Die Bundespolizisten Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz) werden in einen kleinen niedersächsischen Ort gerufen. Der Fahrer Arash Naderi (Hadi Khanjanpour) wurde dort brutal vor dem Tor seines Arbeitgebers, dem Gasförderunternehmen Norfrac, ermordet. In den letzten Wochen war er immer wieder von den Ortsbewohnern angefeindet worden, die in seiner Ladung giftige Fracking-Substanzen vermutet hatten. Grosz bemerkt schnell, dass viele der Menschen unter Ausschlägen und Wesensveränderungen leiden. Falke hat indessen ganz andere Dinge im Kopf. Er hat nun zwar endlich Kontakt zu seinem Sohn Torben (Levin Liam), doch der will von seinem Vater nichts wissen und verbringt seine Zeit lieber mit Partys und Kneipenschlägereien. Durch Falkes Geistesabwesenheit bringt er seine Kollegin Grosz in Gefahr, als die alleine mehreren Dutzend militanten "Öko-Nazis" gegenübersteht.
Zombies sind unter uns!
Die blutigen Hände sehen cool aus!
Foto: NDR
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Seit Kommissar Falke bei der Bundespolizei ist, ging es in seinen Fällen - logischerweise - um Terrorismus, Einwanderung oder andere Belange, die die ganze Republik betreffen. Dementsprechend ist das Thema Fracking eine nette Abwechslung, auch wenn nie aufgeklärt wird, wieso die beiden Bundespolizisten zu einem vermeintlich stinknormalen Mord gerufen werden. In diesem Zusammenhang ist es auch seltsam, dass sie nur zwei Polizisten zur Verstärkung bekommen. Falke und seine ehemalige Partnerin Lorenz hatten in der Vergangenheit Teams mit Dutzenden Kollegen. Obwohl das Thema relativ unverbraucht und relevant ist, hatte ich die vollen 88 Minuten lang das Gefühl, dass Regisseurin Sabine Bernardi es nicht ernst nimmt. Zwar sollte der Sonntagskrimi kein Lehrfilm sein, doch anstelle tatsächlich ein bisschen Aufklärungsarbeit zu betreiben, konzentriert sich der Krimi eher auf Gruselelemente. Im Gegensatz zum "Halloween-Tatort: Fürchte dich" allerdings nicht mit einer guten Portion Selbstironie, sondern bitterernst. Die Dorfbewohner haben allesamt fahle Gesichter, eklige Ausschläge, heftigen Husten, nässende Wunden und tragen ausschließlich Grau- sowie Brauntöne (Falke: "Wenn man sein ganzes Leben nur Hirse frisst, sieht man halt so aus!"). Gegen Ende von "Böser Boden" wirken sie wie eine Horde Zombies aus einem relativ langweiligen Horrorfilm. Sie bewegen sich langsam im Pulk auf die Protagonisten zu, ohne irgendetwas zu sagen oder zu machen. Besonders die Kinder scheinen die Regieanweisung bekommen zu haben, sie sollten stumme, blutrünstige Untote mit Keuchhusten spielen. Wegen dieser durchaus beunruhigenden Darstellung, hat es mich zwischendurch dezent gegruselt. Bei einem Krimi, in dem es um Fracking und die Macht der Konzerne geht, sollte es dennoch keine Kinder mit Blutrinnsal aus dem Mund brauchen, um beim Zuschauer ein ungutes Gefühl hervorzurufen! Überhaupt gibt es in diesem "Tatort" viele Szenen, die nur wie Füllmaterial wirken und die Handlung nicht voranbringen. Dazu zählt der schizophrene Obdachlose, der Falke und Grosz im Wald attackiert und danach auf Nimmerwiedersehen verschwindet und der Auftritt der Band AnnenMayKantereit, deren Sound so gar nicht in den Club passt, in dem sie hier spielen.
