Wie gut, dass es Streaming-Anbieter gibt, deren Eigenproduktionen immer bereit stehen und die uns regelmäßig mit neuem Material versorgen! Deshalb nutzen wir die Reihe Kurzrezensionen, um diese Eigenproduktionen vorzustellen und knapp zu rezensieren (hier kommt ihr zu allen bisherigen Beiträgen). Dieses Mal geht es wieder um "Netflix"-Originalserien. Klickt auf die Titel, um euch die Trailer anzuschauen.
An dieser Stelle gehe ich auf Sendungen ein, die "Netflix" selbst als "Original" bezeichnet, obwohl sie teilweise auch im Fernsehen ausgestrahlt oder von Drittanbietern produziert wurden. Da ich alle englischsprachigen Serien in der Originalversion angesehen habe, kann ich keine Aussagen zu der Qualität der deutschen Synchronisation treffen.
Berlin Station
Daniel jagt Thomas Shaw
Foto: Epix
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"Berlin Station" ist eine US-amerikanische Sendung, die vom Sender Epix produziert und ausgestrahlt wurde. Sie zählt dennoch zu den "Netflix"-Originals, da sich der Streaming-Anbieter die Exklusivrechte gesichert hat. Es um die CIA-Niederlassung in der deutschen Hauptstadt. Dort gibt es einen Whistleblower, der sich "Thomas Shaw" nennt und hochbrisante Informationen an die "Berliner Zeitung" weiterleitet. Agent Daniel Miller (Richard Armitage) wird nach Berlin versetzt, um herauszufinden, wer die undichte Stelle ist. Dabei merkt er schnell, dass seine neuen Kollegen (unter anderem Rhys Ifans, Michelle Forbes, Leland Orser und Richard Jenkins) alle etwas zu verbergen haben. Er muss sich auch mit dem deutschen Verfassungsschutz (Bernhard Schütz und Mina Tander) sowie einer Gruppe potenzieller Islamisten (Julika Jenkins und Merab Ninidze) herumschlagen.
Wer eine Serie mit sympathischen Charakteren sucht, der ist bei "Berlin Station" völlig falsch. Hier hat jeder Dreck am Stecken und handelt ausschließlich im eigenen Interesse: Machtgeile Amerikaner, scheinheilige Deutsche, intrigante Israelis, radikale Islamisten, skrupellose Behörden, sture Medien... Hier wird erpresst, ermordet, bedroht, bestochen und verführt. Trotzdem konnte mich die Serie nur schwer packen.
Wer von ihnen ist die undichte Stelle, der Verräter?
Foto: Epix
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Das liegt vor allem daran, dass es sehr viele handelnde Personen gibt und alle irgendetwas planen. Ich habe selten Probleme dabei, Handlungen zu folgen, aber hier bin ich an meine Grenzen gekommen. Die Geschichte springt ständig zwischen all den Charakteren, ihren beruflichen und privaten Aktionen hin und her. Das war auf die Dauer ermüdend und macht "Berlin Station" nicht gerade tauglich für eine nette Serie zwischendurch. Hier ist die volle Aufmerksamkeit gefragt! Trotzdem kam bei mir nie wirklich Spannung auf, was vor allem daran lag, dass die Zuschauer schon ab der zweiten Folge wissen, wer Whistleblower Thomas Shaw ist. So habe ich mich tatsächlich die ganze Zeit gefragt: Was ist eigentlich der Kern der Geschichte? Worauf warte ich hier noch? Bis zum Ende war ich mir nicht sicher, welche Fragen die Drehbuchautoren auflösen wollten. Auch nachdem ich alle Folgen der ersten Staffel gesehen habe, kann ich das nicht wirklich beantworten. Ich vermute aber, dass sie zeigen wollten, dass man absolut niemandem trauen kann - völlig unabhängig von Herkunft, Religion oder Überzeugung, jeder handelt nur im eigenen Interesse.
Esther (Mina Tander) und Daniel (r.) sind knallhart
Foto: Epix
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Weshalb ich die Sendung dennoch interessant fand, ist das Zusammenspiel der verschiedenen Nationen. Auch die "Netflix"-Serie "Sense8" spielt in unterschiedlichen Ländern und wird mit nationalen Darstellern an Originalschauplätzen gedreht. Allerdings sprechen dort alle - inklusive der deutschen Schauspieler - Englisch. Bei "Berlin Station" ist das nicht der Fall. Die komplette Staffel wurde in Berlin und Babelsberg gedreht. So gut wie alle deutschen Charaktere werden von deutschen Darstellern verkörpert (Bis in die kleinste Nebenrolle hochkarätig besetzt!), die sich untereinander auch in ihrer Muttersprache unterhalten. So ist bestimmt ein Viertel der Dialoge auf Deutsch - in anderen Ländern erfordert die Sendung also noch mehr Aufmerksamkeit, da man ständig Untertitel mitlesen muss. Bis ins kleinste Detail wirkt die Serie, im Bezug auf die Örtlichkeiten, realistisch. So gibt Thomas Shaw seine Insiderinformationen an die real existierende "Berliner Zeitung" weiter, die in der Serie sogar dasselbe Logo und Layout hat. Auch die Schauplätze wurden nicht - wie es normalerweise Standard ist - so verortet, dass es für die Handlung passt, sondern originalgetreu gelassen. So habe ich mir in Berlin lieber "Berlin Station" angesehen, anstelle einfach rauszugehen... Trotz vieler Unstimmigkeiten in der Geschichte freue ich mich auf Staffel 2, die noch diesen Monat erscheinen wird (hier geht es zu meiner Kurzrezension der zweiten Staffel).
