Ein Serienmörder geht in Wien um. Innerhalb von wenigen Tagen tötet er drei Menschen und stellt ihre zerschundenen Körper an öffentlichen Plätzen zur Schau. Oberstleutnant Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Major Bibi Fellner (Adele Neuhauser) tappen im Dunkeln, denn der Täter hinterlässt keine Spuren. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Manfred Schimpf (Thomas Stipsits) suchen sie nach einer Verbindung zwischen den Opfern. Doch der tätowierte Serbe Dušan Savić (Faris Rahoma), der georgische Gärtnereimitarbeiter Davit Nosadse (Sebastian Pass) und die junge Mutter Nataliya Lomatschenka (Marie Monier) aus Litauen scheinen nichts gemeinsam zu haben. Die stressigen Ermittlungen werden durch ein internes Gerangel noch erschwert. Oberst Ernst Rauter (Hubert Kramar) will eine zweite Mordkommission ins Leben rufen und sucht nach einem geeigneten Leiter. Bibi spielt mit dem Gedanken sich zu bewerben, doch ihr ehrgeiziger Kollege Clemens Steinwendtner (Dominik Maringer) will den Job selbst und Moritz möchte seine Kollegin nicht verlieren.
Eisner und Fellner sind jedoch auch mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Zu Beginn des "Tatorts" sitzen die beiden in einer Pressekonferenz, in der ihr Chef Rauter eine Umstrukturierung der Kriminalpolizei bekannt gibt. Moritz streicht dabei fleißig die salbungsvollen Begriffe (darunter "Must have", "beste Köpfe", "Effizienzsteigerung" und "Synergien") auf einem selbst gemalten Bingozettel ab. Die Szene ist wirklich genial und mein absoluter Favorit in diesem "Tatort". Das liegt vor allem am witzigen Schlagabtausch zwischen Bibi und Moritz, die wetten, ob alle Worte in der Rede fallen werden. Die neue Stelle als Leiter der zweiten Mordkommission sorgt dann für ein freundschaftliches und dennoch hartnäckiges Machtgeplänkel zwischen den beiden Ermittlern. Bibi gefällt es beispielsweise gar nicht, dass Eisner ihrem direkten Konkurrenten Steinwendtner zustimmt und den offiziellen Weg anstelle ihres fast schon normalen Alleingangs wählt (Fellner: "Es ist ja nicht so, als würde ich die Vorschriften nicht kennen..." Eisner: "Aber?" Fellner: "Aber bis jetzt waren die uns ja auch wurscht!"). Letztendlich wird diese Nebenhandlung jedoch ziemlich billig aufgelöst. Natürlich war von Anfang an klar, dass Bibi und Moritz nicht getrennt werden würden. Der "Tatort" hat jedoch auch nicht den Mut, den realistischen Pfad zu nehmen und den Job einem weniger qualifizierten Mann zu geben. Daher konstruiert Drehbuchautor Zickler ein wenig schlüssiges und lahmes Ende. Immerhin besteht so die Chance auf noch mehr lustige Bingo-Runden.
(K)ein Ritualmörder in Wien
Krimi? Thriller? Drama?
