dieser Welt, das Ich, das man in den sozialen Medien sieht. Dieses Ich ist perfekt."). 
Ob jemand die Texte vertont hat?
Foto: Katrin Mertens
Perfekt war für mich der unglaublich clevere Twist gegen Ende des Romans. Eigentlich ist es keine richtige Wendung. Dem Leser wird, wie oben bereits geschildert, nicht wirklich vorgegeben, was er denken soll. Allerdings haben Delevingne und Coleman meine Gedanken - und vermutlich die eines Großteils der Leser - in eine bestimmte Richtung gelenkt. Irgendwann stellt sich heraus, dass es der falsche Weg war. Das wirklich Coole daran ist, dass sie nicht gelogen oder getrickst haben, um mich so denken zu lassen. Ich bin nicht einmal auf die Idee gekommen, dass es überhaupt eine andere Möglichkeit gegeben hätte. Mir ist erst nach dem Twist bewusst geworden, wie gradlinig und "in der Box" ich unbewusst geurteilt habe. Aus diesem Grund war diese Wendung einfach genial. Auch weil sie die Handlung in keiner Weise beeinflusst und doch so wichtig ist. Lediglich die Tatsache, dass die neue Erkenntnis danach auf fast jeder Seite erwähnt und sehr platt getreten wird, hat mich gestört. Das Ende des Romans hat mich auch enttäuscht. Ich habe sehr früh geahnt, was Naomi geschehen ist und wer dafür verantwortlich ist. Damit habe ich letztendlich Recht behalten. Eigentlich kam dafür nur eine einzige Person infrage und zu keiner Zeit konnte mir das Buch glaubhaft einen anderen Verdächtigen schmackhaft machen. In Hinsicht von Spannung und "Mitrate-Potential" haben die Autorinnen also definitiv noch Nachholbedarf! Überhaupt passt die Krimi-ähnliche Handlung nur bedingt zum Rest der Geschichte. Naomi und ihre Verletzungen wandern immer weiter in den Hintergrund, bis sie auf den letzten Seiten plötzlich wieder relevant werden. Die Auflösung wirkt dann gehetzt und nicht wirklich nachvollziehbar, da viele Fragen offen bleiben. Die Probleme der Charaktere alleine bieten schon viel Stoff, daher wäre es denkbar gewesen, die Kriminalhandlung ganz wegzulassen, denn so wurde ihr das Buch leider nicht gerecht.

Fazit

"Mirror Mirror" ist einer der wenigen guten Romane, die ich in diesem Jahr gelesen habe. Cara Delevingne und Rowan Coleman haben eine interessante Geschichte geschaffen, die ganz ohne übernatürliche Phänomene und strahlende Helden auskommt. Ich-Erzähler, Gegenwartsform und Umgangssprache tragen dazu bei, dass sich die Handlung sehr authentisch anfühlt, als würde der Leser die Charaktere belauschen. Mit Red gibt es einen Protagonisten, dessen Gedanken aufschlussreich sind und dennoch viel Raum zur Interpretation lassen. Dadurch hat "Mirror Mirror" einen der cleversten Twists, die ich seit Langem in einem Buch gelesen habe. Besonders, da sich durch die Offenbarung nichts an der Handlung geändert hat, ich aber trotzdem noch einmal alles Gelesene überdacht habe. Lediglich der Kernpunkt der Geschichte, Naomis Verschwinden, ist unrund, da sich zu wenig darauf konzentriert wird. Obwohl die Auflösung praktisch zu Beginn schon feststeht, da es keine wirklichen Alternativen gibt, ist das Finale letztendlich unlogisch und überhastet. Der Schwerpunkt des Romans ist somit eigentlich eher der Selbstfindungsprozess der Protagonisten und der wird richtig super dargestellt!


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Sonntag, 19. November 2017

Tatort: Gott ist auch nur ein Mensch - Rezension

Der Mord zum Sonntag hat Tradition, deshalb sind auch wir mit Rezension und Live-Tweets (@WatchReadTalkdabei.