Woran es diesem Sonntagskrimi auch mangelt, sind Figuren, denen man gerne zusieht. Falke und Lorenz waren eins meiner beiden Lieblingsteams und obwohl ich von Petra Schmidt-Schallers Ausstieg enttäuscht war, habe ich mich sehr über Franziska Weisz als Neuzugang gefreut. In den eineinhalb Jahren, die seit Grosz und Falkes letztem Fall vergangen sind, wurde ihre Figur jedoch nicht erkennbar weiterentwickelt. Sie verzieht kaum eine Miene und erinnert damit stark an ihre Kommissarskollegin Hannah Zeiler (Nora von Waldstätten) vom ZDF. Dennoch mochte ich sie von allen Personen mit Abstand am meisten, da sie als einzige richtig ermittelt und ihr weder irgendeine Ideologie noch persönliche Probleme die Sicht vernebeln (Falke: "Warum haben Sie die nicht einfach gefragt?" Grosz: "Weil man keine Geheimnisse erfährt, indem man danach fragt?!"). Das hat mich bei Falke unglaublich gestört. Die Geschichte mit seinem Sohn ist nicht nur langweilig, sondern unterbricht auch immer wieder die eigentliche Krimihandlung. Immerhin bietet er Grosz so eine Steilvorlage für einen einzigen Gefühlsausbruch, in dem sie ihm unmissverständlich zu verstehen gibt, dass sie ihm die Partnerschaft kündigt, sollte er sie noch einmal in einer bedrohlichen Situation allein lassen. Die Spannungen zwischen den beiden sind jedenfalls deutlich interessanter als die Nebenhandlung um Torben.
Der einzige Charakter, der den Krimi ein bisschen auflockert, ist Henry Fohlen (Christian Hockenbrink), Experte vom Landesamt für Bergbau. Zumindest zu Beginn ist er ein liebenswerter Nerd, der mit witzigen Sprüchen ("Manche Dinge kommen auch ohne, dass man sie bestellt - Haarausfall, die Zeugen Jehovas... eine Expertise vom Bergamt!") ein bisschen von der Zombie-Apokalypse ablenkt. Dann dreht leider auch er durch und eine arme, kleine Maus muss es ausbaden - um nicht zu viel zu spoilern. Die Szene ist jedenfalls sehr schräg und wird hinterher nur sporadisch erklärt - wie leider fast alles in "Böser Boden", denn eine eindeutige, klare Auflösung gibt es nicht. Selbst der letztendliche Mörder wird nur angedeutet und der Zuschauer bekommt weder eine Befragung noch ein Geständnis zu hören. Ob er es tatsächlich war und was genau in dem Dorf eigentlich passiert ist, lassen die Drehbuchautoren Marvin Kren und Georg Lippert offen.
Nächste Woche kommt nach längerer Pause wieder ein "Polizeiruf 110". Die deutsch-polnischen Ermittler Olga Lenski (Maria Simon) und Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) müssen in "Das Beste für mein Kind" herausfinden, wer den Entführer eines sechs Monate alten Babys umgebracht hat.
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Wer seid ihr und was tut ihr?
Die Outfits hatten wir in der Schultheater AG auch!
Foto: NDR/Christine Schroeder
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v.l.: Falke, Fohlen und Grosz ermitteln... irgendwie
Foto: NDR/Christine Schroeder
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Fazit
"Böser Boden" ist der bislang schlechteste "Tatort" mit Kommissar Falke. Dem Fall liegt zwar ein interessantes Thema zugrunde, doch es wird nicht sachlich und logisch genug behandelt. Stattdessen laufen sämtliche Dorfbewohner so lädiert und apathisch durch die Gegend, als seien sie von den Toten auferstanden. Das ist weder glaubhaft noch unterhaltend. Dazu kommen zahlreiche Szenen und Charaktere, die für die Geschichte nicht relevant sind und später nicht mehr angesprochen werden. Eine wirkliche Auflösung oder einen Abschluss gibt es generell nicht. Selbst bei Kommissar Falkes Vater-Sohn-Nebenhandlung ist nicht ersichtlich, was zur 180-Grad-Wendung am Ende geführt hat. Nur Grosz wirkt in diesem Krimi geerdet und konzentriert, leider kann sie diesen "Tatort" auch nicht mehr retten.
Nächste Woche kommt nach längerer Pause wieder ein "Polizeiruf 110". Die deutsch-polnischen Ermittler Olga Lenski (Maria Simon) und Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) müssen in "Das Beste für mein Kind" herausfinden, wer den Entführer eines sechs Monate alten Babys umgebracht hat.
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Schade. Super Thema aber leider dilettantisch umgesetzt. Der Plot hätte das Zeug zu großem Kino gehabt wie zB Erin Brokowic, doch leider nur sehr schwaches TV. Für jmd wie mich, dem die Natur am Herzen liegt war der Tatort einfach nur frustrierend unrealistisch.
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