Freitag, 15. Dezember 2017

Lore (Serie) - Rezension

Seit Anfang Dezember gibt es eine neue exklusive "Amazon"-Serie. "Lore" ist eine Horror-Anthologieserie mit insgesamt sechs Episoden, die auf dem gleichnamigen Podcast des Autors Aaron Mahnke beruht. Anthologie bedeutet dabei, dass jede Folge eine eigene, abgeschlossene Geschichte behandelt, die auf wahren Begebenheiten beruht. Dabei geht es immer um alte Legenden oder übernatürliche Phänomene. Von Vampiren über Werwölfe bis hin zu Geistern, "Lore" zeigt den Zuschauern, wo diese Dinge ihren Ursprung haben und erweckt dabei die Vergangenheit mit Schauspielern, Animationen sowie Archivmaterial wieder zum Leben. 

Gruselklassiker mit realem Hintergrund

"Lore" bietet viel Horror und Mystery
Foto: Amazon Studios
Wie oben bereits erwähnt, basiert die Serie auf einem Podcast, der 2016 von Aaron Mahnke kreiert wurde und mittlerweile schon 75 Folgen umfasst. In der Sendung spielen die Aufnahmen ebenfalls eine Rolle, denn seine Stimme führt den Zuschauer zu einem großen Teil durch die Episoden. Dabei spricht er vor allem über die historischen Ereignisse und gibt immer wieder interessante Informationen. Währenddessen wird seine Erzählung entweder durch Archivmaterial oder Animationen verschiedenster Art unterstützt. So spricht er beispielsweise am Anfang der ersten Episode über den Tod im 19. Jahrhundert und was gemacht wurde, um sicherzugehen, dass ein Verstorbener auch wirklich tot ist. Zur Veranschaulichung werden hier animierte Zeichnungen verwendet, was ganz gut ist, da die Methoden teilweise sehr unschön sind (zum Beispiel etwas Spitzes unter den Fingernagel schieben). Weitere Animationen zeigen, welche Vorrichtungen in Särgen für den Fall eingebaut wurden, dass der Mensch darin doch noch nicht gestorben ist. Auch diese erklärt Mahnke dem Zuschauer. Die Bekannteste war dabei die Glocke, die über der Erde durch eine Schnur mit dem Körper verbunden war. Die spezifischen Fälle werden hingegen durch Spielszenen lebendig und beinhalten auch Fiktion, da es oft um übernatürliche Ereignisse geht. So tauchen die Zuschauer in der ersten Episode nach Mahnkes Einleitung die Geschichte der Familie Hart ein. Nach dem Tod dreier Familienmitglieder und der Erkrankung seines Sohnes erwägt Mr. Hart die Möglichkeit, dass einer der Verstorbenen nicht vollkommen tot ist und für die Krankheit der anderen verantwortlich ist. Dieser Fall ist die Grundlage für Bram Stokers Roman "Dracula" gewesen, also für Vampire, die ebenfalls weder tot noch lebendig sind. Durch das Schauspiel habe ich  einen guten Eindruck davon bekommen, was in den Menschen zu dieser Zeit vorgegangen ist und wie groß die Angst vor dem (Nicht-)Tod gewesen ist. Diese Mischung aus Wissen und Fiktion hat mir sehr gut gefallen, weil ich etwas gelernt habe, ohne dabei das Gefühl zu haben, mit Informationen überhäuft zu werden. Die Fakten werden immer an den passenden Stellen der Geschichte dazwischengeschoben, wodurch der Zuschauer sie "portionsweise" bekommt und sie sich leichter einprägen kann.
Ist die Kommunikation mit den Toten wirklich möglich?
Foto: Amazon Studios
Was die übernatürlichen Aspekte angeht, wird immer ein Blick auf beide Seiten geworfen: die der Skeptiker und die der "Gläubigen" (Über die Kommunikation mit den Toten: "The dead do not return" - "We live in a time of rapid scientific advancement [...] A séance is another such advancement. I believe that science will prove once and for all [...] that there exists a life after this one and that we can return" - "Science can not save this house. Or you."). Somit wird es dem Zuschauer selber überlassen, sich seine eigene Meinung zu bilden, wie nah an der Wahrheit jeder Fall ist. Besonders in der Folge über eine Geisterheimsuchung musste ich ab und zu an die Serie "X Factor – Das Unfassbare" denken, die in den 90ern und frühen 2000ern lief und sicherlich vielen ein Begriff ist. Darin wurden verschiedene mysteriöse Fälle vorgestellt und die Zuschauer mussten entscheiden, welche davon auf Tatsachen beruhen und welche frei erfunden waren. Ähnlich wie dabei ist es auch in "Lore" in jeder Episode spannend, der Handlung zu folgen und über den Wahrheitsgrad der Legenden nachzudenken. In der Folge der Geisterheimsuchung werden zusätzlich zum Hauptfall auch die Fox-Schwestern Kate und Margaret aus New York erwähnt. Diesen Teil übernimmt wieder Aaron Mahnke, der ihre Geschichte kurz wiedergibt. Sie konnten angeblich mit Geistern kommunizieren, später aber haben sie gestanden, dass alles nur ein Schwindel war. Die Animationen, die hier genutzt werden, haben mir sehr gut gefallen. Sie sind nur in Schwarz-Weiß gezeichnet und sehr simpel gehalten, bringen die gruselige Stimmung aber gerade dadurch sehr gut rüber. 
Ein Beispiel der animierten Szenen über die Fox-Schwestern
Foto: Amazon Studios
Ich persönlich finde es immer unheimlich spannend, etwas über übernatürliche Ereignisse zu erfahren, die auf wahren Begebenheiten beruhen, vor allem deshalb gefällt mir das Konzept von "Lore" wirklich gut. Selbst wenn Zuschauer mit den Grundinformationen einzelner Ereignisse vertraut sind, bietet ihnen die Serie durch die tollen schauspielerischen Einlagen und die ansprechende Visualität noch mal etwas Besonderes. Allgemein denke ich aber, dass jemand auf jeden Fall für solche Mysterien offen sein sollte, ansonsten wird die Serie ihn wahrscheinlich nicht so begeistern können. 

