Donnerstag, 18. Januar 2018

Böses Geheimnis (B.C. Schiller) - Rezension

Das anhaltend schlechte Wetter der letzten Tage war ein guter Anlass, um mal wieder ein bisschen zu schmökern. Bei meiner Suche nach neuem Lesestoff wurde ich auf den Thriller "Böses Geheimnis" von B.C. (Barbara und Christian) Schiller aufmerksam. Das Buch ist am 1. Januar 2018 erschienen und eignet sich mit seiner Länge von nur 251 Seiten als Lektüre für zwischendurch.

Nach einer Schussverletzung musste der Wiener Inspektor Levi Kant aus dem Dienst ausscheiden.  Ihn quält noch immer der Gedanke, dass er seinen letzten Fall nie lösen konnte: Den Mord an der 14-jährigen Lisa Manz. Etwas widerwillig arbeitet Kant nun als Dozent an der Polizeiakademie. Mit dem langweiligen Alltag ist es schlagartig vorbei, als sich der psychisch labile Jonathan Stade umbringt. Seine Abschiedsnotiz werten die Ermittler als Geständnis im Mordfall Lisa. Jonathans Psychologin Olivia Hofmann ist jedoch davon überzeugt, dass ihr Patient getötet wurde, weil er etwas über den wahren Täter wusste. Ex-Inspektor Kant hegt ebenfalls Zweifel an der Theorie seiner Kollegen. Die beiden beginnen selbst Nachforschungen anzustellen.

Gefühlskälter als eine Leiche

Das Cover ist eher nichtssagend
Foto: Shutterstock
Im Gegensatz zu den meisten Krimis ermitteln in "Böses Geheimnis" weder Detektive noch Polizisten noch Journalisten. Prinzipiell finde ich diesen Weg interessant und abwechslungsreich, allerdings werden Levis und Olivias Besonderheiten nicht wirklich hervorgehoben. Letztere ist zwar Psychologin, doch davon bekommt der Leser wenig mit. Es werden zwar mehrfach ihre Praxis und ihre Schicht in einer Klinik erwähnt, zur Geschichte trägt ihre Profession jedoch so gut wie gar nichts bei. Es böte sich an, dass sie Verdächtige, Opfer oder die vermeintlich untätigen Polizisten evaluieren könnte. Doch Olivia ist nur bei einer Befragung dabei, in der sie sich gegenüber der Mutter der toten Lisa unprofessionell verhält anstelle sie genau zu beobachten. Levi bringt die Ermittlungen durch seine Erfahrungen bei der Polizei immerhin ein bisschen weiter, doch auch er bleibt sehr eindimensional. Keiner der beiden hat großen Einfluss auf die Handlung. Die meisten Spuren und Beweise fallen ihnen einfach in den Schoß. So bekommt die Psychologin beispielsweise einige von Lisas Tagebuchseiten zugeschickt und später findet sie bei ihrem Vater ein entscheidendes Indiz, das ihre Theorie stützt. Ein paar Schritte tun die zwei Hauptfiguren auch selbst, wie ein Einbruch in das Archiv der