Kurz vor der Eröffnung einer großen Kunstmesse wird vor dem Münsteraner Rathaus eine "Jack in the Box"-Skulptur gefunden. Darin befindet sich eine Leiche. Es bleibt nicht die einzige Installation mit menschlichem Kern. Zu der Ausstellung sind drei exzentrische Star-Künstler erschienen: Die kontroverse Swantje Hölzel (Raphaela Möst), der verschlossene Jan Christowski (Christian Jankowski) und der arrogante  Zoltan Rajinovic (Aleksandar Jovanovic). Die Kommissare Frank Thiel (Axel Prahl) und Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) vermuten, dass einer von ihnen der Mörder ist. Bei den Ermittlungen ist ihnen Rechtsmediziner Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) keine große Hilfe. Er hat sich in den Kopf gesetzt, ein großer Künstler zu werden und betet den "G.O.D." genannten Rajinovic geradezu an. 

Kunst......aha

Aus diesem Bild spricht die Freude
Foto: WDR
Scheinbar wollten Christoph Silber und Thorsten Wettke ein Drehbuch für den Wiesbadener "Tatort" schreiben, haben dann aber nur ein Angebot für Münster bekommen. "Gott ist auch nur ein Mensch" dreht sich nämlich nicht nur um die Kunstwelt, sondern versucht auch selbst Kunst zu sein. Da die nun angeblich im Auge des Betrachters liegt, wird auf Twitter wohl heiß über diesen Krimi diskutiert werden. Obwohl Krimi kann man den "Tatort" aus Münster ja nicht wirklich nennen. Dieses Mal geht es wieder besonders überdreht zu. Boerne hat plötzlich den Traum ein großer Künstler zu werden und wird "G.O.D.s" Meisterschüler. Wieso genau ausgerechnet er ausgewählt wurde, obwohl er nur eine Kiste getragen hat, stellt sich nicht heraus. Die Szenen zwischen den beiden bringen die Handlung nicht voran, gehören aber dennoch zu den wenigen tatsächlich unterhaltsamen Momenten ("G.O.D.": "Nur dumme Menschen denken!"). Denn die zwei Figuren sind verrückt und exzentrisch, zusammen haben sie eine tolle Dynamik. Die anderen beiden künstlerischen Hauptverdächtigen werden hingegen über große Strecken der Handlung völlig vergessen. Dabei sind sie deutlich zurückhaltender als "G.O.D." und dementsprechend auch spannender, da man mehr über sie erfahren möchte. Aber für weitere starke Figuren war in diesem Fall wohl scheinbar kein Platz mehr. So wird beispielsweise der Livestream von Actionskünstlerin Swantje als Alibi genommen, obwohl sie dabei ihre Gebärmutter gefilmt hat. Da hätte doch jede andere Frau als Bodydouble herhalten können! Im Gegensatz zu dieser "Kunst" fand ich die Idee, Leichen in Skulpturen zu integrieren, ziemlich cool und kreativ. Allerdings hapert es an der Umsetzung. So liegt ein Toter in einem Pappmaché-Sparschwein, das aussieht, als wäre es von einer Grundschulklasse gebastelt worden. Das überschwängliche Lob der Charaktere für diese Skulpturen klingt jedenfalls nicht sehr glaubhaft. Lediglich der Einfall hinter der letzten Installation ist wirklich clever. Gegen Ende wurde der Mörder dann scheinbar von Dan Browns "Illuminati" inspiriert. Denn Skulpturen, die Hinweise darauf liefern, in welcher Himmelsrichtung der nächste Tatort liegen wird, gab es dort ebenfalls. Nur in deutlich aufregender.

Ich mach' mir die Welt, wie sie mir gefällt 

Und plötzlich lebte Frau Klemm (l.) in einer Kommune
Foto: WDR/Wolfgang Ennenbach
Was mich an "Gott ist auch nur ein Mensch" am meisten gestört hat, waren die vielen Zufälle und neu erfundenen Hintergrundgeschichten. Dies ist der 32. Fall des Münsteraner Teams und plötzlich soll Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) früher eine Beziehung mit Thiels "Vaddern" (Claus Dieter Clausnitzer) gehabt und in einer Kommune gewohnt haben. In vielen Folgen dieses Teams werden irgendwelche neuen Geschichten dazugedichtet, aber diese ist nun schon sehr unlogisch (Thiel: "Sie wollen mir ernsthaft erzählen, dass sie mich schon als Kind kannten?" Klemm: "Ja, unsere Wege haben sich schon sehr früh gekreuzt."). Durch Zufall lebte auch die ehemalige Kuratorin der Skulpturen-Tage Nika Wenger (Gertie Honeck) in der Kommune. Ihre Tochter und jetzige Kuratorin Klara (Victoria Mayer, Berlin Station) erinnert sich noch an ihre gemeinsame Zeit mit dem kleinen "Frääääänky", aber er hat keinerlei Erinnerung daran. Das ist sogar noch glaubwürdig im Gegensatz dazu, dass die beiden ihren Kinderbildern zufolge etwa gleich alt sein sollen (Axel Prahl ist 57 und Victoria Mayer 41 Jahre alt). Dazu kommen noch zahlreiche unglaubwürdige Momente. Wie das nicht stichhaltige Alibi von Swantje oder ein Computer, der stundenlang unbenutzt rumstand, jedoch weder ausgegangen noch in den Bildschirmschoner-Modus gewechselt ist. Oder die Tatsache, dass Thiel und Nadeshda Boernes Handy aus einer anderen Etage so laut hören, als hätten sie es direkt am Ohr. 