Episoden voller Unbehagen und Horror

Weiteres Beispiel der Animationen in "Lore"
Foto: Amazon Studios
Ich war insgesamt sehr positiv überrascht, wie gut die Sendung es schafft, eine düstere und teilweise wirklich unbehagliche Atmosphäre zu schaffen. Es werden dafür keine überzogenen, unecht wirkenden Spezialeffekte verwendet. Es gibt meistens praktische Effekte (z.B. Möbel, die durch die Gegend fliegen), die aber auch nicht übermäßig eingesetzt werden. Das hat mir gut gefallen, da die Geschichten sonst auch schnell ins Lächerliche hätten abrutschen können. Die Stimmung wird zudem durch die Kulissen verstärkt, die alle visuell ansprechend gestaltet sind und den Zuschauer in die jeweilige Zeit und das Thema entführen. Auch die bereits erwähnten Animationen tragen sehr gut zu dem Gesamtbild der Episoden bei, weil sie ebenfalls düster kreiert sind und oftmals auch einen eher groben, abgehackten Stil haben. 
Obwohl jede Folge nur zwischen 40 und 50 Minuten lang ist, erwecken die jeweiligen Schauspieler die Personen, die sie verkörpern, sehr eindrücklich zum Leben. Dadurch wird dem Zuschauer das Schicksal wirklich nahegebracht. Die Darsteller, die in jeder Geschichte wechseln, schlüpfen nicht bloß in die Rolle, um wahre Begebenheiten darzustellen. Sie geben ihren Rollen Persönlichkeit und holen den Zuschauer auch auf emotionaler Ebene ab. Dadurch fällt es auch noch leichter, die Fakten aufzunehmen, weil ich wirklich in der Geschichte investiert war. Durch die tiefen Einblicke in die Gefühlswelt der Personen kann der Zuschauer ihre Denkweisen und Handlungen gut nachvollziehen und verstehen.
Ausschnitt aus dem Opening
Foto: Amazon Studios
Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir Holland Roden, die in der dritten Folge die Irin Bridget Cleary verkörpert. Sie wurde 1895 von ihrem Mann Michael umgebracht, weil er glaubte, ein Changeling (dt.: Wechselbalg) habe ihren Platz eingenommen und die wahre Bridget in sein dunkles Reich verschleppt. Die Frau muss eine grausame Tortur über sich ergehen lassen, ein Ritual, das die "echte" Bridget wieder "zurückholen" soll. In einer Szene erzählt sie ihrer Freundin, wie weit ihr Mann schon zuvor gegangen ist, um zu beweisen, dass sie kein Mensch ist. ("He held the poker from the fireplace this far [hält Hand ganz nah vor Gesicht] from my face. He told me that the fairies fear nothing more than fire. So I had to stand there and not be afraid. But inside...") Rodens angsterfüllte, verstörte Augen und ihre brüchige, fast flüsternde Stimme bringen ihre Gefühle sehr nah an den Zuschauer heran. Mich hat ihr Schicksal sehr berührt und für mich war es die emotionalste Folge. 
Robert darf sogar mit am Tisch sitzen
Foto: Amazon Studios