Klinik, in der Lisa zuletzt therapiert wurde. Doch das sind alles keine Aktionen, die die beiden in irgendeiner Form unentbehrlich machen. Jeder andere Charakter in "Böses Geheimnis" hätte genauso gut die Rolle des Ermittlers einnehmen können, so sind Oliva und Levi austauschbar. Anstelle sie durch ihre Handlungen, Eigenarten oder Fähigkeiten interessant zu machen, definieren B.C. Schiller ihre Protagonisten hauptsächlich über ihre Schicksale - Kants Schussverletzung, die ihn den Job und beinahe das Leben gekostet hat und das Verschwinden von Olivias Mann Michael und der gemeinsamen Tochter Juli. Viel mehr erfährt der Leser sonst nicht über die beiden, was sehr schade ist, da die Konstellation Potenzial bietet. 
Die anderen Charaktere sind ebenfalls sehr einseitig. Natürlich ist es in einem nur 251 Seiten langen Buch kaum möglich jede Figur zu ergründen und ihr Profil zu geben. Allerdings ist die Geschichte dementsprechend emotionslos. Die Autoren versuchen das auszugleichen, indem sie die handelnden Personen ihre Gefühle in Worte fassen lassen. Allerdings klingt das meist sehr künstlich und wirkt dadurch erst recht kalt und teilnahmslos ("Wenn du dich jetzt wieder einmischst, verfalle ich in eine große Traurigkeit."). Am auffälligsten ist in dieser Hinsicht Theresa Manz, die Mutter der ermordeten Lisa. Genau wie die beiden Ermittler ist auch sie nur auf eine einzige Eigenschaft festgelegt: Sie ist Schauspielerin und muss jedem mitteilen, wie erfolgreich sie vor der Geburt ihrer Tochter war. Allerdings fühlt sich Theresa dabei nicht wie ein greifbarer Charakter an, dessen Wut und gebrochener Stolz lebendig werden. Stattdessen kreischt sie immerzu die gleichen drei oder vier Sätze. In Bezug auf ihre Tochter beispielsweise: "[zu Lisa, Anm. d. Red.] Ich war gerade dabei, von meiner letzten großen Rolle zu erzählen. Du hast mich unterbrochen. Du hast wieder einmal alles kaputtgemacht."; "Ich war gerade dabei, die Medea einzustudieren, da platzte sie in mein Zimmer und vorbei war es mit der Konzentration. Sie war so ein anstrengendes Mädchen."; "[zu Lisa, Anm. d. Red.] Was bist du nur für ein anstrengendes Mädchen. Du kannst wirklich gar nichts." Immer wieder die gleichen Phrasen zu hören, teils sogar im selben Wortlaut, ist langweilig und besonders bei einem extrovertierten, redseligen Charakter unpassend. Außerdem klingen ihre Sätze so lächerlich, dass Theresa als nichts anderes als eine Karikatur bezeichnet werden kann. Da das offenbar nicht beabsichtigt ist, stellt sie einen der großen Schwachpunkte des Buchs dar. 