Endlich wird Frau Haller mal wertgeschätzt!
Foto: WDR/Wolfgang Ennenbach
In den letzten Jahren ist der Münsteraner "Tatort" stark in den Klamauk abgerutscht. Statt trockenem, spitzen, sarkastischen Humor wie beispielsweise in Weimar und teilweise auch in Dresden und Dortmund, gibt es bei Thiel und Boerne eher Schenkelklopfer und Witze, die klingen, als seien sie aus einer Büttenrede übernommen worden. Doch in "Gott ist auch nur ein Mensch" fehlt selbst das größtenteils. Zwar wird wie immer über Silke "Alberich" Hallers (ChrisTine Urspruch) Größe gewitzelt, aber ansonsten ist dieser "Tatort" nicht wirklich lustig, egal in welcher Art von Humor. Tatsächlich findet jemand sogar mal nette Worte für Boernes Laborpartnerin ("G.O.D.": "Gott ist ein großer Künstler. Sie sind der lebende Beweis dafür."). Eigentlich liegt der komödiantische Höhepunkt schon zu Beginn des Krimis, als eine Komparsin laut vorschlägt ein "Sählfie"zu schießen. Viel mehr kommt danach nicht mehr, außer ein paar "künstlerisch wertvolle Doktorspiele" und ein ungewöhnliches Ende, mit dem dieser "Tatort" von Regisseur Lars Jessen praktisch darum bettelt, als Kunst wahrgenommen zu werden.

Fazit

Der am meisten genutzte Spruch wird heute Abend wohl sein "Ist das Kunst oder kann das weg?" Für einige Zuschauer braucht es nur ein paar "Alberich"-Witze und den kiffenden "Vaddern" für große Unterhaltung, die kommen auch beim sehr schwachen "Gott ist auch nur ein Mensch" auf ihre Kosten. Wer allerdings einen halbwegs stringenten Krimi oder auch nur einen durchschnittlichen Fall von Thiel und Boerne erwartet, der wird enttäuscht werden. Die Grundidee ist zwar kreativ, doch durch viele konstruiert wirkende Erzählstränge, Unstimmigkeiten und eine zu starke Fokussierung auf die Figur "G.O.D." ist dieser "Tatort" ziemlich witzlos und langatmig. 


Nächste Woche ermittelt das Team der Bundespolizei. Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz) ermitteln in "Böser Boden" in Niedersachsen. Sie müssen herausfinden, wer einen Iraner ermordet hat, der erst vor Kurzem nach Deutschland gezogen ist. Dabei kommen sie einem Umweltskandal auf die Spur.

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Samstag, 18. November 2017

Blindspot: Staffel 3, Folge 4 - Kurzrezension [D/E]

The following review of the "Blindspot" episode "Gunplay Ricochet" (S03E04) is also available in English. Please scroll down for the English version.

Deutsch


- Der folgende Text enthält Spoiler -

Worum geht es?

Patterson (Ashley Johnson, Spooked) stößt auf eine weitere Verbindung zwischen einem alten und einem neuen Tattoo. Das Design deutet darauf hin, dass Marcus Dunn (Patrick M. Walsh), ein Terrorist, der in den 90ern mehrere Bomben gezündet hat, noch am Leben ist. Bei einem Einsatz wird Jane Doe (Jaimie Alexander) auf einen Mann aufmerksam. Er heißt Rossi (Paul Guilfoyle) und kennt sie aus ihrem früheren Leben als Remi. Schließlich meldet sich Dunn mit einem Schreiben bei der Presse, in der er einen neuen Anschlag ankündigt. Außerdem versuchen Patterson und Tasha Zapata (Audrey Esparza) herauszufinden, wer Stuart in "Enemy Bag of Tricks" (hier geht es zur Rezension) ermordet hat. Dabei kommen sie zu dem Schluss, dass ein Kollege die Beweise manipuliert haben muss. Währenddessen spioniert Roman (Luke Mitchell) einer Wohltäterin (Tori Anderson) in Sydney hinterher.