Foto: ORF
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Zu Beginn erinnert dieser "Tatort" an eine Geschichte des "Da Vinci Code"-Bestsellerautors Dan Brown. Der erste Tote wurde gekreuzigt. Seine Leiche ist mit Nägeln an einer Wand befestigt worden, auf die der Täter ein orthodoxes Kreuz gemalt hat (Fellner: "Sieht es nach einem religiösen Opferritual aus?" Eisner: "Christlich-orthodoxer Ritualmord, ich bitte dich!"). Beim erhängten zweiten Opfer finden die Ermittler 30 Silbermünzen. Kriminalpsychologin Henriette Cerwenka (Erika Mottl) vermutet daraufhin, dass der Mörder die biblische Geschichte von Judas erzählen will. Der "Tatort" wäre jedoch nicht der "Tatort", wenn die Handlung mal tatsächlich komplett fiktiv und abgehoben wäre. Statt Eisner und Fellner einen psychopathischen Ritualmörder mit religiösen Wahnvorstellungen gegenüberzustellen, besinnt sich Drehbuchautor Mischa Zickler auf die osteuropäische Bürgerrechtsbewegung vor einigen Jahren. So stellen sich die Ermittler bald nicht mehr die Frage, wer die Morde begangen, sondern wer sie in Auftrag gegeben hat - Russland oder die CIA (Eisner: "Mord ist ja nie die optimale Lösung.")? Dieser plötzliche Umschwung tut der Geschichte nicht gut. Sie wird dadurch unnötig verkompliziert und verpasst die Chance einen innovativen Schritt zu tun. Ein Ritualmörder ist zwar nicht besonders realistisch, wäre aber eine nette Abwechslung zu all den "Tatort"-Folgen, die sich bitterernst und mit erhobenem Zeigefinger in die Gesellschaftskritik stürzen. Wie der RAF-Fall "Der rote Schatten", dreht sich nun auch "Die Faust" um einen vergangenen politischen Konflikt und versucht mit einem aktuellen Mord die damaligen Probleme wiederaufleben zu lassen. Zwar ist dieser Krimi deutlich spannender und unterhaltsamer als der Stuttgarter, dennoch wurde hier eine große Chance vertan. Im Gegensatz zu einem Dan-Brown-Thriller ist die Identität des Täters nicht wirklich überraschend und sein Motiv gewöhnlich. Weshalb die Leichen so umständlich und abstoßend inszeniert wurden, wird nicht abschließend aufgeklärt.
Eisner (2.v.l.) und Fellner (r.) am ersten Fundort
Foto: ARD Degeto/ORF/E&A Film/Hubert Mican
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Die Aufmachung des Mörder allein würde schon genug Stoff für einen packenden Thriller liefern. In seinem Ganzkörperanzug, mit Mundschutz und Nachtsichtgerät, wirkt er auch ohne Waffe bedrohlich. Sein Outfit erinnert an "Virus", den vorherigen Fall des Wiener Teams, bei dem der Ebola-Virus ein ganzes Dorf in Atem hielt. Das plötzliche Auftauchen des dreifachen Ritualmörders ist ebenfalls beunruhigend. In einer Szene schleicht er durch die Wohnung seines dritten Opfers und beobachtet die unbedarfte junge Mutter. Dabei erinnert er ein wenig an Kai Korthals (Lars Eidinger), den mittlerweile legendären "stillen Gast" aus dem Kieler "Tatort", der unbemerkt in die Wohnungen von Frauen einbrach und ihre Sachen durchwühlte. In "Die Faust" endet die Szene jedoch damit, dass der Mörder sein Opfer brutal erschlägt. Der Zuschauer sieht davon nicht viel - hört aber alles, was den Grusel umso schlimmer macht. Den Mörder selbst bekommen die Krimi-Fans ebenfalls nicht viel zu Gesicht. Mit seiner bedrohlichen Verkleidung, seiner Brutalität und seiner Unberechenbarkeit hätte sich ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel mit Eisner und Fellner entfalten können. So beschränken sich die Ermittlungen leider größtenteils auf Verhöre mit Standardfragen nach Alibis und Motiven.
"Ich hätte schon auf uns aufgepasst!"
Die Bingo-Idee hätte ich in der Uni gebraucht!
Foto: Screenshot
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Fazit
"Die Faust" ist eine deutliche Verbesserung zum vorherigen Fall des Wiener Ermittlerteams. Der skrupellose, gruselig aussehende Mörder und seine ungewöhnliche Inszenierung der Leichen sind interessant, werden aber im Verlauf des Krimis leider zu wenig thematisiert. Der Umschwung in eine völlig andere Richtung nimmt dem Fall sowohl Schwung als auch Spannung. Die politischen Verwicklungen der osteuropäischen Bürgerbewegung passen einfach nicht zu den aufwändigen Ritualmorden. Dennoch ist dieser "Tatort" unterhaltend, was vor allem an den witzigen Dialogen zwischen Eisner und Fellner sowie dem originellen, Neugierde weckenden Grundkonzept des Ritualmords liegt.
In der nächsten Woche ermittelt das Kölner Team. In "Bausünden" müssen Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) herausfinden, wer eine Hotelangestellte vom Balkon gestoßen hat. Was hat ein Bauprojekt in Katar anlässlich der Fußball WM 2022 mit ihrem Tod zu tun?
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