The Killing
In Seattle scheint NIE die Sonne
Foto: Netflix
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Diese Serie, die auf dem dänischen Format "Kommissarin Lund" basiert, hat eine etwas krude Entstehungsgeschichte. Die ersten beiden Staffeln wurden vom Fernsehsender AMC produziert, der "The Killing" dann cancelte. Nach Verhandlungen mit Fox und "Netflix" brachte er jedoch noch eine dritte Staffel heraus und stellte die Sendung wieder ein. Daraufhin wurde sie von "Netflix" übernommen. Der Streaming-Anbieter produzierte eine vierte Staffel, die das endgültige Finale wurde. "The Killing" ist kein normaler Krimi mit einer Mordermittlung pro Folge. Im Laufe der Serie gibt es nur drei Fälle. Einer wird innerhalb der ersten beiden Staffeln aufgeklärt, die anderen jeweils in einer einzelnen Staffel. Im Fokus stehen dabei immer die beiden Kommissare Sarah Linden (Mireille Enos) und Steven Holder (Joel Kinnaman), die sich nie eine Pause gönnen und bereit sind, alles für die Ermittlungen zu opfern.
Dadurch, dass die komplette Serie nur aus drei großen Geschichten besteht, eignet sie sich hervorragend zum binge-watching. Da "The Killing" unglaublich spannend ist, fällt es nicht schwer, am Ball zu bleiben. Das liegt vor allem an den beiden Hauptcharakteren. Linden und Holder sind wohl die passioniertesten Ermittler, die es in TV-Krimis je gegeben hat. Sie schlafen so gut wie nie, haben keine Freunde, essen nur schnell zwischendurch im Auto, kümmern sich nicht um ihr Äußeres und stürzen sich in jede noch so eklige oder nervenzehrende Arbeit. Sie wirken noch sturer, kranker und ungepflegter als der Dortmunder "Tatort"-Kommissar Faber!
Holder (l.) und Linden gehen durch dick und dünn!
Foto: AMC/Netflix
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Natürlich ist das Verhalten der beiden Ermittler größtenteils sehr unrealistisch. So vernachlässigt Linden ihren Sohn regelmäßig und kommt nachts zum Teil nicht einmal nach Hause. Auch Holder als ehemaliger Junkie würde in einem echten Polizeirevier wohl keinen Job findet. Aber genau deswegen sind die beiden unglaublich spannende Charaktere! Obwohl sie praktisch kein Privatleben haben, fließt viel Persönliches in ihre Arbeit mit ein. Besonders in der finalen Staffel vermischt sich beides. Linden und Holder lernen sich zu Beginn der ersten Folge kennen und sind schnell ein tolles Team, weil sie beide dieselbe selbstzerstörerische Energie haben. Auch Mireille Enos und Joel Kinnaman haben eine fantastische Chemie und spielen ihre Figuren mit viel Hingabe. Kinnaman nimmt man den abgewrackten Junkie, der sich gerne auf der Straße herumtreibt, sofort ab. Während Enos vermutlich die einzige Schauspielerin ist, die freiwillig vier Staffeln lang praktisch ohne Make-up, mit leichenblasser Haut und immer in den gleichen, unförmigen, schmuddeligen Klamotten herumläuft. Trotzdem sind die Charaktere keine wandelnden Klischees, sondern vielseitig. Die beiden Kommissare werden nicht als einsame Helden dargestellt, die menschlichen Abgründen gegenüberstehen. Auch sie haben Dreck am Stecken und sind nicht wirklich sympathisch. Doch das macht den Reiz der Sendung aus.
Die Larsen Familie nimmt Abschied von Rosie
Foto: AMC/Netlix
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Auch der restliche Cast besteht aus wirklich guten Schauspielern, die in ihren Rollen aufgehen. Dadurch, dass die Kriminalfälle nicht innerhalb einer Folge abgearbeitet werden, bleibt viel Zeit, alle Seiten eines Mordes zu beleuchten. Die ersten beiden Staffeln behandeln den Mord an Schülerin Rosie Larsen (Katie Findlay). Der Zuschauer begleitet dabei nicht nur die Ermittlungen. Es gibt zahlreiche andere Schauplätze, die alle irgendwie mit Rosie in Verbindung stehen. Der Beste ist ihre eigene Familie. Brent Sexton und Michelle Forbes (auch Protagonistin in "Berlin Station") mimen ihre Eltern unglaublich emotional und realistisch. Man fühlt, wie sie zwischen Verzweiflung, Angst, Hass, Tatendrang und innerer Leere hin und her gerissen sind. Auch die dritte Staffel, in der es um Straßenkinder geht, die von einem Serienkiller getötet werden, ist sehr emotional und lebt durch die tollen Schauspieler. Leider bleibt die vierte Staffel, mit Ausnahme der Szenen zwischen Linden und Holder, weit hinter der Qualität der ersten drei zurück.