Meine Meinung in drei Punkten

1. Der Fall - Wöchentlich grüßt das Murmeltier

Mal wieder eine "Profi"-Bombenentschärfung 
Foto: NBC
Irgendwo in New York ist eine Bombe platziert worden. Kurz bevor es zu spät ist, findet Patterson den Standort heraus. Jane und Kurt Weller (Sullivan Stapleton) erscheinen etwa zwei Minuten vor der Explosion und entschärfen den Sprengsatz in allerletzter Sekunde, während ein Timer unermüdlich abläuft. Das ist die Kernhandlung von "Gunplay Ricochet", aber auch von -zig anderen Folgen. Natürlich bieten sich Bombenentschärfungen bei einer Serie an, in der es um Terrorismus geht. Aber da sie immer nach dem gleichen Muster ablaufen, ist dieses Szenario schon längst ziemlich langweilig geworden, vor allem da immer klar ist, dass den Hauptcharakteren sowieso nichts passieren wird. Es ist nicht die einzige "Neverending Story". Es gibt mal wieder ein Leck im Umfeld des FBI und erneut drohen Geheimnisse das Team zu zerbrechen. Momentan scheint sich "Blindspot" im Kreis zu drehen. 

2. Das "schockierende" Ende

Das FBI-Team musste der Behörde von Jonathan West (Nicholas Calhoun) Rossi übergeben und aus deren Haft ist der Schwerkriminelle geflohen. Nach dem Fall trifft sich Edgar Reade (Rob Brown) heimlich mit West und lügt Zapata diesbezüglich an. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Assistant Director etwas Schlimmes vor hat. Vermutlich wird der Grund völlig harmlos sein oder sehr weit hergeholt - wie die zweite Wendung am Ende dieser Folge. Rossi lässt Jane Dokumente zukommen, die belegen sollen, dass sie vor 18 Jahren eine Tochter bekommen und zur Adoption freigegeben hat. Hier scheinen die Drehbuchautoren wirklich gar keine Ideen mehr gehabt und eine FanFiction-Geschichte abgeschrieben zu haben. Natürlich ist sie ziemlich Seifenoper-mäßig, aber macht auch schlicht und ergreifend keinen Sinn. In der ersten Folge der ersten Staffel wurde Jane extrem gründlich untersucht, dabei muss es einfach aufgefallen sein, dass sie schon einmal ein Kind bekommen hat. Ich hoffe, hier ist ausnahmsweise nicht alles genauso offensichtlich, wie es scheint. Vielleicht nutzt "Blindspot" endlich mal die Chance, einen intelligenten Twist einzubauen, der die Zuschauer aufs Glatteis führt. Zum Beispiel, dass jemand anders Remis Namen benutzt hat oder die Dokumente ein geheimer Code sind. Ich habe jedenfalls keine Lust auf noch mehr Jane und Weller Drama!

3. Das peinliche Hochzeitsvideo

Mal ehrlich: Wurde das mit "Paint" gestaltet?!?
Foto: Screenshot
Apropos Null-Chemie-Liebespaar: Was zum Teufel sollten die Ausschnitte aus ihrem Hochzeitsvideo während einiger Actionszenen? Erst einmal passte die Art (blumiger Rahmen, übertriebene Dekoration etc.) überhaupt nicht zu Jane und Weller, die vom Typ eher ruppig und rustikal sind. Außerdem hat es den wenigen spannenden Sequenzen jeglichen Schwung genommen, plötzlich von romantischen, schwülstigen Reden unterbrochen zu werden. Reade und Zapata wirkten während ihrer filmischen Botschaft ungefähr genauso peinlich berührt und verwirrt, wie ich mich beim Zusehen gefühlt habe (Zapata: "This marriage is going to be extremely entertaining for all of us."). Richtig witzig fand ich hingegen Romans Version dieses Videos mit seinem selbstgemalten Schild und der einzelnen Lichterkette vor einer Kellerwand. Obwohl ich finde, dass Reade und Zapata zusammengehören, hoffe ich inständig, dass es keine weiteren "Blindspot"-Hochzeiten und dementsprechend auch keine weiteren pseudo-romantischen Fremdschäm-Botschaften mehr geben wird (Jane: "There's a lot I want to say to you, Kurt. But I was told to keep it PG-13 (freigegeben ab 12, Anm. d. Red.), so I'll save the good stuff for our honeymoon.").