Die letzte Episode bietet noch mal ein richtiges Horror-Highlight als krönenden Abschluss. Darin geht es um eine Puppe namens Robert, die dem Künstler Robert Eugene Otto gehörte und angeblich lebendig sein soll. Die Stoffpuppe selbst, die einen kleinen Matrosen darstellt, sieht schon unheimlich genug aus und durch die Spielszenen wird diese unbehagliche Stimmung noch verstärkt. Ich hatte teilweise das Gefühl, einen guten Horrorfilm zu sehen, weil die "Heimsuchungen" Roberts so fabelhaft inszeniert wurden. In einer Szene wird die Ehefrau des Puppenbesitzers (Haley Finnegan) eingesperrt und vor der Tür ist Fußgetrappel zu hören, dabei ist außer ihr niemand im Haus. Außer dem kleinen Matrosen... Noch gruseliger war die Szene, als sie die Puppe endlich (!) verbrennt, diese am nächsten Morgen aber wieder mit am Frühstückstisch sitzt. Das hat bei mir für Gänsehaut gesorgt. Am beunruhigendsten finde ich aber die Tatsache, dass Robert bis heute ein Ausstellungsstück in einem privaten Museum ist und Menschen von überall in seinen Bann zieht. Das Kamerateam durfte  genauso wie alle anderen Besucher den kleinen Matrosen erst filmen, nachdem er um Erlaubnis gebeten wurde... Noch unheimlicher wird die Episode durch weitere Fälle, beispielsweise der von Anatoly Moskvin, der Leichen ausgegraben und sie zu Puppen präpariert hat. Die Originalbilder aus seiner Wohnung, die neben den lebensgroßen auch Hunderte kleine Puppen zeigen, waren wirklich verstörend. Diese Episode war für mich mit Anstand am eindrücklichsten. Wer ein Fan von dem Horrorfilm "Annabelle" ist, sollte hier definitiv mal reinschauen. 
Nur ein Spielzeug oder doch ein verfluchtes Objekt?
Foto: Amazon Studios
Selbst die meiner Meinung nach schwächste Folge, in der es um Werwölfe aus dem 16. Jahrhundert geht, konnte mich insgesamt überzeugen. Sie hält interessante Informationen über dieses Phänomen bereit, auch wenn mir die schauspielerische Leistung in dieser Episode am wenigsten gefallen hat. Die Geschichte konnte mich nicht so ganz gefangen nehmen und war auch am ehesten die, deren Wahrheitsgehalt ich stark bezweifeln würde. Insgesamt kann ich aber alle Folgen empfehlen.

Fazit

"Lore" bietet eine gute Mischung aus historischen Fakten und spannenden, mysteriösen Fällen. Dadurch erfährt man interessante Informationen über die Ursprünge verschiedener Gruselklassiker ohne das Gefühl zu haben, mit trockenem Wissen gelangweilt zu werden. Besonders durch die tollen schauspielerischen Leistungen taucht der Zuschauer in die Handlung und die Gefühlswelt der Personen ein. Dabei kann er sich immer selbst überlegen, wie viel Wahrheit in den Fällen steckt. Die Serie erschafft zudem eine schön düstere und teilweise auch unbehagliche Stimmung. Das praktische an dieser Sendung ist, dass man auch nur einzelne Episoden schauen kann, die einen thematisch interessieren, weil sie in sich komplett abgeschlossen sind. Ich kann aber nur empfehlen, alle anzuschauen, da jede einzelne sehenswert ist.


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