Greenhouse Academy
Wettstreit: Eagles gegen Ravens Foto: Netflix |
Diese Sendung ist das amerikanische Remake einer israelischen Sendung und richtet sich an ein jugendliches Publikum. Die Protagonisten sind Hayley Woods (Ariel Mortman) und ihr Bruder Alex (Finn Roberts). Ihre Mutter ist Astronautin und stirbt zu Beginn der Serie, als die Rakete, in der sie ins All fliegen soll, explodiert. Ihre Familie wird, genau wie Millionen andere auch, durch eine Live-Fernsehübertragung Zeuge des Unglücks. Der Rest der Handlung spielt acht Monate später. Alex möchte unbedingt einen Platz an der Greenhouse Academy bekommen. Auf diesem Internat werden die Anführer von morgen ausgebildet. Dafür werden die Schüler in zwei Häuser eingeteilt: Die sportlichen Eagles (Adler) und die cleveren Ravens (Raben). Schließlich wird nicht nur Alex angenommen, sondern auch Hayley. Bald merken sie, dass einiges nicht mit rechten Dingen zugeht.
Jedenfalls deuten Trailer und Serienbeschreibung an, dass die Charaktere auf ein großes Geheimnis stoßen, das es zu entschlüsseln gilt. Dem ist aber nicht so. Ja, es gibt irgendeine Art von Verschwörung, aber die Schüler bekommen so gut wie nichts davon mit. Lediglich eine von ihnen schöpft irgendwann Verdacht und beginnt nachzuforschen. Für alle anderen Jugendlichen dreht sich das Leben um den ewigen Wettstreit Eagles gegen Ravens, Liebeleien untereinander und andere Probleme, die es in jeder Teenie-Serie gibt.
Die Hauptcharaktere - mehr Schüler gibt es nicht
Foto: Netflix
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Nachdem ich die ganze erste Staffel angesehen hatte, habe ich mich - ähnlich wie bei "Berlin Station - gefragt, was hier eigentlich das Ziel war. Während in der CIA-Sendung aber wenigstens viel nebenher passierte, ist "Greenhouse Academy" vor allem eins: Furchtbar langweilig. Die gesamte "Spannung" der Serie wird aus dem spielerischen Wettkampf zwischen den beiden Häusern sowie den sehr künstlich und erzwungen wirkenden Liebesgeschichten gewonnen. Anstelle, dass die Schüler einer großen Verschwörung auf die Schliche kommen, gibt es unter anderem eine seltsame Spontan-Modenschau, eine Kuchenschlacht, eine Schnitzeljagd und einen Cupcake-Wettverkauf. Das wäre nicht schlimm, wenn sich die Sendung mit dem Alltag von Internatsschülern ("Zoey 101" lässt grüßen!) beschäftigen würde, aber nein, es soll irgendwie auf ein unglaublich mysteriöses Geheimnis hinauslaufen. Tut es auch, allerdings erst in den letzten Sekunden der Staffel und es ist nicht wirklich schwer zu erahnen, um was es sich dabei handelt.
CEOs müssen Kletterwände bezwingen können!
Foto: Netflix
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Obwohl nichts Übernatürliches passiert und die Charaktere alle relativ normal wirken, ist "Greenhouse Academy" dennoch völlig unrealistisch und nicht wirklich stimmig. Da wäre einmal die Schule selbst. Angeblich soll sie zukünftige Anführer hervorbringen und hat ein unglaublich schwieriges Bewerbungsverfahren. Trotzdem wird "Eagle" Parker Grant (BJ Mitchell) als ziemlicher Idiot dargestellt - wie soll der den harten Intelligenztest geschafft haben? Außerdem scheint es keine Klassen zu geben. Die Neuankömmlinge besuchen denselben Unterricht wie die Schüler, die schon seit zwei Jahren an der Academy sind. Obwohl, Unterricht kann man das nicht nennen. In einer Stunde müssen die Teenager an einer Kletterwand hochkommen, in einer anderen sollen sie sich Gedanken über ein Wort machen, mit dem man Sheriff Woody aus "Toy Story" beschreiben kann. Was das mit den Qualitäten eines zukünftigen Managers oder Politikers zu tun hat, bleibt genauso unklar wie die Frage, was die Aufteilung in die beiden Häuser soll, da ja alle Schüler so intelligent wie die Ravens sein müssen. Klickt hier für meine Kurzrezension der deutlich besseren zweiten Staffel.
Das waren meine "Netflix"-Kurzrezensionen. Da der Streaming-Anbieter immer wieder neue Serien und Staffeln herausbringt, wird es sicher nicht der letzte Beitrag zu diesem Thema sein. Alle Posts zum Thema "Netflix" findet ihr hier.
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