Fazit

"Gunplay Ricochet" erinnert mich, genauso wie der Staffelauftakt, an einen Flickenteppich: Mehrere verschiedene Handlungen, die willkürlich zusammengeschnitten wurden. Dieser Effekt wird durch das in actionreichen Momenten eingespielte Hochzeitsvideo deutlich verstärkt. Mal abgesehen von der unpassenden Platzierung bringen diese Botschaften die Handlung weder voran noch sind sie sonderlich berührend. Dasselbe gilt für den langweiligen Fall, der ein genaues Abbild von zahlreichen anderen "Blindspot"-Folgen ist. Leider deuten die neuen Geschichten daraufhin, dass sich die Serie in der Zukunft auf altbekannten Szenarien (Maulwurf im FBI) und noch mehr "Jeller"-Drama konzentrieren wird. Einziger Lichtblick in dieser Episode ist Roman, dessen Nebenhandlung nicht überdramatisiert wird, sondern stattdessen interessant und originell ist.


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English


- The following text contains spoilers -

What was it about?

Patterson (Ashley Johnson, Spooked) finds another connection between an old and a new tattoo. The design indicates that Marcus Dunn (Patrick M. Walsh), a terrorist who fired multiple bombs in the 90s, is still alive. During an operation Jane Doe (Jaimie Alexander) notices a man. His name is Rossi (Paul Guilfoyle) and he knows her from her previous life as Remi. Eventually Dunn writes a letter to the press, in which he notifies them of a new attack. Additionally Patterson and Tasha Zapata (Audrey Esparza) investigate who killed Stuart in "Enemy Bag of Tricks" (click here for the review). They conclude that one of their colleagues must have tampered with the evidence. Meanwhile Roman (Luke Mitchell) is spying on a philanthropist (Tori Anderson) in Sydney.

My opinion in three points

1. The case - every week it's groundhog day

Again a very "professional" bomb disposal
Photo: NBC
A bomb has been planted somehwhere in New York. Patterson finds the location just in time. Jane and Kurt Weller (Sullivan Stapleton) arrive about two minutes before the explosion and defuse the blasting composition at the last second, while a timer runs out. That's the central story line of "Gunplay Ricochet", but also of many other episodes. Of course bomb disposals make sense in a TV show about terrorism. But it's always the same pattern. That's why this scenario has become pretty boring, especially because it's obvious that nothing bad is going to happen to the main characters. This is not the only "Neverending Story". There's another leak somewhere in the FBI and secrets threaten to break up the team again. Currently "Blindspot" seems to be going round in circles.

2. The "shocking" end

The FBI team had to hand over Rossi to Jonathan West's (Nicholas Calhoun) agency. The criminal then escaped from their custody. After the case Edgar Reade (Rob Brown) has a secret meeting with West and lies to Zapata about it. I don't think the Assistant Director is planning something bad. Probably the reason is going to be totally harmless or very far-fetched - like the second turn at the end of this episode. Rossi sends Jane some documents, intending to prove she had a daughter 18 years ago and gave her up for adoption. At this point it really seems like the writers were out of ideas and copied a fanfiction story. Of course she's very soap-opera-like, but also just doesn't make sense. Jane was thoroughly examined in the first episode of the first season, somebody had to notice she had a child before. I hope for once it's not going to be as obvious as it seems. Maybe "Blindspot" finally takes the chance to work in an intelligent twist, which leads the viewers up the garden path. For example someone used Remi's name or the documents are a secret clue. I really don't want more Jane and Weller drama!

3. The embarrassing wedding video

But honestly: Was that designed with "Paint"?!?
Photo: Screenshot
Speaking of the zero-chemistry-couple: Why the heck were there wedding videos during some action scenes? First of all the design (flowery frame, exaggerated decorations etc.) didn't fit Jane and Weller, who are both more rough and rustic. This episode didn't have many suspenseful scences, but the few there were got interupted by romantic, overblown speeches. Reade and Zapata looked embarrassed and confused during their message - just like me while watching it (Zapata: "This marriage is going to be extremely entertaining for all of us."). The only thing I actually liked was Roman's version of the video with his self-painted sign and one string of lights inside a basement. Even though I believe Reade and Zapata belong together, I really hope there won't be another "Blindspot" wedding and therefore not another pseudo-romantic external-shame-message (Jane: "There's a lot I want to say to you, Kurt. But I was told to keep it PG-13, so I'll save the good stuff for our honeymoon.").