"Ich war sehr traurig."

Die einzige Figur, die der Leser ein bisschen näher kennenlernt, ist Lisa. Ihre Tagebucheinträge machen es möglich, sich in sie hineinzuversetzen. Allerdings nur bis zu einem gewissen Grad, da sie vor allem Situationen und Dialoge nacherzählt anstelle ihre Gedanken festzuhalten. Dennoch spürt der Leser, wie einsam und verzweifelt das Mädchen ist. Die Rückblenden auf die Wochen vor Lisas Tod fand ich gut, da sie mich im Gegensatz zum kompletten Rest des Buchs tatsächlich berührt haben und deutlich mehr zum Verständnis des gesamten Falls beitragen als Levis und Olivias Ermittlungen. So halten sich die Autoren zumindest im Bezug auf die Tote an den Rat ihres Protagonisten Levi Kant: "[...] in die Opfer einfühlen müssen. Sie sollen das Leid und die Schmerzen dieser armen Menschen spüren." Wie bereits oben beschrieben, gibt es einiges, was mich am Schreibstil gestört hat. Zu den ständigen Wiederholungen ganzer Satzteile und der seltsamen Ausformulierung von Gefühlen kommt auch noch Lisas Sprache hinzu. Im Gegensatz zu Cara Delevingne in ihrem Roman "Mirror Mirror" und Yrsa Sigurðardóttir in ihrem Thriller "Sog" gelingt es B.C. Schiller nicht, das junge Mordopfer altersgemäß klingen zu lassen. Ihre Ausdrucksweise ist nicht die einer 14-Jährigen. Sie redet teilweise sehr unnatürlich förmlich und erklärt es selbst damit, die Sprache durch die Drehbücher ihrer Mutter gelernt zu haben. Auf der anderen Seite drückt sie sich kindlich aus, was vielleicht daran liegen könnte, dass die Misshandlung durch ihre Eltern sie in diesem Bereich psychisch beeinflusst hat. Da der Leser aber so gut wie nichts über ihr Leben zu Hause oder die Zeit vor ihrem 14. Geburtstag erfährt, fehlen wichtige Informationen, um das nachvollziehen zu können. So klingt Lisas Ausdrucksweise einfach nur sehr holprig.
Ebenso holprig ist die Auflösung des Mordfalls. Olivia und Levi glauben, dass sie den Täter überführt haben, doch dann erinnert sich die Psychologin einige Wochen später an ein Beweisstück, das sie völlig vergessen hatte. Das führt sie auf den letzten paar Seiten noch schnell zum richtigen Mörder - es war schlussendlich die Person, die von Anfang mein Hauptverdächtiger war. Es ist schade, dass der Thriller sehr viel Zeit auf das Privatleben der beiden Protagonisten und die stagnierenden Ermittlungen verwendet, nur um die Auflösung dann hastig abzuhaken. Vor allem bleiben viele Fragen ungelöst, auf die ich hier nicht genauer eingehen werde, um Täter und eventuelle Beteiligte nicht zu spoilern. Da der Showdown völlig unspektakulär abläuft und es auch auf den über 200 Seiten davor nicht viel Nervenkitzel und Action gibt, würde ich persönlich "Böses Geheimnis" auch nicht als Thriller, sondern als Krimi bezeichnen. Positiv überrascht hat mich am Ende die Tatsache, dass das Verschwinden von Olivias Mann und Tochter nicht aufgeklärt wurde. In Krimis ist es normalerweise Standard, dass zwei vermeintlich unterschiedliche Fälle letztendlich zusammengehören. Hier wäre es ein großes Gesamtbild sogar äußert denkbar gewesen, da mehrere Tragödien vor fünf Jahren stattfanden: Lisa Manz' Ermordung, Levis Schussverletzung, das Verschwinden von Olivias Familie und die Alzheimer-Diagnose ihres Vaters. Es ist eine nette Abwechslung, dass diese Dinge nicht gezwungenermaßen zusammenhängen - jedenfalls noch nicht, denn die Geschichte wird vermutlich fortgeführt werden ("Er kannte Olivia gut und wusste, dass sie die Suche nach ihrem Mann und ihrer Tochter niemals aufgeben würde.").

Fazit

"Böses Geheimnis" ist mehr Krimi als Thriller, da es dem Buch an Action, Spannung und Nervenkitzel mangelt. Das liegt vor allem an den ereignislosen Ermittlungen, bei denen den Protagonisten die meisten wichtigen Beweisstücke einfach in die Hände fallen. Ein großer Teil der Handlung konzentriert sich auf die privaten Probleme der beiden Hauptfiguren, die dennoch eindimensional bleiben. Die Nebencharaktere werden ebenfalls auf eine Eigenschaft reduziert, die immer wieder aufgewärmt wird, indem ganze Dialogzeilen oder Beschreibungen in sehr ähnlichem oder sogar gleichem Wortlaut wiederholt werden. Da das Buch über gerade einmal 251 Seiten verfügt, fällt das besonders auf. Lediglich das Mordopfer öffnet sich dem Leser ein bisschen mehr und gibt Einblick in sein Seelenleben. Alle anderen Charaktere sprechen ihre Gefühle knapp und emotionslos aus, was überaus unnatürlich klingt. Für einen verregneten Nachmittag war "Böses Geheimnis" ein passabler Zeitvertreib, weitere Geschichten der Ermittler Levi Kant und Olivia Hofmann werde ich jedoch nicht lesen.


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1 Kommentar:

  1. Ich habe (fast) alles von BC Schiller gelesen, Toni Braun war bisher mein Lieblings "Schillerheld" jetzt ist mir Gott sei dank "BÖSES GEHEIMNIS" in die Hände gefallen und ich wünsche mir mehr von dieser ART!
    Nach "Schillers Glocke" finde ich "Schillers böses Geheimnis" eines der großartigsten Werke!

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