Conclusion

"Gunplay Ricochet" reminds me of a patchwork - just like the season premiere: Multiple different stories randomly cut together. The wedding video interupting action-packed scences intensifies this. Apart from the odd placing these messages don't push the story forward and aren't actually touching. The same applies to the boring case, which is mirroring a bunch of other "Blindspot" episodes. Unfortunately the new stories indicate, that the show is going to concentrate on well-known scenarios (mole in the FBI) and even more "Jeller" drama in the future. In this episode the only ray of hope is Roman, whose subplot is not overdramatized, but rather interesting and creative.


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Mittwoch, 15. November 2017

Netflix Original Filme - Kurzrezensionen (Teil 2)

Mittlerweile gibt es nicht nur Filme fürs Kino oder Fernsehen. "Netflix" hat vor einigen Jahren ebenfalls damit begonnen, Eigenproduktionen zu veröffentlichen. Das Angebot des Streaming-Anbieters beschränkt sich also nicht nur "Netflix Original"-Serien (unsere Kurzrezensionen dazu findet ihr hier), sondern hat auch eine wachsende Anzahl an Filmen. Im ersten Teil (hier gelangt ihr zum Beitrag) habe ich bereits die Titel "Little Evil", "The Incredible Jessica James" sowie "#realityhigh" vorgestellt und bewertet, in diesem Post folgen drei weitere. 


Wheelman

Wird er den Verantwortlichen finden?
Foto: Netflix
Der namenlose Protagonist in diesem Actionthriller ist Fluchtfahrer für eine Gruppe Bankräuber, der "Wheelman" (Frank Grillo). Doch während des Auftrags wird er von einem mysteriösen Anrufer vor ihnen gewarnt und lässt sie zurück, nachdem sie das Geld im Kofferraum abgelegt haben. Nun ist der "Wheelman" nicht nur auf der Flucht vor den Bankräubern, die ihn drankriegen wollen, er muss auch herausfinden, wer hinter dem Anrufer steckt. Denn der gibt ihm nun neue Anweisungen, was er mit dem Geld machen soll. Kann der "Wheelman" ihm trauen?
Als der Film losging, musste ich sofort an "Baby Driver" denken, den wir im Kino gesehen haben und in dem es auch um einen Fluchtfahrer geht (unsere Rezension dazu findet ihr hier). Im Vergleich dazu ist "Wheelman" allerdings noch eine Ecke brutaler und hat außerdem weniger Musikeinlagen. Es gibt viele Schießereien, Blut und Gefluche. Die Geschichte ist insgesamt sehr aufregend und es gibt ein paar überraschende Wendungen, sodass ich immer gespannt war, was wohl als Nächstes passieren würde. Was schnell auffällt: Der Film benutzt fast ausschließlich Aufnahmen, die innerhalb des Autos aus interessanten Perspektiven gefilmt wurden, beispielsweise aus der "Sicht" des Handys, das auf dem Beifahrersitz liegt. Dann gibt es noch Szenen mit Kameras, die außen am Wagen befestigt sind. Eine ganze Geschichte aus solchen Blickwinkeln zu sehen, war mal etwas anderes und hat mir gut gefallen, weil der Zuschauer dadurch sehr nah am Geschehen ist und kaum mehr zu sehen bekommt als der Protagonist.
Was mir allerdings weniger gut gefallen hat, ist das ständige Fluchen. Ich habe nichts dagegen, wenn Charaktere das machen, aber hier wird wirklich übertrieben. Besonders zur Mitte der Handlung fallen gefühlt jede zweite Sekunde Wörter wie "fuck", "fucking", "motherfucker" und Ähnliches. Das wirkte auf mich irgendwann wirklich lächerlich und hat von der Handlung abgelenkt. Zum Ende hin lässt dieser Aspekt zum Glück etwas nach und für mich wurde der Film gleich besser und ich konnte ihn wieder ernst nehmen. Obwohl Frank Grillos Charakter in den Szenen mit den vielen Flüchen etwas drüber wirkt, hat mir sein Schauspiel insgesamt gut gefallen. Da sein Charakter die meiste Zeit alleine zu sehen ist, trägt er quasi den ganzen Film. Der "Wheelman" zeigt dabei nicht nur seine harte, coole Seite, der Zuschauer kann vor allem durch Grillos Mimik auch immer wieder seine Angst und Panik in manchen Situationen erkennen. Dieser Aspekt macht ihn als Charakter nahbar. Er ist kein vollkommen furchtloser Actionheld. Das mochte ich wirklich gerne und dadurch habe ich viel mehr mit ihm mitgefiebert. Der Showdown hält noch ein paar Überraschungen parat und ist insgesamt wirklich rasant (im Hinblick auf das Geschehen selbst und das Erzähltempo). Insgesamt kommt bei diesem Film also wirklich keine Langeweile auf. Wer allerdings etwas mit Tiefgang erwarten sollte, wird enttäuscht: Das ist schlichtweg ein actionbeladener Streifen, der sich aber immerhin aufgrund der anhaltenden Spannung, der ungewöhnlichen Aufnahmen und des guten Hauptcharakters lohnt. 


iBoy

Tom will Rache, ist das der richtige Weg?
Foto: Netflix
Dieser Film basiert auf dem gleichnamigen Jugendbuch von Kevin Brooks, das 2010 erschienen ist. Die Geschichte beginnt damit, dass der Jugendliche Tom (Bill Milner) durch Zufall in einen Überfall auf seine Mitschülerin Lucy (Maisie Williams) gerät, als er sie besucht. Bei seiner Flucht wird er angeschossen. Dabei gelangen Teile seines Smartphones in sein Gehirn und können nicht entfernt werden. Schon bald merkt Tom, dass er technische Geräte steuern und sich nur durch seine Gedanken Zugang zu ihnen verschaffen kann. Mit diesen neu gewonnenen Fähigkeiten will er als "iBoy" diejenigen finden, die für den Überfall verantwortlich sind und Rache üben. 
Mir hat dieser Film wirklich gut gefallen, weil er das Thema Superhelden auf eine besondere Art behandelt und zeigt, dass übernatürliche Fähigkeiten nicht nur toll sind. Nur weil man außergewöhnliche Kräfte hat, heißt das noch nicht, dass man weiß, was man tut oder dass man immer der strahlende Held ist. Außerdem gibt es immer Konsequenzen und man bringt nicht nur sich selbst, sondern auch die Menschen in seinem Umfeld in Gefahr. Das alles behandelt der Film sehr gut. Es wird gezeigt, wie die Hauptfigur Fehler macht und sich in seinen Rachegedanken verliert und am Ende ziemlich in der Klemme steckt. Außerdem finde ich die Idee, dass Tom seine Fähigkeiten dank eines Smartphones bekommt, dessen Teile sich mit seinem Gehirn verbunden haben, ausgefallen und interessant. 
Was mir besonders gut gefallen hat, ist, dass der Protagonist zur Abwechslung wirklich mal ein durchschnittlicher Typ ist, der durch nichts wirklich heraussticht. Außerdem hat er durch den Unfall eine hässliche Narbe, sodass er auch kein Schönling ist. Das hat die Geschichte einfach realistischer gemacht. Diese Glaubwürdigkeit wird zusätzlich dadurch gestärkt, dass die Probleme, mit denen die Hauptfiguren konfrontiert werden, nicht vollkommen überzogen sind. Der Protagonist muss nicht gegen Bösewichte mit Superkräften kämpfen und die Welt retten, sondern gegen Kriminelle, die in seiner Gegend Probleme machen, deswegen aber nicht weniger bedrohlich sind. Es ist eine andere, düstere sowie realistischere Version eines Heldenfilms, in dem die Hauptfigur nicht perfekt ist, sondern sogar an den Punkt kommt, an dem er vollkommen überfordert ist. Das alles macht diesen Film besonders.
Es gibt außerdem eine Liebesgeschichte, die sich dem Zuschauer aber nicht zu sehr aufdrängt oder kitschig ist. Zudem bekommt die weibliche Figur Lucy ihre eigene Geschichte und ist nicht bloß ein schwaches Anhängsel des Protagonisten, das gerettet werden muss. Ihr Kampf, das zu verarbeiten, was ihr widerfahren ist, wird ebenfalls veranschaulicht und der Zuschauer spürt, wie ihr dieses Erlebnis zu schaffen macht. Das sind sehr bewegende Szenen, die auch dank Maisie Williams ausdrucksstarkem Schauspieltalent gut rüberkommen. Gerade in den emotionalen Momenten schafft sie es durch ihre brüchige Stimme zugleich verletzlich und aufgebracht zu wirken. Diese Emotionen verstärkt sie noch durch ihre überzeugende Mimik. Das Ende wird dann noch mal richtig spannend und zeigt nicht nur Tom, sondern vor allem Lucy als heldenhafte Figur, wofür der Film einen weiteren Pluspunkt von mir bekommen hat. Wer mal eine etwas andere Heldengeschichte erleben will, sollte diesem Titel eine Chance geben.


Spectral

Kampf gegen unbekannte Gegner
Foto: Netflix
In einer nicht allzu fernen Zukunft wird in einer vom Krieg zerstörten Stadt eine Einheit der Militäreinheit Delta Force von Kreaturen angegriffen, die für das menschliche Auge nicht sichtbar sind. Die Männer sterben auf der Stelle durch einen Erfrierungstod, sobald die Wesen sie attackieren. Nur durch besondere Kameras können die blau flackernden, geisterähnlichen Gestalten gesehen werden. Der DARPA (Behörde des Verteidigungsministeriums der USA)-Mitarbeiter Dr. Mark Clyne (James Badge Dale), der die Kameras gebaut hat, wird von seinem Vorgesetzten in diese Stadt geschickt, um der Sache auf den Grund zu gehen und herauszufinden, was genau für den Tod der Soldaten verantwortlich ist.
Der Film ist generell wie viele Actionfilme aufgebaut: Eine Gruppe von Leuten muss sich einem unbekannten Gegner stellen, dieser veranschaulicht seine Stärke, es kommt zu Verlusten im Team, doch sie kämpfen zurück, erst läuft es schlecht, dann haben sie eine Idee, wie sie die Gegenspieler bekämpfen können und es kommt zum finalen Kampf. In dieser Hinsicht gab es keine Überraschungen oder unvorhersehbare Wendungen. Trotzdem ist "Spectral" wirklich spannend und das liegt vor allem am Gegner. Denn bis zum Schluss wird nicht klar, was genau die Geistergestalten sind. Zwar wird schnell offensichtlich, warum es sie gibt, wenn man im Auge behält, dass Krieg ebenfalls ein Thema in diesem Film ist. Doch die Idee dahinter, was sie sind, ist außergewöhnlich und vor allem verstörend. Es zeigt, wie weit die Menschheit in Kriegszeiten gehen könnte, um den Gegner zu besiegen. Generell hat mit gefallen, dass im Film immer wieder darauf eingegangen und auch kritisiert wird, was Krieg mit Menschen machen kann. So soll beispielsweise ein Gerät, das Dr. Clyne eigentlich als Verteidigungsmittel gebaut hat, lieber dafür eingesetzt werden, den Feind zu töten.
Die meisten Charaktere in dieser Geschichte waren in Ordnung. Ich bin ihnen gerne durch die Handlung gefolgt, da sie nicht vollkommen eindimensional waren oder unglaubwürdig wirkten. Es gab keine Momente, in denen ich mich über sie oder ihre Aktionen aufregen musste. Allerdings sind sie gleichzeitig nicht unglaublich ausgefallene oder vielschichtige Figuren, weil der Zuschauer dafür einfach zu wenig über sie erfährt. Die Handlung hat mir insgesamt ebenfalls gefallen. Obwohl viele Kampfszenen vorkommen und dadurch einiges an Action vorhanden ist, gibt es zusätzlich einige ruhigere, teilweise sogar emotionale Momente. Der Film verzichtet übrigens auf eine Liebesgeschichte, obwohl es eine weibliche Figur gibt, die viel Screentime hat und oft mit dem Protagonisten interagiert. Darüber war ich erleichtert, weil eine Romanze in dieser Handlung einfach fehl am Platz gewirkt hätte und wahrscheinlich nur mit reingequetscht worden wäre. Ein weiterer Punkt, der mir wirklich zugesagt hat, war, dass es kein übertrieben kitschiges Ende gibt, bei dem alle superglücklich zusammensitzen und eine total unpassende Musik eingespielt wird. In so manch anderen Actionfilmen gibt es so etwas und meistens ist das nervig. Der Schluss ist eher neutral gehalten, das hat gut gepasst und mich positiv überrascht.


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